Die juristische Aufarbeitung des Stuttgarter Klinikskandals geht in die nächste Runde. Erstmals muss sich ein hoher früherer Landespolitiker der Grünen vor Gericht verantworten.
Im Zusammenhang mit dem Stuttgarter Klinikskandal steht seit Dienstag der frühere Landeschef der Grünen, Andreas Braun, vor Gericht. Ihm werden Korruption, Betrug und Untreue im Auslandsgeschäft am Klinikum Stuttgart vorgeworfen. Ebenfalls angeklagt sind vier seiner ehemaligen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Mittelpunkt steht die Frage, ob die fünf Angeklagten illegale Geschäfte mit der Behandlung arabischer Patienten zugunsten des Klinikums gemacht haben und ob sie sich selbst bereichert haben. Vor seiner Tätigkeit als Leiter des Auslandsgeschäfts am Stuttgarter Klinikum war Andreas Braun Landesvorsitzender der Grünen.
Braun räumt Straftat ein
Andreas Braun saß 2018 bereits fünf Monate in Untersuchungshaft. Ihm wurde Betrug und Untreue vorgeworfen. Aus der grünen Partei war er ausgetreten, nachdem er sich von ehemaligen grünen Mitstreitern während seiner Zeit in Untersuchungshaft im Stich gelassen gefühlt hatte. Er soll seither bei den Ermittlungen zum Klinikskandal mitgewirkt haben. Braun hatte im Vorfeld des Prozesses gegenüber dem SWR angekündigt, Verantwortung für das zu übernehmen, was er zu verantworten gehabt habe, aber nicht darüber hinaus als Sündenbock herhalten zu wollen. Vor Gericht gestand er, als ehemaliger Leiter der Internationalen Abteilung (IU) Rechnungen für Leistungen gestellt zu haben, die nicht erbracht wurden.
Er habe in wenigen Fällen "Arbeit und private Geschäftsinterssen vermischt". Das tue ihm leid, was er getan habe, sei falsch gewesen. Zuvor war Braun im Prozess gegen Patientenvermittler als Zeuge aufgetreten. Auch dabei hatte er sich durch einen Teil seiner Aussagen selbst belastet. Braun betonte aber weiter, dass seine Vorgesetzten über die umstrittenen Geschäfte informiert gewesen seien.
Kritik an Klinik-Verantwortlichen und Staatsanwaltschaft
Auf der anderen Seite holt Andreas Braun am ersten Prozesstag zu einem Rundumschlag aus: In einer Erklärung kritisiert er Staatsanwaltschaft und Verantwortliche im Klinikum sowie bei der Stadt Stuttgart. Es sei ein "persönlicher Vernichtungsfeldzug" an seiner Person festgemacht worden, der sein Leben nachhaltig zerstört habe. Das Rechnungsprüfungsamt, Steuerfahnder, Mitarbeiter des Landeskriminalamtes und die Staatsanwaltschaft hätten nicht neutral ermittelt, so Braun. Warum beispielsweise der ehemalige Grüne Krankenhausbürgermeister Klaus-Peter Murawski auf der Liste der Angeklagten fehle, sei für Braun unverständlich. Dieser habe ihn eingestellt in dem Wissen, dass Braun zu dem Zeitpunkt "keine Ahnung vom deutschen Krankenhaussystem" oder "internationalem Medizin- und Patiententourismus nach Deutschland" hatte.
In den ersten Jahren hätten demnach Kostenvoranschläge und Abrechnungen für die internationalen Patienten in den Händen der Finanzabteilung und des Patientenmanagements gelegen. Auch drei ehemaligen Finanzchefs müsste nach Brauns Ansicht der Prozess gemacht werden.
Welche Rolle spielt der frühere grüne Landesvorsitzende Andreas Braun im Klinikskandal?
Andreas Braun war von 2005 bis 2015 Abteilungsleiter im städtischen Klinikum Stuttgart. Ab 2008 hatte er die IU aufgebaut, die sich auf Patienten aus dem arabischen Raum spezialisiert hatte. Die politische Aufsicht über das Stuttgarter Klinikum hatte vor allem der Krankenhausausschuss des Stuttgarter Gemeinderates und der jeweilige Krankenhausbürgermeister. Im Prozess gegen Braun könnten deshalb ehemalige Stuttgarter Krankenhausbürgermeister als Zeugen aufgerufen werden. Neben Klaus-Peter Murawski, der später bis 2018 Staatsminister im baden-württembergischen Staatsministerium gewesen war, zählt dazu auch Bürgermeister Werner Wölfle (ebenfalls Grüne), der 2019 aus dem Amt schied.
Separate Verhandlung gegen Ex-Bürgermeister Wölfle und ehemalige Krankenhaus-Chefs
Auch der ehemalige Stuttgarter Bürgermeister Werner Wölfe wird sich wegen Vorwürfen rund um den Klinikskandal vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten müssen. Gegen ihn wie auch gegen frühere Klinikchefs wurde ermittelt. Wann die entsprechenden Prozesse starten, ist noch offen. Laut Gericht wurde die Anklage gegen die Verantwortlichen aber zugelassen. Das jetzige Verfahren gegen Braun könnte damit auch Auswirkungen auf die weitere juristische Aufarbeitung des Klinikskandals haben.