Nicht nur das Ergebnis, sondern auch die niedrige Wahlbeteiligung von rund 32 Prozent sorgt nach der OB-Wahl in Mannheim für Gesprächsstoff. Ein Wahlforscher nennt ein paar Gründe.
Bei der Oberbürgermeisterwahl in Mannheim haben sich am Sonntag nur etwa 32 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt. Für Matthias Jung von der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen hat das mehrere Gründe. Dem SWR sagte er am Montag, zum einen sei für viele Menschen die Bundespolitik wesentlich relevanter als die Kommunalpolitik. Daher sei auch die Wahlbeteiligung bei Bundestagswahlen sehr viel höher als bei Kommunal- oder OB-Wahlen. Kommunalpolitik stehe eben "nicht so stark im Fokus der Menschen", so Jung - außer, wenn sie direkt davon betroffen seien.
Fojkar (Grüne) und Riehle (SPD) mit "relativ geringem Bekanntheitsgrad"
Zum anderen hätten, so Jung, "insbesondere der Kandidat der Grünen (Raymond Fojkar) als auch der Kandidat der SPD (Thorsten Riehle) über einen relativ geringen Bekanntheitsgrad in der Stadt verfügt". Entsprechend schwierig sei da die Mobilisierung der jeweiligen Wähler.
Zweiter Wahlgang nötig OB-Wahl Mannheim: Specht (CDU) gewinnt ersten Durchgang
Christian Specht (CDU) hat den ersten Durchgang der OB-Wahl in Mannheim gewonnen. Weil er nicht 50 Prozent der abgegebenen Stimmen erreicht hat, ist ein zweiter Wahlgang nötig.
OB-Wahl 2023: Neckarstadt-West mit der niedrigsten Wahlbeteiligung
Ein Blick auf die Wahlbeteiligungen in den einzelnen Mannheimer Stadtteilen: Die Neckarstadt-West hatte am Sonntag mit nur 16,5 Prozent die schlechteste Wahlbeteiligung aller Stadtteile, gefolgt von der Schönau (21 Prozent), der Innenstadt und dem Jungbusch (23 Prozent). Mehrere Menschen, die der SWR in der Neckarstadt-West am Montag befragt hat, sagten, sie seien nicht wählen gegangen, weil sie entweder nichts von der Wahl gewusst hätten, generell nicht wählen gingen oder weil sie nicht informiert gewesen seien. Die Möglichkeit, per Briefwahl abzustimmen, war vielen Passantinnen und Passanten nicht bekannt.
Mutmaßlicher "Wahlplakate-Vandalismus" und Plakate-Schwund
Kann die niedrige Wahlbeteiligung auch an einer zu geringen Plakatierung liegen? In der zentral gelegenen Mittelstraße in der Neckarstadt-West und unter anderem am Neumarkt hängen nach SWR-Beobachtung am Montag so gut wie keine Wahlplakate. Die CDU Mannheim teilte dem SWR mit, dass die Plakatierungs-Richtlinie der Stadt es ihnen in einigen Stadtteilen sehr schwierig mache, viele Plakate aufzuhängen. Denn: Wahlplakate dürfen zum Beispiel nicht an Verkehrsschildern oder Ampeln angebracht werden. Die Mannheimer SPD teilte mit, dass auch viele Wahlplakate abgerissen worden seien. Alle Parteien hätten mit Vandalismus und einem großen Schwund an Plakaten zu kämpfen gehabt.
In "bürgerlich geprägten Stadtteilen" höhere Wahlbeteiligung
Wahlforscher Matthias Jung sagte dem SWR mit Blick auf die geringe Wahlbeteiligung in der Neckarstadt-West und im Stadtteil Schönau: "Da, wo es früher ein linkeres Publikum gab und mehr Menschen in prekären wirtschaftlichen Situation leben, da gibt es - außer bei starken Protestwahlen - ein geringeres Interesse an Kommunalwahlen". Im Gegensatz dazu stünden die eher "bürgerlich geprägten" Stadtteile, "wo eine Wahlteilnahme als Verpflichtung und als soziale Verantwortung gesehen wird", selbst dann, wenn man sich so stark gar nicht dafür interessiere. Die höchste Wahlbeteiligung wurde am Sonntag im Stadtteil Feudenheim gemeldet, dort lag sie bei 49,3 Prozent - gefolgt von Wallstadt (47 Prozent) und Neuostheim (44,7 Prozent).
"Gewisse Mobilisierung von SPD-Wählern" im zweiten Wahlgang möglich
Am 9. Juli steht der zweite Wahlgang der Mannheimer OB-Wahl an. Wahlforscher Jung sagte dem SWR, er sehe zwei mögliche "gegenläufige" Tendenzen. Eine Möglichkeit sei, dass es eine "eine gewisse Mobilisierung (von Wählern) vor allen Dingen bei der SPD gibt". Daneben sei es aber auch möglich, dass die Anhänger von Kandidierenden, die im zweiten Wahlgang nicht mehr antreten, "dann nicht unbedingt einen anderen Kandidaten wählen wollen". Das hieße, dass die Wahlbeteiligung dann insgesamt noch niedriger sein könnte als im ersten Wahlgang.
Wahlbeteiligung in Mannheim nur 2015 niedriger
Laut der Stadt Mannheim gingen nur bei der Oberbürgermeisterwahl im Jahr 2015 weniger Menschen wählen als 2023. Im ersten Wahlgang lag die Beteiligung damals bei nur 30,7 Prozent. Die höchste Wahlbeteiligung gab es laut Stadt im ersten Wahlgang 1983, da lag sie bei 61,8 Prozent. Im zweiten Wahlgang hatte damals Gerhard Widder (SPD) die Wahl für sich entschieden.
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