Landesregierung will Bürokratie abbauen

Was tun gegen Berge von Akten? Diese Wege geht BW

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Autor/in
Iris Volk

In einer Entlastungsallianz will die Landesregierung mit Kommunen und Verbänden Bürokratie abbauen. Doch wo ein Wille ist, ist noch nicht unbedingt der richtige Weg gefunden.

Die baden-württembergische Landesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Bürokratie abzubauen und dafür eine Entlastungsallianz ins Leben gerufen. Doch an dieser gibt es bereits kurz nach dem Start Kritik. "Was wir brauchen, sind nicht weitere Plauderrunden, sondern endlich Handeln", forderte FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke. Das Kernproblem könnte aber in der Struktur von Verwaltung liegen.

Der Unternehmensberater und Kommunikationsexperte Thilo Baum bringt es in einer SWR2-Wissen-Sendung auf den Punkt: Gesetze hätten zwar an sich immer einen Sinn und seien vom Ergebnis her gedacht. Für die Verwaltung sei aber nur wichtig, dass Regeln eingehalten werden.

Baum hat den Eindruck: "Der politische Sinn hinter einer Vorschrift interessiert die Verwaltung nicht, und das könnte ein Konstruktionsfehler sein: Sie kümmert sich nur um den Abgleich der Realität mit der Vorschrift." Anders sei das zum Beispiel in Unternehmen.

Regelorientiertes Denken führt zu Papierkrieg

Die regelorientierte Denkweise von Behörden bekam der Selbstständige Baum beim Umzug seines eigenen Gewerbes zu spüren: Es wurde ein Papierkrieg daraus. Und die Anordnung einer Corona-Isolation kam per Post einen Tag vor Ende des Isolationszeitraums im Hause Baum an. Ähnliche Ärgernisse kennen die meisten Bürgerinnen und Bürger.

Eine, die sich trotzdem schon lange Gedanken macht, ist Gisela Meister-Scheufelen (CDU), ehemalige Vorsitzende des Normenkontrollrats Baden-Württemberg. Das Gremium hat bis zu seinem vorläufigen Ende im Dezember 2022 konkrete Ideen vorangetrieben. Zum Beispiel im Rems-Murr-Kreis, der sich als Pilotkommune für projektorientiertes Denken in der Verwaltung zur Verfügung gestellt hat.

"Das ist der Zustand. So funktioniert unser Gemeinwesen. Solange das so ist, hat es wenig Sinn, sich über Bürokratieabbau Gedanken zu machen."

Verwaltung als Projekt

"Die Innovation dort war, dass wir ohne Rechtsänderung, durch Professionalisierung der Abläufe eine Beschleunigung erreicht haben", sagt Meister-Scheufelen. Und zwar so: Die zuständigen Mitarbeitenden betreiben im Rems-Murr-Kreis jetzt Verfahren ähnlich wie Projektmanagerinnen und -manager. Landrat Richard Sigel (parteilos) sagt: "Am Ende ist es eine Haltungsfrage: Wie gehe ich ein Thema an?"

Der Rems-Murr-Kreis kümmert sich also genau um das Problem, das Unternehmensberater Baum in SWR2 Wissen anspricht. Mit Erfolg: "Wir haben gerade ein Windkraftverfahren in der Bearbeitung gehabt", sagt Sigel, "und wir waren deutlich schneller, als es die gesetzliche Vorgabe gewesen wäre." Sieben Monate habe der Kreis Zeit gehabt, in sechs Monaten sei das Verfahren durch gewesen - trotz Wechsel der zuständigen Sachbearbeiterin.

"Wir haben dem Denken vom Ergebnis her größeren Stellenwert eingeräumt."

Digitalisierung nicht als Allheilmittel

Zusätzlich setzt der Rems-Murr-Kreis auf mehr digitalen Austausch - innerhalb der Verwaltung, und mit den Bürgerinnen und Bürgern. "Digitalisierung" ist ein Stichwort, das bei Ankündigungen zum Bürokratieabbau sehr häufig fällt. Thilo Baum warnt im SWR-Interview allerdings davor, in der Digitalisierung ein Allheilmittel zu sehen: "Ein digitaler Weg ist ja nur ein anderer Weg. Wenn ich eine sinnlose Information kommuniziere, dann ist es auch egal, ob ich sie digital kommuniziere." Bei Digitalisierung gehe es eher um die Infrastruktur: "Es geht darum: Fahre ich auf einem Feldweg oder einer Bundesstraße."

Ein Ministerium, das im Frühjahr dieses Jahres Richtung Bundesstraße geblinkt hat, ist das Wohnungsbauministerium. Im April verkündete Ministerin Nicole Razavi (CDU) den Start des virtuellen Bauamts. Elf Pilotkommunen sollten die neuen Möglichkeiten bald testen, von Mitte Mai war damals die Rede. Doch aktuell ist aus dem Ministerium zu hören, dass die Testläufe bisher noch nicht allzu weit vorangeschritten seien – für ein Interview mit einer beteiligten Kommune sei es noch zu früh.

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Lob für die Landesbauordnung

Unabhängig von dieser Verzögerung gibt es aber Lob von Gisela Meister-Scheufelen für Änderungen an der Landesbauordnung, die schon seit der letzten Legislatur gelten: Die Digitalisierung von Baugenehmigungsverfahren sei ein "Musterbeispiel" auch für andere Verwaltungsvorgänge. Denn: Bauverfahren seien die "Mutter aller Genehmigungsverfahren".

Durch eine ganze Reihe von Rechtsänderungen und die Digitalisierung hat das neue Regelwerk nach Meister-Scheufelens Rechnung eine jährliche Bürokratie-Ersparnis von 100 Millionen Euro gebracht. Und Ministerin Razavi hat inzwischen noch weitere Vereinfachungen angekündigt.

Landesregierung berechnet Kosten nicht mehr

Beim Thema Rechnen hat die Landesregierung allerdings aus Sicht von Meister-Scheufelen einen Fehler gemacht. Der Normenkontrollrat hatte die Kosten von Bürokratie immer wieder auch berechnet, konnte so auch beurteilen, wo Kosten gesunken sind.

Doch dieser Ansatz habe sich "nicht bewährt", hat die Landesregierung Ende 2022 geurteilt. Zur Frage, wie der Bürokratie-Abbau künftig gemessen werden soll, heißt es aus dem Staatsministerium, die Stabsstelle für Bürokratieentlastung im Statistischen Landesamt habe "weiterhin den Auftrag, die Entlastungswirkung von Modernisierungsprojekten (...) auch erweitert um zeitliche Entlastungen (...) zu bewerten".

Gisela Meister-Scheufelen warnt davor, die Kostenrechnung ganz unter den Tisch fallen zu lassen: "Wenn wir beim Bürokratieabbau nicht ehrlich sind, dann kriegen wir das nie hin."

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