Benjamin Zeier aus Mosbach war erfolgreicher Urologe mit eigener Praxis. Doch vor fünf Jahren wagte er einen Neuanfang: Er praktiziert jetzt in den Anden in Peru.
Haus mit Garten und Swimmingpool, zwei Autos, eine gutgehende Arztpraxis und ein sechsstelliges Jahreseinkommen - Benjamin Zeier hat als Urologe aus Mosbach (Neckar-Odenwald-Kreis) alles erreicht, was man erreichen kann und was er vor allem für sich und seine Familie erreichen wollte. Es fehlte ihm, seiner Frau und den fünf Kindern an nichts.
Dann, 2019, der Schnitt: Zeier verkauft alles, trennt sich von allem. Von der Praxis, den Autos, dem geregelten Einkommen, den Möbeln, seinem Haus mit Garten und Pool.
Mosbacher Arzt in Peru: Nur eine Stunde am Tag fließend Wasser
"Wir haben jetzt ein kleines Haus zur Miete, fließend Wasser gibt es nur eine Stunde am Tag", erzählt Zeier dem SWR beim Heimatbesuch in Mosbach. Die Familie muss jetzt planen, wer in dieser einen Stunde duschen kann, oder ob die Waschmaschine laufen soll. "Unsere Waschmaschine: ein absoluter Luxus!" sagt Zeier. Die läuft aber auch nur, wenn nicht gerade wieder der Strom ausfällt, was in der Regenzeit eigentlich täglich passiert. In den Anden ist eben alles ganz anders als in Deutschland, als in Mosbach.
Gebet hilft Arzt bei Entscheidung
Man gewöhne sich an so vieles, wenn man alles aufgibt, um als Arzt, als Urologe, in die peruanischen Anden zu gehen, sagt Zeier. Der Mediziner ist gläubiger Christ und so ganz von alleine sei die Entscheidung nicht gefallen. Zeier wollte direkt nach der Geburt seines fünften und letzten Kindes wissen, was nun als nächstes dran sei im Leben, welches neue Kapitel nun beginnen würde. Als bekennender Christ suchte er in einem Gebet nach einer Antwort.
Eine Mail aus Peru entscheidet alles
Ende 2018, nur wenige Stunden nach der Geburt seines fünften Kindes, landete eine Mail aus Peru auf seinem Rechner im Mosbacher Einfamilienhaus mit Garten und Pool. Ob Zeier sich vorstellen könne, als Missionsarzt in die peruanischen Anden zu gehen - also dahin, wo die Ärmsten der Armen in einem Missionshospital behandelt werden. Zeier erinnert sich, wie er ungläubig auf diese Mail starrte. Und wie seine Frau sofort reagierte: "Ok, wann geht's los?" Damit war auch für ihn eigentlich alles entschieden. Absender der Mail waren deutsche Ärzte, die in Peru dieses Hospital gegründet haben.
Leben in den Anden: Drei Stunden Fahrt bis zum Supermarkt
Jetzt also lebt die Mosbacher Familie in einem Dorf in den Bergen Perus, in einer Gegend, die so gar nichts mit der Welt zu tun hat, aus der die Zeiers gekommen sind. Wollen sie in einen großen Supermarkt, müssen sie drei Stunden mit dem Auto fahren, über staubige Sandwege oder Schlammpisten, je nach Jahreszeit. "Da kann es auch schon mal passieren, dass das Auto stecken bleibt und man nicht mehr nach Hause kommt", so Benjamin Zeier, der für solche Fälle immer Schaufeln und Gummistiefel im Kofferraum dabei hat.
Luxus und Reichtum in Deutschland, das ist seitdem vorbei. "Aber wenn man Menschen helfen kann, ihnen Hoffnung geben kann, wenn ich Leben verändern kann, dann wiegt das für mich viel mehr", erklärt Zeier. Er sei nun da angekommen, wo er seine Lebensaufgabe sieht.
Missionskrankenhaus wurde von deutschen Ärzten gegründet
Zeier arbeitet als Urologe an einem hochmodernen Missionskrankenhaus, das vor vielen Jahren von zwei Ärzten aus Baden-Württemberg gegründet wurde. Der 41-Jährige arbeitet ehrenamtlich, die Familie lebt von dem Geld, das Spender regelmäßig überweisen. Auch das Krankenhaus selbst, hoch in den peruanischen Bergen, lebt von solchen Spenden. Schon im Morgengrauen stehen die Menschen Schlange vor dem Hospital, sie kommen in klapprigen Autos oder zu Fuß, oft kilometerweit.
"Wir behandeln hier die Quechua, die Ärmsten der Armen", berichtet Zeier. Die Bevölkerungsgruppe werde in Peru stark diskriminiert. "Diese Menschen hätten ohne unser Hospital in den Bergen keinerlei Zugang zu moderner Medizin."
Heimatbesuch in Mosbach: Zwischen Kulturschock und Heimweh
Das Leben und die Arbeit von Benjamin Zeier in den Anden könnte nicht gegensätzlicher sein zu dem Leben, das er in Mosbach geführt hat. Wenn er, wie jetzt, mal wieder in Deutschland unterwegs ist, dann schwankt er zwischen Kulturschock und Heimweh. "Die riesigen Supermärkte hier, das unfassbare Angebot, die öffentlichen Verkehrsmittel, dann die Sorgen, die Klagen der Deutschen, die berechtigten oder übertriebenen" - Zeier ist manchmal hin- und hergerissen. Und vielleicht froh, wenn er wieder nach Peru zurückfährt? Zumindest sieht er dort weiterhin seinen Lebensmittelpunkt. "Wir haben mit aller Radikalität unser Leben in Deutschland beendet, wir haben dort alles aufgegeben, es gibt eigentlich kein Zurück mehr", sagt Zeier. Natürlich hat er manchmal Heimweh. Sehnsucht nach dem schönen Haus mit Garten in Mosbach. "Aber je länger wir weg sind, desto mehr verblasst das auch."
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