Seit Wochen wurde in dem Prozess debattiert, ob das Setzen eines Links in einem journalistischen Bericht eine Straftat sein kann. Jetzt hat das Gericht eine Antwort gegeben.
Im Strafprozess gegen einen Redakteur des Freiburger Senders Radio Dreyeckland hat die Staatsschutzkammer des Landgerichts Karlsruhe ihr Urteil verkündet und den Angeklagten freigesprochen.
Dem 38-jährigen Angeklagten war vorgeworfen worden, mit dem Verlinken einer Internetseite weiteres Handeln einer verbotenen Vereinigung unterstützt zu haben. Der Redakteur des nicht-kommerziellen Senders in Freiburg hatte einen Artikel veröffentlicht, in dem er auf das Archiv einer verbotenen Vereinigung verlinkte. Damit habe er die Vereinigung "linksunten.indymedia" beworben und gefördert, lautet der Vorwurf der Anklage.
Das Landgericht Karlsruhe sah das anders: Den Freispruch des Angeklagten hat das Gericht in seinem Urteil so begründet: Man könne keine Vereinigung bewerben, die nicht mehr existiere. Und man habe während der Verhandlung nicht nachweisen können, dass die Organisation fortbestehe.
Journalisten sollen Verbote kritisieren dürfen, so der Richter
Zudem erfülle das verlinkte Archiv nicht die Punkte, die damals zum Verbot der Plattform geführt hatten. Daher könne man das Archiv nicht direkt mit der verbotenen Seite vergleichen oder gleichsetzen.
Desweiteren betonte der vorsitzende Richter, dass Journalisten Verbote kritisieren dürfen sollen, ohne dass ihnen automatisch die Unterstützung des Verbotenen vorgeworfen werde.
Fabian Kienert, der ehemals angeklagte Redakteur von Radio Dreyeckland, zeigte sich nach dem Urteil erleichtert.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es könne eventuell Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt werden, sagte der Vertreter der Staatsanwaltschaft am Rande. Dies sei noch zu prüfen. Zu weiteren Fragen wollte die Staatsanwaltschaft direkt nach dem Urteil keine Stellung nehmen.
Internetlink soll verbotene Vereinigung unterstützt haben
Das Bundesinnenministerium hatte die Internetplattform "linksunten.indymedia" im Jahr 2017 nach den Krawallen am Rande des G20-Gipfels in Hamburg aufgelöst und verboten. Begründung: Auf der Plattform sei zu linksextremistischen Straftaten aufgerufen worden, unter anderem zu Gewalt gegen Polizeibeamte.
Angeklagter RDL-Redakteur ging von Freispruch aus
Fabian Kienert hatte dem SWR bereits vor dem Urteil gesagt, er sehe nicht, inwiefern er sich strafbar gemacht haben solle. Er könne es bis heute nicht fassen, dass er wegen dieses Artikels vor Gericht stehe. Es habe sich aus seiner Sicht um eine sachlich gehaltene Meldung gehandelt.
Staatsanwaltschaft forderte Geldstrafe
Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Schlussplädoyer am Dienstag vor dem Urteil eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 40 Euro, also insgesamt 3.600 Euro, gefordert. Diese muss der Angeklagte auf Grund seines Freispruchs nun nicht bezahlen. Im Gegenteil, das Gericht verkündete, dass dem Angeklagten eine finanzielle Entschädigung für die Hausdurchsuchung der Ermittler zustünde.
Angeklagter sieht Angriff auf die Pressefreiheit
Dennoch prüft die Staatsanwaltschaft derweil eine mögliche Revision. Da sei das normale Prozedere, so der zuständige Staatsanwalt. Dass die Anklagebehörde nicht locker lasse, so Kienert, habe nicht nur ihn, sondern auch andere Journalisten freier Radios stark verunsichert.
So ein Vorgehen könne auch schnell andere treffen - nicht nur freie Sender wie Radio Dreyeckland. Der Prozess erregt nicht zuletzt auch deshalb bundesweites Interesse.
Hausdurchsuchungen im Sender und in Privatwohnungen
Radio Dreyeckland selbst hat eine lange Tradition als links-alternativer Sender. Ermittler durchsuchten im Januar 2023 die Redaktionsräume und zwei Mitarbeiterwohnungen - auch die des angeklagten Redakteurs. Dieser kritisierte schon vor dem Prozess einen "eklatanten Angriff auf die Presse- und Rundfunkfreiheit durch die Karlsruher Staatsanwaltschaft und den Freiburger Staatsschutz".
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