Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg

VGH: Verfassungsschutz darf AfD in BW beobachten

Stand
Autor/in
Hendrik Huber
Onlinefassung
Janey Schumacher

Der Verfassungsschutz in BW darf den AfD-Landesverband als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen und beobachten. Das hat der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim entschieden.

Nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim am Mittwoch darf der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg den AfD-Landesverband weiterhin als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstufen und beobachten. Das Gericht hat eine entsprechende Beschwerde der AfD gegen eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart im Eilverfahren zurückgewiesen. Die Entscheidung ist unanfechtbar.

VGH: AfD verletze migrierte Menschen in ihrer Menschenwürde

Das oberste Verwaltungsgericht Baden-Württembergs verwies auf "tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen". Dazu gehöre unter anderem das Eintreten von AfD-Parteimitgliedern für einen "ethnischen Volksbegriff", der an "Merkmale wie Herkunft und Rasse" anknüpfe und eine mit dem Grundgesetz unvereinbare "Ungleichbehandlung" von Menschen bedinge.

Die Verwendung von Begriffen wie "großer Volksaustausch" im Zusammenhang mit Migration ziele darauf ab, "die für die verfassungsmäßige Ordnung elementare Rechtsgleichheit aller Staatsbürger als eine zu überwindende Fehlentwicklung darzustellen", erklärte das Gericht. Auch gebe es unter anderem "Anhaltspunkte" für eine pauschale Herabwürdigung von Muslimen durch Vertreter der AfD. Dies verletze Betroffene in ihrer Menschenwürde.

AfD Landesvorsitzender Frohnmaier: Gerichtsentscheidung ist absurd

Der Landesvorsitzende der AfD in Baden-Württemberg, Markus Frohnmaier, kritisierte die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs scharf. Die Feststellung des Gerichts, dass die AfD einen ausgrenzenden ethnischen Volksbegriff vertrete, sei "nur noch absurd", so Frohnmaier. Die AfD sei so wenig ausgrenzend, dass sie einen Parteivorsitzenden mit rumänischen Wurzeln gewählt habe, so Frohnmaier, der in Rumänien geboren wurde. "Tendenziöse Behauptungen des Verfassungsschutzes" durch das Gericht zu bekräftigen, halte Frohnmaier für "mehr als fragwürdig". Der AfD-Landeschef entgegnete: "Die AfD möchte keine rechtliche Ungleichbehandlung von Deutschen mit und ohne Migrationshintergrund."

Insofern sei es mehr als fragwürdig, dass hier vom Gericht tendenziöse Behauptungen des Verfassungsschutzes unkritisch übernommen werden, kritisierte Frohnmaier.  Der Inlandsgeheimdienst werde zur Diskreditierung politischer Konkurrenten eingesetzt. "Spätestens seitdem der Leiter der Bundesbehörde, Herr Haldenwang, seine Kandidatur für die CDU bekanntgegeben hat, wird für die Bürger deutlich, wie solche Behörden als Instrumente zur Wahlkampfbeeinflussung dienen sollen", sagte Frohnmaier. Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, hatte nach Angaben aus Regierungskreisen Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) darüber informiert, dass er für die CDU für den Bundestag kandidieren wolle.

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Strobl: AfD-Beobachtung durch Verfassungsschutz richtig

Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) begrüßte die Entscheidung des VGH zur Beobachtung des AfD-Landesverbandes durch den Verfassungsschutz: "Wen der Verfassungsschutz mit nachrichtendienstlichen Mitteln beobachtet, das entscheidet der Verfassungsschutz selbst nach den Kriterien des Verfassungsschutzgesetzes", sagte Strobl laut einer Mitteilung. Die Beobachtung durch den Verfassungsschutz sei kein politisches Kampfinstrument, sondern eine Behördenentscheidung. Der Verfassungsschutz habe richtig entscheiden, so Strobl. "Es gibt gute Gründe, dass der Verfassungsschutz die AfD beobachtet. Es bleibt dabei: Wir behalten die AfD genau im Blick, die Biedermänner und die Brandstifter!", so der CDU-Politiker.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, Oliver Hildenbrand, sprach von einer klaren und deutlichen Entscheidung und forderte die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD. "Diese Einstufung hängt der rechtsextremen Wirklichkeit dieser Partei hinterher. Die AfD ist kein Verdachtsfall - sondern längst ein klarer Fall für den Verfassungsschutz", sagte der Grünen-Politiker. Die Partei attackiere die offene Gesellschaft und greife die Demokratie an. "Jetzt braucht es den politischen Mut, das Verfahren zur Prüfung der Verfassungswidrigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht einzuleiten", so Hildenbrand.

Für den SPD-Abgeordneten Boris Weihrauch zeigt die Entscheidung, dass die AfD nicht auf dem Boden der Verfassung stehe.

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100 Abgeordnete im Bundestag reichen Antrag auf AfD-Verbot ein

Einigen Politikern und Politikerinnen geht die Beobachtung der AfD durch den Verfassungsschutz nicht weit genug - sie wollen, dass die Partei komplett verboten wird. Mehr als 100 Bundestagsabgeordnete haben deshalb einen Antrag für ein AfD-Verbotsverfahren eingereicht. Das hat der Mitinitiator und CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz aus Sachsen bestätigt. Die Leute, die unterschrieben haben, wollten noch vor der Neuwahl eine Abstimmung im Bundestag erreichen. Stimmt der Bundestag dem zu, muss das Bundesverfassungsgericht überprüfen, ob die AfD verfassungswidrig ist und deshalb verboten werden kann. Die Hürden für ein solches Verbot sind allerdings sehr hoch.

Deshalb darf der Verfassungsschutz die AfD beobachten

Der im Grundgesetz geregelte besondere Schutz von Parteien als Pfeiler der politischen Willensbildung in einer Demokratie schließe eine Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht aus, erklärte der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim in seinem am Montag ergangenen Beschluss. Eine verfassungsschutzrechtliche Beobachtung von Parteien sei außerdem mit der grundgesetzlich geschützten Meinungsfreiheit vereinbar. Auch die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Einstufung als Verdachtsfall sei vor diesem Hintergrund rechtens.

Das ist der Einstufung als Verdachtsfall vorausgegangen

Der baden-württembergische Landesverfassungsschutz hatte die Beobachtung des Landesverbands der AfD als Verdachtsfall im Juli 2022 öffentlich bekanntgegeben. Einen von der Partei dagegen gerichteten Eilantrag lehnte der Verwaltungsgerichtshof bereits im November vergangenen Jahres ab.

Die AfD wird in mehreren Ländern und auf Bundesebene vom Verfassungsschutz beobachtet. Die Landesverfassungsschutzbehörden in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt stufen die Partei mittlerweile als erwiesen rechtsextreme Vereinigung ein - sehen die ursprüngliche Einstufung als Verdachtsfall inzwischen also als bestätigt an. In mehreren Bundesländern sowie auf Bundesebene wird die AfD derzeit als Verdachtsfall geführt. Dagegen gerichtete Beschwerden der Partei scheiterten wiederholt vor Gerichten.

Das Oberverwaltungsgericht Münster wies so die Berufungen der AfD-Bundespartei und der Jugendorganisation "Junge Alternative für Deutschland" im Mai 2024 ab und bekräftigte damit die Einstufung aus Köln. Folglich darf der Verfassungsschutz auch weiterhin nachrichtendienstliche Mittel zur Beobachtung der rechtspopulistischen Partei einsetzen. Im Mai legte die Bundes-AfD schließlich auf höchster Ebene eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig ein - diese Entscheidung steht noch aus.

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