In dem Stück "Krüppel von Inishmaan" geht es um einen Mann mit Behinderung. Im Reutlinger Theater "Die Tonne" spielt erstmals ein Schauspieler im Rollstuhl die Hauptrolle.
Zum ersten Mal spielt ein Schauspieler mit Beeinträchtigung die Hauptrolle in dem Theaterstück "Krüppel von Inishmaan". Die Bühne im Reutlinger Theater "Die Tonne" liegt im Dunkeln – aber irgendwo spielt jemand auf einer Geige. Die Hauptdarsteller stehen oder sitzen vor Pulten. Mittendrin Schauspieler Santiago Österle in seinem elektrischen Rollstuhl.
Die Schauspieler sprechen frontal in den Zuschauerraum. Sie lesen ihre Texte wie in einem Hörspiel von Blättern ab. Links daneben sind die Musik- und Geräuschemacher. Kochenden Kaffee, einen knisternden Ofen oder das Rauschen des Meeres machen sie live auf der Bühne hörbar. Im Hintergrund ist eine Leinwand. Darauf projiziert: grüne Wiesen, kleine Wege gesäumt von Büschen, ein paar alte Steinhäuser - Irland!
Schauspieler: Erste Hauptrolle gleich eine Besondere
Das Theaterstück erzählt die Geschichte von Billy im Rollstuhl, den seine schrulligen Mitmenschen auf der Insel nur "Krüppel-Billy" nennen; gespielt von Santiago Österle. Es ist seine erste Hauptrolle und für ihn als Schauspieler eine ganz besondere Herausforderung: "Und dann so ein Stück direkt. Das hat mich schon umgehauen. Ich finde das ist schon Wahnsinn," sagte er dem SWR.
Österle ist seit vielen Jahren Mitglied des inklusiven Ensembles des Reutlinger Theaters. Er kam zu früh zur Welt, seine Gliedmaßen sind beeinträchtigt, erzählt er. Seinen Text liest er im Rollstuhl von einem großen Tablet ab.
Die Rolle des Billy findet Österle spannend. Der sei super intelligent. Einer den alle unterschätzen und das mache die Figur so interessant. Im Stück hätten auch alle anderen Figuren ihre Beeinträchtigungen, ihre Behinderungen, seien nicht "ganz knusper", sagt Österle und lacht. Aber der Billy, der würde als "Krüppel" bezeichnet, nicht aus Böswilligkeit oder Verachtung, die würden ihn einfach so nennen.
Österle: Jeder hat seine Beeinträchtigung - auch ohne Rollstuhl
Im Stück wehrt sich Billy dagegen "Krüppel" genannt zu werden. Will als Mensch gesehen werden. Und so viel sei schon verraten: Billy ist der einzige, der es schafft, die kleine irische Insel mit ihren schrulligen und wirklich schrägen Bewohnern zu verlassen.
Die Rolle zu spielen ist anstrengend, auch psychisch, sagt Österle. Denn auch wenn Menschen mit Beeinträchtigungen heute auf der Straße nicht mehr offen beleidigt werden, im Alltag traut man ihnen noch immer nichts zu. Die Leute würden immer noch denken: der sitzt im Rollstuhl, der hat nichts im Kopf.
So wie Billy im Theaterstück will auch Santiago Österle, dass sich etwas verändert, dass Inklusion heute wirklich gelebt wird und keine viel benutzte leere Worthülse bleibt. Sein Apell: Menschen mit Beeinträchtigungen als vollwertige Menschen wahrnehmen, ihnen etwas zutrauen und sie einfach mal machen lassen! So wie im Theater "Die Tonne" in Reutlingen. Das ist echte Inklusion, sagt Österle, nickt mit dem Kopf und strahlt.
SWR Reporter Markus Beschorner hat sich das Stück im Reutlinger Theater angeschaut:
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