Peng! Wenn Windräder wie auf dem Schauinsland gesprengt werden, fällt viel Stahl und Beton an. Fast alles lässt sich problemlos recyceln, doch eine Schwachstelle bleibt: die Rotorblätter.
Ein halbes Fundament und ein Haufen aus zerstückelten Teilen. Das ist alles, was vom gesprengten Windrad auf der Holzschlägermatte auf dem Schauinsland (Kreis Breisgau-Hochschwarzwald) noch übrig ist. Vor gut zwei Wochen wurde es gesprengt. 125 Tonnen Stahl und 2.250 Tonnen Beton, die jetzt wieder voneinander getrennt werden müssen, um sie recyceln zu können. Daneben liegen fast noch unversehrt die drei Rotorblätter auf dem Boden. Denn sie zu entsorgen, stellt die Branche vor eine Herausforderung.
Stahl und Beton: 90 Prozent eines Windrads recyclebar
Etwa fünf Wochen lang wird eine Spezialfirma damit beschäftigt sein, das Windrad inklusive des gesamten Fundaments zurückzubauen. Trotzdem lohne sich der Aufwand, erklärt Lukas Schuwald, Geschäftsführer Ökostromgruppe Freiburg. Der Energieanbieter ist Bauherr.
Die Windenergieanlagen würden in ihrer gesamten Lebenszeit etwa 20- bis 25-mal mehr Energie produzieren als in ihre Herstellung eingeflossen ist. "Selbst wenn sie nach 20 Jahren zurückgebaut wurden, haben wir 19 Jahre positive Energie daraus gewonnen", sagt Schuwald. Und ein Rückbau ist laut Schuwald notwendig, denn "der Verschleiß ist riesig".
Fast alles von einer Windenergieanlage ist leicht recyclebar. Der Beton wird zum Beispiel im Straßenbau oder beim Bau neuer Windräder wiederverwendet. Das erste gesprengte Windrad auf dem Schauinsland liegt beispielsweise zum Teil oben auf der Holzschlägermatte beim neuen Windrad: als Schotter, um die Wege auszubessern. Der Stahl wird wieder eingeschmolzen. An der Gondel habe eine Gemeinde im Raum Freiburg Interesse bekundet - als Bushäuschen, sagt Lukas Schuwald.
Die restlichen 10 Prozent: Rotorblätter aus Glasfaserkunststoff
Was schwer recyclebar ist, sind die über 30 Meter langen Rotorblätter. Sie bestehen aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Das Material ist sehr robust und trotzt hohen Belastungen, auch Wind und Wetter, was in fast 100 Metern Höhe wichtig ist. Hersteller verstärken in der Regel Kunststoff, der viel aushalten muss, mit Glasfaser, wie etwa bei Sportbooten.
Das Material macht die Rotorblätter zu Abfallprodukten. "(Sie) müssen fast immer am Ende thermisch verwertet werden", sagt Lukas Schuwald. Das heißt: Sie werden kleingesägt, geschreddert und in einer Verbrennungsanlage verbrannt.
Das Problem: "Das ist ein so großer Aufwand, der so viel Geld kostet, dass es sich kaum lohnt", erklärt Michael Schneider, Pressesprecher vom Entsorgungskonzern Remondis. Das Unternehmen hat sechs Jahre lang Windräder recycelt. Doch jetzt haben sie damit aufgehört, sagt Schneider.
Denn selbst wenn man es geschafft habe, das Rotorblatt kleinzuschneiden und zu schreddern, müsse man dieses Schreddermaterial auf dem Markt auch abverkaufen. "Und genau dann wird es schwierig", sagt Michael Schneider, "denn die Verbrennungsanlagen sagen unter Umständen: Wir wollen das Material gar nicht." Grund: Durch die Glasfaser kann die Verbrennungsanlage kaputt gehen.
Kreative Idee: Rotorblätter als Dach umfunktionieren
Es gibt immer wieder Ideen, die Rotorblätter wiederzuverwenden, beispielsweise als Überdachung einer Bushaltehaltestelle. Auch bei den Rotorblättern des Windrads auf der Holzschlägermatte soll es schon Ideen und Gespräche gegeben haben. Doch meistens wird nichts daraus - wie auch in diesem aktuellen Fall. "Weil eben diese Ideen nur ganz wenig umgesetzt werden und die Rotorblätter einfach sehr groß sind", sagt Lukas Schuwald.
Bestand an Windrädern in BW nimmt zu
In Baden-Württemberg gibt es immer mehr Windräder. In den vergangenen 23 Jahren hat sich die Zahl fast verachtfacht. Aktuell sind im gesamten Bundesland 776 Windenergieanlagen in Betrieb und 880 befinden sich in der Planung, wie das Ministerium für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft auf Anfrage mitteilt. Die Nutzungsdauer eines Windrads beträgt 20 bis 30 Jahre. Also Einiges, dass es künftig zu recyceln gibt - und viele Rotorblätter.
Das Umweltbundesamt schätzt das Abfallaufkommen aus Rotorblattmaterial in diesem Jahrzehnt auf jährlich bis zu 20.000 Tonnen. Für die Jahre 2030 bis 2040 sei jährlich mit bis zu 50.000 Tonnen zu rechnen. Umgerechnet sind das etwa 2.000 volle Lkw-Ladungen.
Rotorblätter irgendwann doch recyclebar?
"Es gibt schon Lösungsansätze aus der Industrie, die versprechen, die (zukünftigen Windenergieanlagen) hundertprozentig wiederzuverwerten", sagt Marcel Geller. Er forscht zu Recycling-Wirtschaft an der Uni Freiburg. Und in der Tat: Siemens Gamesa hat zum Beispiel im Jahr 2021 die ersten vollständig recycelbaren Rotorblätter hergestellt.
Die Rotorblätter des neuen, leistungsstärkeren und etwa 100 Meter höheren Windrads auf der Holzschlägermatte bestehen aus dem gleichen Material wie die der Vorgängermodelle: aus glasfaserverstärktem Kunststoff. Doch Bauherr Lukas Schuwald von der Ökostromgruppe Freiburg ist sich sicher: Die Anlagen, die sie jetzt bauen, da werde es in 25 Jahren ein Recycling-Verfahren für Rotorblätter geben.
"Wie das (dann) genau aussieht, muss man sehen, aber die technischen Fortschritte sind sehr groß", sagt er. Wie groß die Fortschritte sind, wird sich spätestens in 25 Jahren zeigen, wenn die neue Anlage auf dem Schauinsland ihre Nutzungsdauer erreicht hat und abgebaut wird.
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