Politiker in Baden-Württemberg schließen eine Zusammenarbeit mit der AfD in den Kommunen aus. Doch dort kommen Gemeinderäte nicht drumherum, miteinander zu sprechen. Ein Besuch in Backnang.
"Die sind mir zu rechtsradikal", sagt ein Mann, der in der Backnanger Innenstadt flaniert. Eine andere sagt lieber gar nichts. Ein Dritter meint, man solle sich die Argumente der AfD wenigstens anhören. Die Frage, ob man mit der in Teilen rechtsradikalen Partei zusammenarbeiten solle, ist in den Innenstädten in Baden-Württemberg angekommen.
Friedrich Merz, der Bundesvorsitzende der CDU, hat sie aufgeworfen. Im Sommerinterview der ARD hielt er eine Zusammenarbeit mit der AfD in den Gemeinderäten des Landes zunächst für möglich. Später ist er zurückgerudert. Trotzdem sahen sich Landespolitiker gezwungen, klare Kante zu zeigen: "Es gibt keinerlei Zusammenarbeit mit der AfD, das ist unsere klare Beschlusslage im Bund und im Land", sagte CDU-Landeschef Thomas Strobl im SWR. Auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lehnt die Zusammenarbeit ab. Wie realistisch ist das in den Sitzungssälen der Städte und Gemeinden?
Nach Merz-Vorstoß BW-Politik weiterhin gegen Zusammenarbeit mit der AfD
Am Sonntag deutete CDU-Chef Merz Offenheit zu einer Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene an. Am Montag relativierte er seine Aussagen. Das sind die Reaktionen aus BW.
In Backnang (Rems-Murr-Kreis) stimmte der Gemeinderat vergangenen November einem AfD-Antrag zu, der vorsah, Fördergelder für das städtische Theater zu erhöhen. Es gab eine Gegenstimme. Trotz solcher Beschlüsse sind Lokalpolitiker bei der Frage der Zusammenarbeit zurückhaltend.
Bürgermeister von Backnang: "Bei uns geht es um Entscheidungen in der Sache"
Bürgermeister Maximilian Friedrich (Freie Wähler) sitzt am Bürotisch und liest die Lokalzeitung. "Schwieriges Miteinander mit der AfD", lautet die Überschrift. Wirklich? "Bei uns geht es um Entscheidungen in der Sache", sagt Friedrich. Wenn ein guter Vorschlag von der AfD-Fraktion komme, würde der natürlich angenommen. Wenn sie zum Beispiel vorschlagen würde, ein Feuerwehrauto zu ersetzen, wenn das alte kaputt ist, habe ja niemand etwas dagegen. Doch Friedrich glaubt, das habe nichts mit enger Zusammenarbeit zutun. "Es gibt keine gemeinsamen Anträge der Fraktionen mit der AfD. Das sicherlich nicht."
AfD-Vorsitzender mit Verbindungen nach Rechtsaußen
In Backnang ist die Frage auch deshalb pikant, weil mit Steffen Degler ein Politiker den AfD-Fraktionsvorsitz hat, dem Verbindungen zu den rechtsextremen Rändern der Partei nachgesagt werden. Degler ist Schriftführer der Jungen Alternative Baden-Württemberg, der Jugendorganisation der Partei, die der Verfassungsschutz als Verdachtsfall einer rechsextremistischen Bewegung führt.
"Wenn ich mit dem am Tisch sitze, blende ich gewisse Dinge aus", sagt Willy Härtner, Fraktionsvorsitzender der Grünen. So ein Gemeinderat sei wie ein Klassenzimmer: 26 Menschen säßen zusammen und da spreche man miteinander. Das betreffe vor allem Sachfragen wie damals die der Theaterförderung. Aber von Zusammenarbeit will Härtner nicht sprechen. "Wir haben keine Treffen mit der AfD oder Sitzungen miteinander, es gibt keine Absprachen", sagt er. Sowieso kämen 95 Prozent der Anträge nicht von der AfD, sondern von der Verwaltung oder den anderen Fraktionen.
Rechtsextremismus-Experte: Zusammenarbeit macht Partei gesellschaftstauglich
Alexander Roth, Journalist und Experte für Rechtsextremismus, sagt, die Zusammenarbeit mit der AfD in den Kommunen sei problematisch, weil sie die Partei gesellschaftstauglich macht. "Wenn die AfD Politiker in den Stadträten hat, hilft das einer Partei, die zu großen Teilen rechtsextrem ist", so Roth.
In Backnang sieht sich die AfD in der Kommunalpolitik angekommen. Als er 2019 für den Gemeinderat kandidiert hat, habe es viele Vorbehalte gegeben, sagt der Backnanger AfD-Vorsitzende Degler. Es habe drei, vier Jahre gedauert, um sich kennenzulernen und sie abzubauen. Dass damals die anderen Fraktionen für den Antrag mit der Theaterförderung stimmten, sei ein Zeichen dafür gewesen, dass die Arbeit im Gemeinderat "gewürdigt" werde.
Argument für Zusammenarbeit im Land oder Bund
Rechtsextremismus-Experte Roth betrachtet solche Beschlüsse mit Sorge. "Man darf nicht den Fehler machen, zu glauben, das, was im Gemeinderat passiert ist getrennt von dem, was die Partei sonst so macht". Wenn die AfD-Politiker sagen, es gehe um die Sache, nicht um Ideologie, stimme das nicht. Denn wenn in Backnang zusammengearbeitet werde, könnte das später als Argument herhalten, auch mal im Land oder Bund zu kooperieren.
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