Krumme Geschäfte mit Auslandspatienten sollen die Stadt Stuttgart Millionen gekostet haben. Am Donnerstag begann der erste Prozess. Die Verlesung der Anklageschrift dauerte Stunden.
Der Skandal um dubiose Geschäfte bei der Behandlung ausländischer Patienten am Klinikum Stuttgart hat jahrelang für Schlagzeilen gesorgt, nun beschäftigt er auch die Richter. Im ersten Prozess müssen sich seit Donnerstag drei Dienstleister vor dem Stuttgarter Landgericht verantworten. Es geht dabei um millionenschwere Geschäfte mit gefälschten Abrechnungen für die längst aufgelöste Auslandsabteilung des Klinikums Stuttgart. In der sogenannten International Unit (IU) waren solvente Privatpatienten vor allem aus dem arabischsprachigen Raum versorgt worden.
Staatsanwaltschaft spricht von ausgeklügeltem System
Die drei Angeklagten sollen mit dem Wissen von teils führenden Mitarbeitern des Krankenhauses und als Teil eines ausgeklügelten Systems überhöhte Patientenabrechnungen für die Behandlungen von Hunderten vor allem libyschen Kriegsverletzten ausgestellt haben. Außerdem sollen die Angeklagten nicht erbrachte Leistungen abgerechnet haben, um die Provisionen zu kassieren, warf ihnen die Staatsanwaltschaft zum Auftakt des Prozesses in einer langen Anklageschrift vor.
Die drei Männer im Alter zwischen 48 und 53 Jahren müssen sich unter anderem wegen des Verdachts des Betrugs, der Anstiftung oder Beihilfe zur Untreue und der Bestechung verantworten. Als Vermittler von Gesundheitsdienstleistungen waren der Deutsch-Israeli und die beiden Deutschen von 2012 bis 2015 auch für die Betreuung ausländischer Patienten vor allem aus dem arabischen Raum und für die Zusammenarbeit mit dem Klinikum zuständig.
Schaden in zweistelliger Millionenhöhe
Unter anderem geht es um Vorwürfe im Zusammenhang mit der Behandlung von 370 libyschen Kriegsversehrten. Laut Staatsanwaltschaft liegt der Schaden für das Klinikum und somit für die Stadt Stuttgart als Träger insgesamt in etwa zweistelliger Millionenhöhe. Die Staatsanwaltschaft ermittelt mittlerweile gegen insgesamt rund 20 weitere Verdächtige aus ganz Deutschland.
Weitere Ermittlungen zu den Hintergründen des Klinikskandals
Dabei wird auch gegen ehemalige Mitarbeiter des Stuttgarter Klinikums und gegen politisch Verantwortliche ermittelt. Wann und ob hier Prozesse folgen, ist noch offen. Der langjährige Leiter des Auslandsgeschäfts am Stuttgarter Klinikum war aufgrund der Ermittlungen zeitweise in Untersuchungshaft. Vor seiner Tätigkeit im Klinikum war er Landesvorsitzender der Grünen in Baden-Württemberg gewesen. Kritiker hatten hinter dem Stuttgarter Klinikskandal das Wirken grüner Seilschaften vermutet. Für das Klinikum Stuttgart waren mehrere Politiker der Grünen als Krankenhausbürgermeister verantwortlich. Der am Donnerstag begonnene erste Prozess vor dem Landgericht Stuttgart soll nun Klarheit bringen, ob und wie weit es Korruption und Betrug von Seiten der Patientenvermittler im Geschäft mit arabischen Patienten gegeben hat. Erkenntnisse aus diesem Prozess könnten auch Einfluss auf weitere Prozesse haben.
Auch politische Aufarbeitung noch nicht abgeschlossen
Außerdem könnten neue Erkenntnisse auch dazu führen, dass die politische Aufarbeitung des Klinikskandals im Stuttgarter Rathaus wieder an Fahrt aufnimmt. Der Gemeinderat hatte zum Klinikskandal einen Akteneinsichts-Ausschuss ins Leben gerufen. Dessen Arbeit ruht derzeit. Die Befugnisse dieses Gremiums reichen jedoch weniger weit als die der Staatsanwaltschaft und des Landgerichts. Sollten vor Gericht neue Details festgestellt werden, könnte auch die politische Aufklärung neu in Gang kommen.