Eine Elterninitiative möchte die Rückkehr zu neun statt acht Jahren Gymnasium. Die Landesregierung ist offen für Gespräche, doch es fehle vor allem an genügend Lehrkräften.
Die Landesregierung diskutiert über eine flächendeckende Rückkehr zum Gymnasium in neun statt in acht Jahren, wie es etwa in Bayern bereits der Fall ist. Die Elterninitiative "G9 jetzt" hatte Mitte November die Sammlung von Unterschriften für einen Volksantrag für die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium gestartet. Auch die FDP-Landtagsfraktion fordert eine Rückkehr zu G9.
Man habe sich den Volksantrag angeschaut und rechne durch, was das für Konsequenzen habe, betonte Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) am Dienstag in Stuttgart. Man sei bisher mit Strukturdebatten in der Bildungspolitik sparsam umgegangen, weil diese immer Unruhen in die Schullandschaft brächten. Die Regierung werde aber das Gespräch mit den Initiatoren suchen.
Bei Rückkehr zu G9 in BW: Bis zu 2.000 zusätzliche Deputate nötig
Kultusministerin Schopper äußerte allerdings erhebliche Bedenken, denn für eine Rückkehr zu G9 an allen Gymnasien brauche es 1.400 bis 2.000 Deputate. Dies würde Ressourcen an den Gymnasien binden, die im Vergleich zu anderen Schularten jetzt schon zu den am Besten ausgestatteten Schulen gehörten. Außerdem gebe es derzeit bereits an 44 staatlichen Schulen und an einigen Privatschulen die Möglichkeit, das Gymnasium in neun Jahren zu absolvieren. Sie könne natürlich eine flächendeckende Rückkehr zu G9 nicht ausschließen, wenn der Volksantrag durchgehe, aber sie arbeite nicht aktiv dafür.
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) bezeichnete sich am Dienstag als "entschiedener Gegner der Wiedereinführung von G9". Die zusätzlich benötigten Lehrstellen würden wieder ins Gymnasium gehen, obwohl andere Schularten mehr Aufmerksamkeit benötigten. Die schwachen Ergebnisse der Viertklässler in der IQB-Studie zeigten zum Beispiel, dass die Grundschulen gestärkt werden müssten. Allerdings werde auch er sich keiner Debatte darüber verweigern. Es gebe aber wenig überzeugende Argumente für eine Rückkehr zu G9.
Maßnahmen gegen Lehrermangel: FSJ-Kräfte sollen in Schulen helfen
Angesichts des Lehrermangels soll es ab dem kommenden Schuljahr laut Schopper 250 zusätzliche Plätze für das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) an Schulen in Baden-Württemberg geben. Das FSJ gebe es an Schulen bereits etwa im Sportbereich in Kooperation mit Sportvereinen, nun werde es mit pädagogischen Fokus ermöglicht, so Schopper. Mit der Maßnahme soll eine individuellere Betreuung ermöglicht und auch für den Lehrerberuf geworben werden. Die Pädagogik bleibe aber in den Händen der Lehrkräfte.
Außerdem werde die Zahl der pädagogischen Assistentinnen und Assistenten von derzeit 267 auf die doppelte Menge aufgestockt. Die Assistenzkräfte sollen an Grund-, Haupt- und Werkrealschulen eingesetzt werden. Es sei nicht das Ziel, Lehrkräfte zu ersetzen, sondern diese zu unterstützen, erklärte Kretschmann den Grundgedanken des neuen Programms für mehr pädagogische Assistenz im Klassenzimmer. Die Kosten für die Verdopplung der pädagogischen Assistenz belaufen sich laut Staatsministerium auf 14,9 Millionen Euro für das Jahr 2023 und 16,2 Millionen Euro für das Jahr 2024. Für das FSJ-Projekt stehen den Angaben zufolge in diesem Jahr Mittel in Höhe von 950.000 Euro im Haushalt bereit. Für das Jahr 2024 und die folgenden Jahre seien 3,6 Millionen Euro eingeplant.
Bildungsverband: "Wir brauchen in den Schulen jede helfende Hand"
Der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg begrüßte die Pläne der Landesregierung für ein FSJ an Schulen und zur Ausweitung der pädagogischen Assistenzen. "Wir brauchen in den Schulen jede helfende Hand", betonte der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand. Junge Menschen kämen mit dem Lehrberuf in Berührung und Lehrkräfte erhielten Unterstützung etwa bei Aufgaben der Integration, als Begleitpersonen beim Schwimmunterricht, bei der Planung von Klassenfahrten und Wandertagen oder der Vorbereitung von Unterrichtsmaterialien.
Laut Brand ist es, dass die pädagogischen Assistentinnen und Assistenten vom Land einen eigenen Haushaltsposten erhalten und nicht wie früher mit Stellen für Lehrkräfte gegengerechnet werden. Auch die Bildungsgewerkschaft GEW erwartet, dass diese Stellen im Landeshaushalt neu geschaffen werden. Die GEW weist außerdem darauf hin, dass pädagogische Zusatzkräfte auch in den Schulen begleitet werden müssen und schlägt für diese Arbeit Entlastungsstunden für Mentorinnen und Mentoren und Schulleitungen vor.