Die Staatsanwaltschaft Tübingen ermittelt wegen Mordverdachts. Eine verdächtige und schwer verletzte Bewohnerin ist noch nicht vernehmungsfähig. Bei dem Brand starben drei Menschen.
Die Leichen der drei Bewohner, die in Reutlingen bei dem Brand in einer sozialpsychatrischen Einrichtung ums Leben gekommen sind, sollen bis Freitag obduziert werden, teilte die Reutlinger Polizei mit. Noch vor Ort hatten Rettungskräfte vermutet, dass die Frau und die zwei Männer durch eine Rauchgasvergiftung starben. Eine Obduktion durch die Gerichtsmedizin soll Gewissheit bringen.
Bewohnerin steht unter Mordverdacht
Eine 57 Jahre alte Bewohnerin der Einrichtung steht nach dem Feuer am Dienstagabend im Fokus von Polizei und Staatsanwaltschaft, weil der Brand ersten Untersuchungen zufolge in ihrem Zimmer ausgebrochen war. Deswegen wird wegen des Verdachts des dreifachen Mordes und des elffachen Mordversuchs ermittelt. Die Frau sei aufgrund ihres Gesundheitszustandes nicht vernehmungsfähig, so eine Polizeisprecherin. Das könne noch einige Tage dauern. Die Frau wurde bei dem Brand schwer verletzt und wird derzeit in einer Spezialklinik behandelt.
Unterbringung in psychiatrischem Krankenhaus angeordnet
Die Staatsanwaltschaft habe einen Unterbringungsbefehl erlassen, teilte die Polizei weiter mit. Das bedeutet, dass die psychisch kranke Tatverdächtige in einem psychiatrischen Krankenhaus untergebracht wird, sobald es ihr Gesundheitszustand zulässt.
Erste Bewohner können zurück in Wohngruppen
20 der 37 Bewohner der Einrichtung können ab Donnerstag wieder in ihre Unterkunft zurückkehren, sagte die Polizei dem SWR. Die vom Brand betroffene Wohneinheit sei noch nicht wieder bewohnbar.
Laut Polizei war das Feuer im Zimmer der Tatverdächtigen in einer Wohngruppe im Obergeschoss des Gebäudes ausgebrochen. Dadurch habe sich schnell der dringende Tatverdacht ergeben, dass die 57-Jährige das Feuer gelegt haben könnte. Sie wurde selbst schwer verletzt und wird in einer Spezialklinik behandelt. Derzeit würden noch Spuren gesichert, die Kriminaltechniker ermitteln weiter, denn völlig unklar bleibt auch ein mögliches Tatmotiv der verdächtigten Frau, so die Polizei Reutlingen.
Feuerwehr war nach sechs Minuten vor Ort
Der Notruf hatte die Feuerwehr am Dienstagabend um 19:43 Uhr erreicht, sechs Minuten später waren die ersten Löschwagen am Ort des Brandes. Das Feuer war in einer von insgesamt vier Wohngruppen des Heimes ausgebrochen, es war beim Eintreffen der Feuerwehr aber bereits weitgehend erloschen und hatte sich auf einen Raum beschränkt. "Der Zustand der Räumlichkeiten ließ aber auf eine hohe Intensität schließen", sagt Feuerwehr-Einsatzleiter Martin Reicherter. "Es war eine enorme psychische Belastung auch für die Trupps, die da drin waren. Wir haben unsere psychologische Nachsorge alarmiert."
Eine 53-jährige Frau, sowie ein 73- und ein 88-jähriger Mann sind bei dem Brand gestorben. Sie erlitten wohl eine Rauchgasvergiftung. Elf weitere Bewohner wurden verletzt. Die anderen 37 Bewohner der Einrichtung und fünf anwesende Pflegekräfte blieben unverletzt. Sie wurden teilweise in anderen Kliniken untergebracht, teilweise konnten sie wieder in nicht betroffene Wohnbereiche der Einrichtung zurückkehren.
Den insgesamt 61 Feuerwehrleuten und rund 40 weiteren Helfenden sei "der Schock ins Gesicht geschrieben" gewesen, sagte auch Reutlingens Oberbürgermeister Thomas Keck. Der SPD-Politiker zeigte sich nach dem Brand ebenfalls erschüttert. "Die Betroffenheit geht weit in die Bürgerschaft hinein, es gibt viele Reaktionen, das Telefon steht nicht mehr still", sagt er am Mittwochmorgen am Unglücksort. Als gebürtiger Reutlinger kenne er manche der Feuerwehrleute von klein auf. "Sie sagen mir, sie haben so etwas Schlimmes noch nie erlebt."
Trauer in Reutlingen
Der baden-württembergische Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) besuchte am Mittwochnachmittag den Unglücksort in Reutlingen und legte einen Kranz nieder. Er bedankte sich bei den Verantwortlichen und betonte, wie engangiert und klug gehandelt worden sei.
Stiftung Patientenschutz fordert gesetzliche Regelung
Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, forderte eine gesetzliche Regelung für selbstständige Löschanlagen in Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen für psychisch Kranke. Bundesweit habe es im letzten Jahr über 140 Mal in Alten- und Pflegeeinrichtungen gebrannt. Dabei seien 16 Bewohner ums Leben gekommen, so Brysch. Das zeige überdeutlich, dass die Regelungen des vorbeugenden Brandschutzes in der Pflege an Grenzen stießen, sagte Brysch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).
Nach Brand in Reutlingen Haben psychiatrische Einrichtungen in BW ein Brandschutz-Problem?
Nachdem bei einem Brand in Reutlingen drei Patienten ums Leben gekommen sind, stellt der Patientenschutz den Brandschutz in Frage. Viele Einrichtungen haben zum Beispiel keine Sprinkleranlage.
Eine Einrichtung, in der Menschen weitestgehend selbstständig leben
In den Wohngruppen der sozialpsychiatrischen Pflegeeinrichtung leben jeweils sieben bis acht psychisch kranke Menschen wie in einer Wohngemeinschaft und mit eigenen Zimmern zusammen. Nach Angaben des ärztlichen Leiters des Heims handelt es sich um eine Einrichtung der Eingliederungshilfe für Menschen, die mindestens 50 Jahre alt sind. Sie leben längerfristig dort, sind aber nach Angaben der Stadt vergleichsweise selbstständig.