SWR-Aktuell hat den Verantwortlichen für den Maßregelvollzug in Heidelberg, Matthias Wagner, interviewt. Nach dem Tod eines 27-Jährigen steht der Maßregelvollzug in der Kritik.
SWR Aktuell: Trifft es zu, dass vor dem Todesfall für 60 Patienten nur drei Pflegekräfte zur Verfügung standen?
Matthias Wagner: Das kommt auf den Zeitpunkt an. Zum Todesfallzeitpunkt waren mehr Pflegemitarbeiter und mehr Mitarbeiter im Haus.
SWR Aktuell: Wie viele Pflegekräfte waren dann insgesamt im Haus?
Wagner: Das kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Da suchen wir jetzt noch mal die Zahlen zusammen. Zu dem Zeitpunkt waren zwei Ärzte im Haus und die sind hier auch unmittelbar zu Hilfe geeilt.
SWR Aktuell: Der 27-Jährige soll vorher schon einmal nach einem Drogenkonsum Krampfanfälle gehabt haben. Ist er überwacht worden?
Wagner: Da muss ich jetzt leider etwas blocken. Einzelne Informationen zum Patienten unterliegen der Schweigepflicht und insbesondere biografische Daten.
SWR Aktuell: Wie lange hat es gedauert, bis er gefunden wurde?
Wagner: Das war eine überschaubare Zeit. Hier warte ich noch die Information des Todesermittlungsverfahrens ab. Für mich ist auch noch nicht klar, was für eine Substanz das war. Das ist für mich ganz wichtig, was da mitgespielt haben kann. Wir haben reanimiert und den Notarzt hinzugezogen. Dieser hat den Tod festgestellt.
SWR Aktuell: Die Vorwürfe von Anwälten, aber auch ehemaligen Mitarbeitern und Angehörigen, lauten: Es mangele an Pflegekräften, Therapieangeboten, Medikamenten und ärztlicher Versorgung. Es gebe kein Therapiekonzept. Der Faule Pelz sei mehr oder weniger eine Verwahrstation. Außerdem sei das Essen teilweise verdorben, es habe auch schon mehrere Hungerstreiks gegeben?
Wagner: Die Patienten haben sich geweigert, das Essen zu sich zu nehmen. Es war teilweise ungenießbar. Deswegen gab es auch Reklamationen. Wir haben mit unserem Caterer zuerst Rücksprache gehalten. Dann kam es wieder zu Vorfällen und in der Zwischenzeit haben wir den Beschluss gefasst, den Anbieter zu wechseln.
SWR Aktuell: Ist das bereits passiert?
Wagner: Ja und nein. So ein Wechsel geht nicht ohne organisatorische Veränderungen, weil dieser Anbieter für uns den großen Vorteil gehabt hat, dass er uns das Essen portioniert geliefert hat. Die Umstellung passiert in absehbarer Zeit.
SWR Aktuell: Als Hungerstreik hätten Sie das jetzt nicht bezeichnet, was da war?
Wagner: Die Patienten haben sich geweigert, die Nahrung zu sich zu nehmen. Das konnten wir auch in großen Teilen nachvollziehen. Wir haben das überprüft und dann für Ersatz gesorgt.
SWR Aktuell: Die privaten Sicherheitsdienste stehen auch in der Kritik. Ist es erstmals im Land so, dass private Sicherheitsdienste in so einer Einrichtung eingesetzt werden?
Wagner: Im Land gibt es schon teilweise private Sicherheitsdienste in Ausnahmefällen. Aber jetzt in diesem Regelbetrieb sind wir gezwungen gewesen, das so zu etablieren. Denn Krankenpflegepersonal in so großer Zahl zu gewinnen, war uns nicht möglich. Deswegen haben wir jetzt ein Konzept entwickelt, in dem Sicherheitsaufgaben von der Pflege an ein Sicherheitsunternehmen delegiert werden. Das läuft nicht immer problemlos, das ist richtig. Aber es entwickelt sich und die Beschwerden und Klagen der Patienten werden weniger.
SWR Aktuell: Die Vorwürfe lauten, das Sicherheitspersonal sei nicht ausreichend qualifiziert. Teilweise sprächen die Sicherheitskräfte kaum Deutsch. Es war die Rede von Machtmissbrauch, Schikanen und Willkür und auch von Drogenkonsum des Personals. Security-Leute sollen Häftlingen Handys und Drogen gegen Geld angeboten haben. Was ist an diesen Vorwürfen dran? Können Sie die bestätigen?
Wagner: Nein, von diesen Vorwürfen haben wir keine Kenntnisse. Wenn wir sie gehabt hätten, wären wir sofort dagegen vorgegangen. Wir haben Mitarbeiter gehabt, die massive Probleme mit der deutschen Sprache hatten. Und wenn es Probleme gegeben hat oder ein Mitarbeiter nach unserer Meinung dort nicht arbeiten konnte, nicht geeignet war, ist er auch umgehend abgelöst worden; das haben wir mehrfach gehabt. Schikanen sind uns nicht bekannt.
SWR Aktuell: Besuchszeiten seien zu knapp bemessen gewesen für Verwandte und auch nur für Verwandte ersten Grades gestattet. Es gebe nur ein Besuchszimmer für alle 60 Patienten und der Innenhof sei der einzige Ort für die Patienten, um sich zu bewegen. Generell sei dieses Gebäude nicht geeignet als Therapieeinrichtung. Außerdem gebe es Hygieneprobleme wie Schimmel?
Wagner: In der Form, nein.
SWR Aktuell: In welcher Form dann?
Wagner: Es ist ein Altbau und die räumlichen Gegebenheiten waren uns vorgegeben. Es ist eine Justizvollzugsanstalt vom Grundschnitt her und keine therapeutische Einrichtung. Deswegen ist ja klar, dass der Faule Pelz eine befristete Einrichtung ist.
Wir haben versucht, es möglichst anzupassen. Wir haben heute einen Stand von 62 Patienten. Als die Belegung geringer war, haben wir nur ein Besucherzimmer gehabt. Unsere Patienten haben die Möglichkeit zu skypen. Wir haben mehrere Tablets, die die Patienten benutzen können. Da werden wir noch weiter nachlegen. Die Besucherzimmer sind für uns problematisch. Wir müssen hinterher kontrollieren, ob verbotene Substanzen oder Gegenstände eingebracht wurden.
SWR Aktuell: War dieser Vorfall bei dem jetzt verstorbenen Patienten der erste dieser Art?
Wagner: Das ist der erste Patient, der bei uns verstorben ist in Heidelberg. Das ist richtig.
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