Fehler bei Prüfung für Viertklässler

Nach Kritik von Grundschulen: Kultusministerium will "Kompass 4"-Test überarbeiten

Stand
Autor/in
Viola Maury
Onlinefassung
Ulrike Liszkowski
Bild von SWR-Redakteurin Ulrike Liszkowski

Nach viel Kritik will das Kultusministerium den Grundschul-Leistungstest überarbeiten, der aktuelle Test soll einer Gymnasialempfehlung nicht im Wege stehen. Aber reicht das?

Der in diesem Jahr neu eingeführte "Kompass 4"-Test sollte eigentlich eine Hilfestellung für die Lehrkräfte in Baden-Württemberg sein. Es geht um die Empfehlung für die weiterführende Schule. Aber es gab massive Kritik. Und insbesondere in Mathe haben sehr viele Kinder auffällig schlecht abgeschnitten. Nun will das Kultusministerium den Test nachjustieren. In diesem Jahr soll er den Viertklässlern auch keine Nachteile bei der Gymnasialempfehlung bringen.

Vom Tisch ist der umstrittene Grundschul-Leistungstest nicht

Der Leistungstest war in den Fächern Deutsch und Mathe in diesem Jahr erstmals verpflichtend an allen Grundschulen im Land durchgeführt worden. An der Grundschule Simonswald (Kreis Emmendingen) musste auch Viertklässlerin Caralina die "Kompass 4" Prüfung ablegen. Sie möchte gerne aufs Gymnasium gehen und hat auch die passenden Noten.

Ihre Prüfungsergebnisse hat sie noch nicht. Insgesamt sind die diesjährigen Testergebnisse aber verheerend, bestätigt das Kultusministerium. Insofern ist Caralinas Mutter, Therese Lochmann, erleichtert, dass der Test nicht zählt. Sie hätte sich aber gewünscht, dass er ganz gestrichen wird - auch in Zukunft für Caralinas jüngere Geschwister. Der Notendurchschnitt und die Einschätzung der Lehrkräfte sollten doch für die Schulempfehlung reichen, meint sie, ohne den Druck dieser Prüfung.

Kritik von Lehrkräften: Zu viel Druck, zu schwere Aufgaben

Auch Johannes Bodemer, Rektor der Grundschule Simonswald, hat beobachtet, dass mit dem "Kompass 4"-Test eine Drucksituation entstanden sei, so ähnlich wie bei einer Abschlussprüfung. Die Kinder seien nicht auf die Aufgabenstellung, die vielen Themenfelder vorbereitet gewesen, meint er. Im Grundschulalltag würde in Mathe in der Regel sonst nur ein Thema abgefragt.

Bei "Kompass 4" kommt gleich eine Fülle von Themen auf die Kinder zu. Ungeübt. Für die Kinder eigentlich fast eine unlösbare Aufgabe.

Dass die Kritik der Schulen im Kulturministerium angekommen ist und nun nachgebessert werden soll, sieht er als ersten Schritt positiv.

Johannes Bodemer ist Rektor an der Grundschule in Simonswald.
Johannes Bodemer ist Schulleiter an der Grundschule in Simonswald. Er hofft, dass die Kritik an "Kompass 4" berücksichtigt wird.

Matheaufgaben von "Kompass 4"-Test kommen auf den Prüfstand

Eine erste Auswertung der Testergebnisse in Mathematik ergab laut Kultusministerium, dass nur sechs Prozent der Viertklässler das Niveau für eine Gymnasialempfehlung erreicht hätten und nur rund acht Prozent das mittlere Niveau. 86 Prozent der Viertklässler erreichten demnach in Mathe nur eine Empfehlung für das grundlegende Niveau. In Deutsch fiel der Test demnach besser aus. 

Bislang sind laut Ministerium erst zehn Prozent der Tests ausgewertet. Man gehe aber nicht davon aus, dass es noch signifikante Änderungen der Ergebnisse gebe.

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Massive Kritik an Testaufgaben Verheerende Mathe-Ergebnisse: Kultusministerium will bei Grundschultest nachbessern

In Baden-Württemberg gibt es heftige Kritik an den neuen Leistungstests für Viertklässler. Vor allem in Mathe schneiden viele Schüler sehr schlecht ab.

Wie den Kindern die Ergebnisse des Leistungstests vermitteln?

Die Kinder warten noch auf die Ergebnisse ihrer Prüfungen. Das werde nicht unbedingt motivationsfördernd sein, ihnen die mitzuteilen, fürchtet Rektor Johannes Bodemer. Die Schulen seien ratlos und überfordert. Auch Therese Lochmann muss ihrer Tochter dann wohl erklären, dass da etwas schiefgelaufen ist.

Wenn ich ihr das [vermutlich schlechte] Ergebnis hinlege, weiß ich, die ist unheimlich enttäuscht.

Umfrage der GEW: Schulen üben massiv Kritik an dem Test

Vor allem die Lehrkräfte hatten den "Kompass 4"-Test deutlich kritisiert, wie eine Umfrage der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ergab. Über 80 Prozent von insgesamt 1.131 befragten Lehrerinnen und Lehrer hielten "Kompass 4" für keine hilfreiche Unterstützung, so die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein. Dabei hätten sich immerhin 40 Prozent der Lehrkräfte für eine verbindliche Schulempfehlung ausgesprochen.


Die Unzufriedenheit ist groß und auch das Unverständnis, wie mit Kindern so umgegangen werden kann, dass die mit so einer Hürde in der vierten Klasse konfrontiert werden, dass so schwierige Fragen gestellt werden, dass so viel Frust ausgelöst und so viel Druck auf die Kinder ausgeübt wird.

Es habe zu wenig Zeit zum Bearbeiten gegeben, hieß es laut GEW von Seiten der Lehrkräfte. Zudem seien die Textaufgaben für Kinder mit Sprachdefiziten kaum zu bewältigen gewesen. Die Landesvorsitzende hatte das Kultusministerium Baden-Württemberg daher aufgefordert, "Kompass 4" erstmal zu stoppen und die Ergebnisse aus diesem Jahr nicht zu zählen.

Grundsätzlich hält Kultusministerium an "Kompass4" fest

Das Kultusministerium will den Leistungstest für Grundschüler beibehalten, aber nun nachbessern. Etwas stimme nicht, wenn die Pädagogische Gesamtwürdigung der Lehrkräfte und der "Kompass 4"-Test so stark auseinanderfielen. Laut Kultusministerin Schopper bleibt es aber wichtig, durch landesweit einheitliche Aufgabenstellungen eine objektive Rückmeldung zu geben und so die Entscheidung für die Schulwahl zu unterstützen.

Wir brauchen einen Test, der die tatsächlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler erfasst. Davon ist bei so schlechten Werten nicht auszugehen. Deshalb müssen wir da nochmal ran.

"Realschulen müssen attraktiver werden"

Dass der "Kompass 4"-Test überhaupt eingeführt wurde, hat auch mit der Sorge zu tun, dass mit Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums (G9) zu viele Schülerinnen und Schüler auf die Gymnasien im Land drängen könnten, sagt Mutter Therese Lochmann. Sie findet aber, da sollte man dann lieber "Räume anbauen, als weniger Kinder reinzulassen".

Andererseits sollte ihrer Meinung nach auch am Ruf der Realschulen gearbeitet werden, sie müssten attraktiver werden. "Dann gehen auch wieder mehr Kinder auf die Realschule", sagt sie. Aber es sei auch nicht falsch, aufs Gymnasium zu wollen. Natürlich müsse der Notendurchschnitt stimmen, die Kinder müssen das wollen und die Lehrkräfte ihnen das zutrauen.

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