Kommt das Glyphosat in unseren Gewässern hauptsächlich aus unserem Waschmittel und nicht aus der Landwirtschaft? Eine Tübinger Forscherin vermutet das. Es gibt aber auch Zweifel.
Die Landwirtschaft ist nicht die Hauptquelle für die Glyphosat-Belastung unserer Gewässer - davon geht zumindest die Forscherin Carolin Huhn von der Universität Tübingen aus. Sie vermutet, dass die Glyphosat-Spur zu unseren Waschmaschinen führt. Genauer gesagt: zu dem Waschmittel, das wir benutzen. Noch wird die Forschung der Tübinger Wissenschaftlerin geprüft, es regen sich aber bereits erste Zweifel.
Tübinger Professorin fallen Ungereimtheiten auf
Am Anfang stand für Carolin Huhn lediglich ein Verdacht. Bereits seit mehreren Jahren untersucht die Professorin den Glyphosat-Gehalt in heimischen Gewässern. Glyphosat wird vor allem auch in der Landwirtschaft eingesetzt, um die Felder unkrautfrei zu machen. In der Kritik steht der Einsatz in der Landwirtschaft schon lange, es gilt als möglicherweise krebserregend und kann Mikroorganismen in Gewässern verändern. Doch Carolin Huhn fielen in ihrer Forschung dazu immer wieder Ungereimtheiten auf.
Ihre Beobachtung: Landwirte bearbeiten ihre Felder meist im Frühjahr und im Herbst mit Glyphosat. In diesen Zeiträumen hätte sich der Glyphosat-Gehalt im Wasser also deutlich erhöhen müssen. Das sei aber nicht der Fall gewesen. "Wir stellten besonders hohe Werte im Sommer fest, was mit der Arbeit der Landwirte überhaupt nicht übereinstimmt", so Huhn.
Weiteres Indiz: Glyphosat, das auf die Felder gesprüht wird, gelangt über Regen in die Böden und ins Wasser. Folglich hätte nach starkem Niederschlag der Glyphosat-Gehalt im Wasser ansteigen müssen. Doch auch das sei nicht der Fall gewesen, so Huhn.
Janina Schreiber aus der SWR Umweltredaktion ordnete die Thematik im Gespräch ein: Die Arbeit der Forscherin der Uni Tübingen mache deutlich, dass man beim Thema Glyphosat ganz genau hinschauen müsse. Doch an der Studie gebe es Zweifel. Weitere Aussagen gibt es im Video:
Spurensuche auf der ganzen Welt
Huhn fing an, auch andere europäische Länder in ihre Forschung mit einzubeziehen. In Luxemburg ist das Unkrautvernichtungsmittel seit Herbst 2021 verboten. Doch Huhns Auswertungen zeigen keinen dazu passenden Rückgang von Glyphosat im Oberflächenwasser.
Über mehrere Jahre hinweg sammelte die Tübinger Forscherin Millionen Daten aus fast 100 Messstellen in Westeuropa und Amerika. Auf die Spur brachte sie der Tipp eines Hydrologen im Team. Dieser sah in der gleichbleibend hohen Glyphosat-Belastung der Gewässer Ähnlichkeiten zu Auswertungen im Abwasser-Bereich. Hier kommt das Waschmittel ins Spiel.
Entsteht Glyphosat aus Waschmitteln?
In unseren Waschmitteln befinden sich Wasserenthärter, sogenannte Phosphonate. Meist handelt es sich dabei um DTPMP - das steht für Diethylentriaminpenta(methylenphosphonsäure). Diese Wasserenthärter kommen durch die Waschmaschinen ins Abwasser - und zwar in großen Mengen. Komme DTPMP dann in der Kanalisation oder in der Kläranlage mit bestimmten Bakterien in Kontakt, entstehe als Abbauprodukt Glyphosat, so Huhn.
Finanziert hat Huhn diese Studie nach eigenen Angaben vollständig aus Universitätsmitteln des Landes Baden-Württemberg. Es wurden keine Drittmittel verwendet und es gab kein Geld der Chemieindustrie oder von Bauernverbänden, so Huhn.
Professorin wünscht sich Unternehmen in der Verantwortung
Ihre Forschungsergebnisse hat Carolin Huhn jetzt auf einem sogenannten Preprint-Server veröffentlicht. Derzeit läuft eine Begutachtung durch externe Experten. Die Professorin vermutet, dass sich der Einsatz von Phosphonaten in den kommenden Jahren ändern wird - und auch muss. Da seien jetzt die Unternehmen in der Verantwortung, sagt Huhn.
Landwirt Jörg Kautt ist Vorsitzender des Kreisbauernverbands Tübingen und hat mit seinen Kollegen schon über die Glyphosat-Vermutung gesprochen. Er selbst hat schon lange daran geglaubt, dass Bauern nicht die einzigen Verursacher für Glyphosatgehalte im Wasser sind.
Erste Zweifel an den Forschungsergebnissen aus Tübingen
An der Forschung Huhns gibt es jedoch Kritik. Die Cottbusser Professorin Marion Martienssen, die an der Brandenburgischen Technischen Universität zur Wasseraufbereitung forscht, zweifelt im Deutschlandfunk daran, dass die von Huhn nachgewiesene Reaktion so stattfinden könnte.
Auch der Industrieverband Körperpflege und Waschmittel (IKW) gibt an: Eine Mitgliedsfirma habe den spezifischen Umbau des DTPMP nachprüfen lassen. Das Fazit: Die Bildung von Glyphosat könne in keiner Probe nachgewiesen werden.
Die Tübinger Professorin Carolin Huhn erklärt daraufhin: Es brauche auf jeden Fall weitere Forschung, auch zu den konkreten Mengen des Glyphosats, das seinen Ursprung womöglich in unseren Waschmitteln hat. Denn es gebe auch gut gerüstete Kläranlagen, denen es gelingt, das Glyphosat aus Waschmitteln wieder herauszufiltern. Doch auf die konkrete Kritik der Kollegin angesprochen ist sich Huhn ihrer Forschung sicher: Die Bildung von Glyphosat sehe man tatsächlich.
Inhaltsstoffe der Waschmittel beachten
Wer wissen möchte, ob in seinem Waschmittel Phosphonate enthalten sind, sollte einen Blick auf die Inhaltsstoffe werfen. Ist dort DTPMP aufgeführt, dann gehört das Waschmittel zu denen, die nach Huhns Forschungsergebnissen Glyphosat verursachen könnten. Die meisten europäischen Waschmittel beinhalten laut der Tübinger Forscherin DTPMP - in Amerika wird es hingegen nicht verwendet. Einige Ausnahmen lassen sich jedoch auch unter deutschen Produkten finden. Die Liste der Inhaltsstoffe schafft Klärung.
Die Verbraucherzentrale NRW weist darauf hin, dass dies nicht immer einfach sei. Denn DTPMP sei nicht immer klar kenntlich. Hilfreich für die Verbraucher sei deswegen der runde Blaue Engel, so die Verbraucherzentrale NRW. Das Siegel für umweltfreundliche Waschmittel schließe DTPMP aus.