Schüler sieht sich in der Verantwortung

Über 3.500 Menschen bei Demo gegen Rechtsextremismus in Rottenburg

Stand
Autor/in
Anne Jethon
Tobias Faißt

Zum Gedenktag von Eugen Bolz gingen am Dienstag tausende Menschen in Rottenburg auf die Straße. Darunter viele Schüler. Demokratie sei nicht selbstverständlich, sagt einer von ihnen.

Am Dienstagmittag hat am Rottenburger Eugen-Bolz-Platz (Kreis Tübingen) eine Kundgebung gegen Rechtsextremismus stattgefunden. Laut Stadt seien rund 3.500 bis 4.000 Menschen vor Ort gewesen. Darunter viele Schülerinnen und Schüler, aber auch Rentner und Menschen, die in ihrer Mittagspause zum Eugen-Bolz-Platz gekommen sind.

Mit der Kundgebung will die Stadt Rottenburg des früheren württembergischen Staatspräsidenten und Ehrenbürgers Eugen Bolz gedenken. Er wurde als Widerstandskämpfer am 23. Januar 1945 von den Nazis hingerichtet. Die Stadt und die Eugen-Bolz-Stiftung veranstalten deshalb jährlich einen Gedenktag für Bolz.

Schüler bei Demo: Demokratie nicht selbstverständlich

Der Rottenburger Schüler Jan Schick und sein Schulkamerad Marc Schulz haben auch an der Demo teilgenommen. Die beiden machen dieses Jahr ihr Abitur am Eugen-Bolz-Gymnasium. Jan Schick habe das Gefühl, dass manche Menschen die Demokratie als selbstverständlich sehen. "Demokratie und Frieden sind nichts Selbstverständliches. Das sind Dinge, die man erst vermisst, wenn man sie nicht mehr hat", sagt er. Es gebe genug Menschen, die gegen die Demokratie wirken würden. Aber:

Es gibt umso mehr Menschen, die für die Demokratie, für Zusammenhalt und friedliches Zusammenleben stehen.

Es brauche Kraft, Mut und Zeit, sich für die Demokratie einzusetzen. "Aber es lohnt sich", sagt Jan Schick.

Am Eugen-Bolz-Platz nehmen tausende Menschen an einer Kundgebung gegen Rechtsextremismus teil. Darunter sind auch viele Schüler.
Der Eugen-Bolz-Platz war während der Kundgebung voll. Rund 3.500 bis 4.000 Menschen sind laut Stadt dabei gewesen.

70 verschiedene Organisationen an Kundgebung beteiligt

Zu der Demo in Rottenburg sind wie in anderen Städten in Baden-Württemberg viele Menschen gekommen. Neben der Stadtverwaltung, der Eugen-Bolz-Stiftung und der Diözese Rottenburg-Stuttgart haben über 70 weitere Vereine, Institutionen und Parteien die Kundgebung unterstützt. Im Vergleich zu den vergangenen Gedenktagen sollte die Veranstaltung größer und öffentlicher sein, so die Stadt in einer Pressemitteilung. Oberbürgermeister Stephan Neher legte einen Kranz für Bolz an der Statue am Eugen-Bolz-Platz nieder.

"Das Leben und der Tod von Eugen Bolz haben gezeigt, dass die Verteidigung der Demokratie zu spät sein kann, wenn wir nicht frühzeitig aktiv werden."

Am Abend soll es noch eine Veranstaltung des Eugen-Bolz-Gymnasiums geben. In der Zehntscheuer wird der Historiker Ewald Frie ab 19 Uhr zum Thema "Zur Not Geschichte. Über das Erinnern in Krisenzeiten" sprechen.

Kundgebung ist eine Schulveranstaltung

Viele Schülerinnen und Schüler aus dem Eugen-Bolz-Gymnasium waren dabei. "Es ist eine Schulveranstaltung", sagte Schulleiter Andreas Greis auf SWR-Nachfrage im Vorhinein der Demo. Demokratieerziehung stehe als Leitmotiv im Bildungsplan.

Die Jugendlichen seien zwar nicht verpflichtet, teilzunehmen. Greis bezeichnete die Veranstaltung als Exkursion, die "gut ins Konzept passt". Für Jan Schick hat das bedeutet: "Rottenburg gegen Rechtsextremismus" statt Mathematik. Rund 900 Schülerinnen und Schüler gehen auf das Eugen-Bolz-Gymnasium.

AfD-Umfragewerte: Schüler macht sich Sorgen

Sein Plakat für die Kundgebung hat Jan schon am Montag vorbereitet. Mit seiner Mutter Beata Stapf, die als Musiklehrerin viele Jugendliche mit Migrationsgeschichte unterrichtet, spricht Jan in diesen Tagen mehr als üblich über Politik. "Politik betrifft uns alle im Alltag", sagt er.

Die Umfragewerte für die AfD sehen beide mit Sorge. "Ich glaube aber nicht, dass 20 Prozent der Menschen in Deutschland wirklich rechtsextrem sind", sagt Jan. Seine Mutter sieht es ähnlich. Sie glaubt, dass sich viele einfach zu wenig Gedanken über die Auswirkungen ihrer Stimme bei einer Wahl machten. Die gebürtige Polin hat nach 30 Jahren in Deutschland den deutschen Pass beantragt - als die nationalistische PiS-Partei in ihrem Heimatland an die Regierung kam. Sie freut sich, dass ihr Sohn und tausende weitere Jugendliche aktuell gegen Rechtsextremismus auf die Straße gehen.

Jan Schick nimmt an der Kundgebung „Rottenburg gegen Rechtsextremismus“ am Dienstag teil. Gemeinsam mit seiner Mutter Beata Stapf entwirft der angehende Abiturient ein Plakat.
Jan Schick nahm an der Kundgebung "Rottenburg gegen Rechtsextremismus" am Dienstagmittag teil. Gemeinsam mit seiner Mutter Beata Stapf hatte der angehende Abiturient ein Plakat entworfen.

Mehr zum Engagement gegen Rechtsextremismus

Mannheim

Interview mit Mannheimer Politikwissenschaftler Demos gegen Rechtsextremismus: Warum das gerade so viele Menschen mobilisiert

Hunderttausende sind am Wochenende gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Ein Mannheimer Politik-Experte war zunächst von der schieren Teilnehmer-Zahl überrascht.

SWR4 am Nachmittag SWR4

Tübingen

Wegen Treffen von Rechtsextremen mit AfD-Politikern 1.500 Menschen bei Kundgebung gegen rechts in Tübingen

50 Personen waren zu einer Kundgebung gegen Rechts in Tübingen angemeldet. Doch es kamen viel mehr, um die Demokratie zu verteidigen. Es gab auch Kritik an den Veranstaltern.

SWR4 BW am Morgen SWR4 Baden-Württemberg

Empfingen

Appell für Vielfalt und Toleranz Parteiübergreifender Aufruf: Junge Bürgermeister positionieren sich gegen rechts

Es ist ein klarer Appell! Junge Bürgermeisterinnen und Bürgermeister wollen Kante zeigen gegen rechte Gruppen. Auch Ferdinand Truffner aus Empfingen (Kreis Freudenstadt) ist dabei.

SWR4 am Nachmittag SWR4

Mehr zu Eugen Bolz

Zeitwort 19.6.1933: Eugen Bolz wird verhaftet

Württembergs Ministerpräsident verabschiedete sich von seiner Frau mit den Worten: „Du wirst sehen, ich komme nicht zurück. Ich werde es zu ertragen wissen. Sei auch Du ruhig.“

SWR2 Zeitwort SWR2

Stand
Autor/in
Anne Jethon
Tobias Faißt

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.