Ein Bürgerforum soll die Landesregierung dabei beraten, ob Baden-Württemberg zum Abitur nach neun Jahre zurückkehrt. Die Opposition kritisiert das Vorhaben. Man brauche keine "langwierigen Laberrunden".
Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg will den schwelenden Streit um eine mögliche Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren (G9) mit Hilfe von Bürgerbeteiligung entschärfen. Grüne und CDU wollen ein Forum mit 40 bis 60 zufällig ausgewählten Menschen einrichten, das im Herbst seine Arbeit aufnehmen soll. Darauf habe man sich innerhalb der Koalition geeinigt, wie es in einer Mitteilung heißt.
Dabei sein sollen nicht nur Bürgerinnen und Bürger mit Abitur, sondern auch solche mit anderen Schulabschlüssen. Sie sollen in einer Anhörung zunächst mit Experten, Verbänden und Betroffenen sprechen. Am Ende soll eine Empfehlung stehen, wie es mit dem allgemeinbildenden Gymnasium weitergehen soll. Entscheiden werden dann Parlament und Landesregierung.
Kretschmann will nicht "gegen den Volkswillen" regieren
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) erwartet von der Bürgerbeteiligung eine "breite, fundierte Debatte, die ganzheitlicher geführt wird, als das bisher der Fall ist". Das sagte er am Dienstag in Stuttgart. Dabei dürften nicht nur "gefühlte Betroffenheiten" im Mittelpunkt stehen, sondern auch Ansichten von Fachleuten. Seine persönliche Haltung zu dem Thema habe sich nicht geändert: Er plädiere weiterhin für die Beibehaltung von G8.
Letztlich könne man in einer Demokratie nicht gegen den Volkswillen regieren, so Kretschmann. Allerdings sei das Ergebnis des Bürgerforums lediglich ein Rat. "Das Heft des Handelns" liege bei der Landesregierung und diese könne auch gegen die Empfehlung entscheiden. "Wir dürfen nicht den Anschein aufkommen lassen, dass dialogische Bürgerbeteiligung heißt, dass das die verfassungsmäßigen Organe unter Zugzwang setzt", sagte er. Die Entscheidungsorgane seien das Parlament und die Regierung. "So ist das in einer repräsentativen Demokratie. Die Bürger beraten - nicht mehr und nicht weniger", so der Ministerpräsident.
Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) begrüßte ein Beteiligungsverfahren, betonte aber auch, dass sie andere Probleme für drängender halte: "Die großen Herausforderungen in unserem Bildungssystem liegen im vorschulischen und im Grundschulbereich."
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Opposition befürchtet "langwierige Laberrunde"
Die Opposition fordert dagegen, sofort wieder G9 an weiterbildenden Gymnasien einzuführen. Man brauche kein Spiel auf Zeit mit "langwierigen Laberrunden", hieß es von der FDP. Auch die SPD hält nichts von Diskussionsrunden und wirft der Landesregierung vor, sie versuche mit dem Einsatz eines Bürgerforums ihr Gesicht zu wahren. Die AfD kritisiert zudem die Art und Weise, wie das Forum ablaufen soll. Schließlich wolle die Regierung selbst entscheiden, welche Fragestellungen dort diskutiert werden sollten.
Diskussion um weiterführende Schulen Opposition fordert Wiedereinführung von G9 in BW
Über das Gymnasium in BW gibt es schon seit längerem Diskussionen. Die Grünen im Landtag halten weiter am achtjährigen Modell fest, die Opposition will die Rückkehr zu G9.
Fast alle Fraktionen für Rückkehr zu G9
Vor allem die Elterninitiative "G9 jetzt" mit ihrer Unterschriftensammlung für einen Volksantrag zugunsten einer Rückkehr Baden-Württembergs zum neunjährigen Gymnasium hatte die Debatte wieder angefacht. Zur Halbzeit seien es dabei schon 20.000 Unterschriften, hieß es am Dienstag - nötig sind 39.000. Außer den Grünen hatten sich alle Fraktionen im Landtag für eine Rückkehr zu G9 ausgesprochen. Auch die CDU kündigte an, mit der Forderung in den Wahlkampf für die Landtagswahl 2026 ziehen zu wollen.
Jetzt will Regierungschef Kretschmann, der sich immer wieder für die Beibehaltung von G8 ausgesprochen hatte, den Streit mit mehr Bürgerbeteiligung entschärfen - und die CDU geht diesen Weg mit.
"Der Karren steckt tief in der Grütze" Schulen in BW befürchten noch größeren Lehrermangel
Vier von fünf Schulen in Baden-Württemberg befürchten, dass der Lehrermangel weiter zunimmt. Das geht aus einer Umfrage im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung hervor.
G9 an 280 Schulen in Baden-Württemberg möglich
Die Skepsis auf grüner Seite bleibt aber, denn eine Umstellung auf G9 würde 1.400 Deputate für Lehrkräfte mehr bedeuten. Zudem argumentieren Politikerinnen und Politiker der Grünen immer, es gebe bereits ein flächendeckendes G9-Angebot in Baden-Württemberg. 280 Schulen im Land eröffneten den Weg, um auch in neun Jahren zum Abitur zu gelangen, etwa an 43 allgemeinbildenden Gymnasien, den Gemeinschaftsschulen und den Wirtschaftsgymnasien.