Weniger Verwaltungsaufwand und weniger Missbrauch von Sozialleistungen? Seit Ende März stellt der Zollernalbkreis Bezahlkarten für Asylbewerber aus. Wie läuft die Umstellung?
Gut ein halbes Jahr ist es her, dass der Zollernalbkreis die Bezahlkarte für Asylbewerber eingeführt hat. Der Kreistag will damit die Verwaltung entlasten. Außerdem soll der Missbrauch von Sozialleistungen verhindert werden. Überweisungen ins Ausland durch Geflüchtete sind jedenfalls nicht ohne weiteres möglich. Eine erste Bilanz der Karte fällt gemischt aus. Der Landkreis ist zufrieden mit dem Kartensystem. Von den Geflüchteten kommt teilweise Kritik.
Geflüchtete können mit Karte zum Teil nicht zahlen
Wenn man sich unter den Asylbewerbern im Zollernalbkreis umhört, stellt man fest: Es scheint noch Probleme mit dem Bezahlsystem zu geben. Einige Geflüchtete aus der Asylunterkunft Refugio in Hechingen berichten dem SWR bei einer Gesprächsrunde von ihren Erfahrungen. Wichtig dabei: Die Meisten sind dankbar, dass sie Geld vom Staat bekommen. Aber es gibt eben noch ein paar Hürden. Darüber kann zum Beispiel Mohamad Jihad Alsakka erzählen. Er spricht Syrisch, ein Kollege übersetzt: Alsakka habe schon öfter in einer Discounter-Filiale nicht bezahlen können, weil die Kasse seine Karte nicht akzeptiert hat. Seine Einkäufe musste er dann zurücklassen.
Ähnlich geht es auch Aboubacar Camara aus Guinea. Er hat seit einigen Tagen kein Zugriff auf sein Geld, erzählt er auf Französisch. Obwohl offensichtlich noch Guthaben auf der Karte sei, komme er nicht dran. Das ist für den 19-Jährigen eine schwierige Situation. Das Geld für das Nötigste muss er sich jetzt von Anderen leihen.
Asylunterkunft in Hechingen: Geflüchtete sind keine Technikexperten
Refugio-Leiterin Almut Petersen ist in der Runde mit dabei. Sie findet im Gespräch mit Aboubacar Camara heraus, dass er offensichtlich seine PIN zu oft falsch eingegeben hat. Eigentlich ist das kein großes Thema: Ein Anruf beim Landratsamt genügt, um die PIN wieder zurückzusetzen. Aber laut Petersen zeigt dieser Fall, wo eines der großen Problem liegt: Das Kartensystem sei kompliziert und überfordere. Viele der Geflüchteten können kein oder nur wenig Deutsch. Wenn die Karte nicht funktioniert, verstehen viele gar nicht, woran genau das jetzt liegt. Und das herauszufinden, koste sie und ihre Mitarbeiter viel Zeit und Energie.
Zollernalbkreis: "Anwenderfehler" sind normal
Die Probleme sind dem Landratsamt bekannt. Daniel Schneider vom Amt für Asylbewerberleistungen sagt, so genannte "Anwenderfehler" seien ganz normal, wenn ein System neu eingeführt wird. Es würde sich mit der Zeit aber einpendeln, meint er.
Schneider bestätigt: Es gibt im Zollernalbkreis eine Discounter-Filiale, bei der man nicht mit der Bezahlkarte einkaufen kann. Das liege daran, dass das Kassensystem dort keine Visa-Karten akzeptiere. Schneider und seine Kollegen raten den Asylbewerbern, in einem anderen Laden einkaufen zu gehen.
Landratsamt ist mit Bezahlkarte zufrieden
Das alles seien aber Einzelfälle, sagt das Landratsamt, die bekomme man schnell in den Griff. Das Bezahlsystem als solches mache der Verwaltung keine Probleme mehr. Sozialdezernent Georg Link ist zufrieden mit der Bezahlkarte.
Er sagt: "Wir konnten unsere Kollegen in der Verwaltung entlasten." Denn vor der Bezahlkarte musste das Geld an Geflüchtete teilweise bar ausgezahlt werden. Die Kämmerei musste daher monatlich Bargeld für bis zu 90 Personen im Haus haben. Das sei nun deutlich einfacher geworden.
Und verhindert die Bezahlkarte auch, dass die Geflüchtete Sozialleistungen missbrauchen, indem sie Geld in die Heimat schicken? Dazu kann Link zu diesem Zeitpunkt noch nichts sagen. Ihm würden noch keine Zahlen vorliegen. Er ergänzt: "Menschen, die wirklich Schutz brauchen, die kommen zu uns. Unabhängig davon, ob es bei uns eine Bezahlkarte gibt."
Vorgeschmack für bundesweite Bezahlkarte?
Almut Petersen vom Hechinger Refugio findet: Der Missbrauch von Sozialleistungen ist bei den Asylbewerbern kein Thema. Sie würden das Geld, das ihnen zusteht, für ihr Leben hier in Deutschland benötigen. Außerdem hätten die Meisten Bewohnerinnen und Bewohner vom Refugio viel größere Probleme, etwa weil sie mit schlimmen Kriegserfahrungen leben müssen. Die Bezahlkarte sei in ihrer Anwendung zwar nervig, aber verändere für die Geflüchteten nichts.
Trotzdem bleibt die Bezahlkarte ein Tehma. Noch in diesem Jahr soll sie bundesweit eingeführt werden.