Seit einigen Wochen gibt es rund um Stuttgart immer wieder Vorfälle, bei denen auf Menschen geschossen wird. Was wirklich dahinter steckt, ist unklar. Doch es gibt Anhaltspunkte.
Asperg im Landkreis Ludwigsburg: Mitten im Ort neben Grundschule und Jugendhaus liegt ein geschotterter Parkplatz. Am Karsamstag wird er zum Tatort. Rund 20 Schüsse werden aus einem Auto heraus auf eine Gruppe junger Leute abgegeben. Ein 18-Jähriger stirbt, ein weiterer 18-Jähriger überlebt schwer verletzt. Der Bürgermeister des Ortes, Christian Eiberger (parteilos), ist auch bei der freiwilligen Feuerwehr aktiv, die noch in der Nacht von der Polizei zum Ausleuchten des Tatortes angefordert wird. So ist er früh am Tatort und kann dennoch bis heute kaum fassen, was in seinem Ort geschehen ist. "Man sucht nach Antworten, wenn so etwas Schreckliches passiert", sagt Eiberger. "Einer meiner ersten Gedanken war: Man hat von vielen Schüssen in der Region Stuttgart gehört - ob das dann auch damit zusammenhängt?"
Suche nach Zusammenhängen
Die Frage nach einem Zusammenhang stellt sich nicht nur Bürgermeister Eiberger. Zwar verhaftet die Polizei in den Tagen nach der Tat vier junge Männer und erwirkt Haftbefehle unter anderem wegen Totschlags gegen sie. Doch unklar bleibt ein möglicher Zusammenhang mit den anderen Taten: Seit Monaten fallen in der Region Stuttgart immer wieder Schüsse. In Stuttgart-Zuffenhausen gleich vier Mal. Aber auch in Esslingen, Ostfildern, Eislingen/Fils, Donzdorf, Reichenbach an der Fils, Plochingen, Hattenhofen und Geislingen gab es Vorfälle. Das Landeskriminalamt (LKA) zieht im März die Ermittlungen an sich, bildet eine gemeinsame Ermittlungsgruppe mit den Polizeipräsidien Reutlingen, Ulm und Stuttgart.
Im SWR-Magazin "Zur Sache Baden-Württemberg" erklärt LKA-Sprecher David Fritsch: "Ziel dieser Kooperation - und nunmehr Ermittlungsgruppe - ist es, die täterorientierten Erkenntnisse zusammen zu führen, Strukturermittlungen durchzuführen und auch die objektive und subjektive Spurenlage zu analysieren, zu bewerten und hieraus natürlich neue Maßnahmen einzuleiten." Ausgangspunkt dieser Zusammenarbeit sei die Tatsache, dass die Fälle ähnlich gelagert sind. Also läge es nahe, dass es einen Tatzusammenhang gibt, so Fritsch.
Schusswaffengebrauch zuletzt rückläufig
Der renommierte Kriminalist und Fallanalytiker Axel Petermann weist bei den Fällen trotz dünner Faktenlage auf zwei Umstände hin: "Der Täter oder die Täter entscheiden sich, aus der Distanz zu schießen und das bedeutet für mich schon, dass sie doch nicht erkannt werden wollen, andererseits auch eine Affinität für Waffen haben dürften", sagte er dem SWR.
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Die auffällige Verwendung von Schusswaffen läuft aber dem statistisch erfassbaren Trend entgegen. Denn in den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der Straftaten mit Schusswaffengebrauch in Baden-Württemberg laut Statistik des LKA zurückgegangen: Von 389 Fällen im Jahr 2018 auf 296 im Jahr 2022. Für das vergangene Jahr meldete das Polizeipräsidium Stuttgart 18 Straftaten, bei denen geschossen wurde und lag damit unter dem Landesdurchschnitt. Ulm war mit 41 solcher Taten deutlich stärker belastet.
Suche nach illegalen Waffen verstärken
Erfahrungsgemäß werden viele Taten mit illegalen Waffen begangen, die nicht registriert sind und auf dem Schwarzmarkt gehandelt werden. Sie kommen nach Erkenntnissen des Bundeskriminalamtes (BKA) vorwiegend aus dem Ausland nach Deutschland. Typische Herkunftsländer seien demnach bislang die ehemaligen Bürgerkriegsregionen des zerfallenen Jugoslawiens. Auch umgebaute Schreckschusswaffen aus türkischer Produktion spielten laut BKA eine Rolle.
Der Ulmer Bundestagsabgeordnete Marcel Emmerich (Grüne) fordert deshalb im SWR-Gespräch mehr gezielte Kontrollen entlang der Bundesgrenzen: "Wir haben momentan einen sehr starken Fokus beim Thema Kontrollen auf die ganze Thematik rundum Migrantinnen und Migranten, um Geflüchtete." Er glaube, es sei viel wichtiger, sich auf Waffen zu fokussieren. "Davon geht wirklich eine Gefahr für die Sicherheit aus", so Emmerich.
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Emmerich und weitere Teile der Bundesregierung wollen aber auch das Waffenrecht verschärfen. So soll der Erwerb sogenannter SRS-Waffen, also Signal-, Reizstoff- und Schreckschusswaffen, nur noch mit dem "Kleinen Waffenschein" möglich sein. "In den letzten Jahren haben immer mehr Menschen sich so Schreckschusswaffen besorgt", sagt Emmerich. "Das ist eine sehr beunruhigende Entwicklung, vielleicht sogar schon fast eine Form der Selbstbewaffnung." Diese Entwicklung wolle die Koalition eindämmen, denn von solchen Waffen gehe auch eine "gehörige Gefahr" aus.
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Mitte März hatte es in Karlsruhe eine stundenlange Geiselnahme in einer Apotheke gegeben. Der Täter bedrohte Angestellte und Kunden mit einer Schreckschusspistole.
Für die Schuss-Serie rund um Stuttgart spielt diese Waffengattung wohl eher keine Rolle. Die Polizei fand immer wieder Einschusslöcher und Munitionsteile, die zum Teil noch immer ausgewertet werden, wie LKA-Sprecher Fritsch berichtet. Ansonsten bittet er um Zeit und Geduld. "Sie brauchen für eine ballistische Untersuchung entsprechend Zeit", sagt Fritsch. Das LKA müsse zudem die bereits vorhandenen Erkenntnisse bei den Präsidien Stuttgart, Reutlingen und Ulm erst mal zusammenführen.
Immerhin habe die Polizei mittlerweile sieben Tatverdächtige verhaftet, die alle mit Haftbefehl in Untersuchungshaft sitzen - vier davon wegen des Falls in Asperg. Um das Sicherheitsgefühl seiner Bürgerinnen und Bürger wieder zu stärken, will Aspergs Bürgermeister Eiberger für eine bessere Straßenbeleuchtung sorgen und eine kommunale Kriminalitätspräventionsgruppe aufbauen, die die Bevölkerung mit einbinde.
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