Vier von fünf Schulen in Baden-Württemberg befürchten, dass der Lehrermangel weiter zunimmt. Das geht aus einer Umfrage im Auftrag des Verbandes Bildung und Erziehung hervor.
81 Prozent der Schulen in Baden-Württemberg glauben, dass sich der Mangel an Lehrerinnen und Lehrern weiter vergrößert und damit noch mehr Unterricht ausfällt. Für die Forsa-Umfrage des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) wurden bundesweit 1.300 Schulleitungen befragt - 253 von ihnen aus Baden-Württemberg.
"Entprofessionalisierung" durch Quereinsteiger?
Die Hälfte der Schulleitungen gab an, sie hätten schon zu Beginn des Schuljahres nicht alle Stellen für Lehrkräfte besetzen können. Für den Landes- und Bundesvorsitzenden des VBE, Gerhard Brand, sind das alles andere als gute Voraussetzungen. Denn auch während des Schuljahres gebe es krankheitsbedingte Ausfälle. Und auch dadurch könne Unterricht nicht regelmäßig stattfinden, erklärte Brand.
Der Anteil von Quereinsteigern ohne Lehramtsstudium habe sich in den vergangenen fünf Jahren von 18 Prozent auf 39 Prozent mehr als verdoppelt. Das Problem dabei, so Brand: "Diese Entwicklung führt zu einer Entprofessionalisierung und damit einhergeht ein sich fortsetzender Verlust an Qualität in der Bildung." Das Land werde aber nicht daran vorbeikommen, Quer- und Seiteneinsteiger einzusetzen.
"Der Karren steckt tief in der Grütze"
Die Forderung des VBE: eine berufsbegleitende Qualifikation für Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger, die ein Studium in "schulnahen" Fächern wie Mathematik oder Sprachen absolviert haben. "Der Karren steckt tief in der Grütze", erklärte der VBE-Chef. Verlasse man sich nur darauf, dass neue, voll ausgebildete Lehrkräfte an die Schulen kommen, dann spitze sich die Lage an den Schulen noch weiter zu. Dass Baden-Württemberg mit 1,1 fehlenden Lehrkräften unter dem Bundesdurchschnitt von 1,6 liege, ist für ihn offenbar dennoch kein Trost:
Schopper will Ein-Fach-Lehrkräfte zulassen
Als Reaktion auf die Umfrage des VBE betonte das Kultusministerium, dass Baden-Württemberg bereits einige Maßnahmen umsetze, die die Wissenschaftliche Kommission der Kultusminister vorgeschlagen habe. Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) verwies etwa darauf, dass man beispielsweise Gymnasiallehrkräfte für andere Schularten qualifiziere, den Direkteinstieg ausweite und Lehrkräfte an Schulen mit besonderem Bedarf abordne. Zudem habe das Land für eine Erhöhung der Studienplätze gesorgt.
"Wir wollen aber auch noch weitere Vorschläge der Wissenschaftler umsetzen. Zum Beispiel die Ein-Fach-Lehrkräfte", kündigte Schopper an. Normalerweise seien zwei Fächer für die Einstellung in den Schuldienst vorgeschrieben, heißt es in der Mitteilung des Ministeriums.
FDP fordert mehr Studienplätze
Der bildungspolitische Sprecher der FDP/DVP-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Timm Kern, stimmt der Einschätzung des Verbandes Bildung und Erziehung zu. Nun sei es an der Zeit, dass Grüne und CDU "endlich in die Gänge kommen", so Kern in einer Mitteilung. Gebraucht würden insgesamt deutlich mehr Studienplatzkapazitäten für Lehramtsstudiengänge, eine engere Begleitung von Studierenden zur Verhinderung von Studienabbrüchen und generell wesentlich mehr Wertschätzung den Lehrkräften aller Schularten gegenüber.
AfD Baden-Württemberg gegen "betreutes Studieren"
Auch die AfD im Landtag fordert attraktivere Bedingungen für angehende Lehrerinnen und Lehrer. Rainer Balzer, bildungspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, teilte mit, Referendare brauchten bessere Studienbedingungen und unkomplizierte Übergänge vom Referendariat ins Arbeitsleben. "Was sie jedoch garantiert nicht brauchen, ist betreutes Studieren", so Balzer. Denn das disqualifiziere sie von vorneherein vom Beruf eines Lehrers.