Wasser ist ein knappes Gut. Damit auch Landwirte mehr bei der Bewässerung sparen, müssen sie in einigen Bundesländern eine Abgabe zahlen. Hierzulande nicht - bislang jedenfalls.
Karsten Großhans ist der größte Gemüseanbauer im Rhein-Neckar-Kreis. Auf 500 Hektar baut er Karotten, Radieschen, Lauchzwiebeln und Kartoffeln an und braucht dafür viel Wasser. Seine Freiflächen sind von Rohren durchzogen, aus kleinen Löchern regnet es auf die Saat. Großhans gießt mit Grundwasser, das er aus eigenen Brunnen oder aus Gemeinschaftsbrunnen entnimmt, die überall in der Region an verschiedenen Standorten stehen. Für die Brunnen entstehen ihm eigenen Angaben zufolge hohe Kosten. Die Genehmigungsverfahren seien sehr aufwendig, sagte Großhans dem SWR, dazu kämen noch Investitionen etwa für den Bau der Brunnen, für Strom und Diesel. Für die Menge an Grundwasser aber, das Landwirte aus extra ausgewiesenen Erdschichten entnehmen dürfen, brauchen sie zwar eine Erlaubnis, das Wasser an sich kostet sie aber nichts.
Für Grundwasser und Oberflächenwasser zahlen Landwirte nichts
Das Gleiche gilt für Landwirtinnen und Landwirte, die mit Pumpen aus Bächen, Flüssen oder Seen Oberflächenwasser ziehen. Auch hier fallen Kosten an für Genehmigungen, Lizenzverlängerungen und Instandhaltung. Vom sogenannten Wasserentnahmeentgelt (WEE), einer Abgabe für Wasser, sind aber auch sie in Baden-Württemberg seit 2010 befreit.
Wenn es nach dem Bauernverband in Baden-Württemberg geht, soll das auch so bleiben. Pressesprecherin Ariane Amstutz sagte dem SWR, die rund 4.470 Gemüse- und Obstbauern im Land seien schon jetzt nicht mehr wettbewerbsfähig. Produktionskosten und auch der Mindestlohn von derzeit 12 Euro in der Stunde schlügen voll durch. Die Bäuerinnen und Bauern könnten nicht so günstig produzieren wie beispielsweise ihre Konkurrenz in Spanien oder Italien. Käme auch für Wasser ein Wassercent wie in der Industrie dazu, ginge die heimische Produktion zurück, so ihre Einschätzung.
Jeder Privathaushalt zahlt seit den Achtzigern einen Wassercent
Die Landwirtinnen und Landwirte auf den Fildern im Landkreis Esslingen werden allerdings zur Kasse gebeten, weil sie auf Leitungswasser angewiesen sind. Gemüsebauer Michel Bayah ist an die Wasserversorgung aus dem Bodensee angeschlossen. Ihm bleibt nichts anderes übrig, weil das Grundwasser in der Region zu tief liegt und das Abschöpfen von Oberflächenwasser dort verboten ist. Abgerechnet werde über einen großen Zähler beim Wasserversorger vor Ort, sagte Bayah dem SWR. Der Preis liegt für ihn aktuell bei 2,10 Euro netto pro Kubikmeter. Bei einer prognostizierten Wassermenge von 70.000 bis 80.000 Kubikmeter in diesem Jahr, wären das für ihn 150.000 Euro Wasserkosten, rechnet Bayah vor.
Damit geht es den Gemüsebauern auf den Fildern nicht viel anders als Millionen von Privathaushalten, die ihre Gärten mit Leitungswasser gießen. Diese zahlen in Baden-Württemberg für Wasser aus dem Hahn automatisch noch ein Wasserentnahmeentgelt obendrauf. Der sogenannte Wassercent, früher bekannt als Wasserpfennig, wurde im Land Ende der 80er Jahre eingeführt. Er liegt für Privathaushalte momentan bei 10 Cent pro Kubikmeter, für die Industrie bei 1,5 Cent pro Kubikmeter. Nach Angaben des grün-geführten Umweltministeriums hatte die damalige schwarz-gelbe Landesregierung 2010 die Pflicht für die Landwirte abgeschafft.
Entnahme von Grundwasser in BW um 100 Prozent gestiegen
Laut dem baden-württembergischen Umweltministerium ist die Wasserentnahme seit 2010 massiv gestiegen. Das belegen Daten im Vergleich zu 2020. In dem Jahrzehnt gab es einem offiziellen Bericht zufolge beim Grundwasser eine Zunahme von insgesamt mehr als 100 Prozent. Spitzenreiter war das Trockenjahr 2018 mit 19,28 Millionen Kubikmeter Wasser. Auch beim Oberflächenwasser gab es demnach ein Plus von 89 Prozent.
Allerdings, gibt der SWR-Umweltexperte Werner Eckert zu Bedenken, wisse man nicht wirklich wie viel Wasser die Landwirtschaft tatsächlich entnehme. Weil kein Entgelt erhoben werde, sei auch keine exakte Messung möglich. Der Anteil könnte, so Eckert, schon sehr viel größer sein als alte Statistiken auswiesen.
Um einen besseren Überblick über den Wasserverbrauch zu bekommen, müssen die unteren Wasserbehörden der Landratsämter seit 2018 größere Mengen systematisch erfassen. Es geht um Wasser, das in den Stadt- und Landkreisen für die Beregnung landwirtschaftlicher, gärtnerischer und forstwirtschaftlicher Flächen entnommen wird. Registriert wurden bis 2020 zunächst alle Mengen über 4.000 Kubikmeter, mittlerweile sind es alle Mengen über 2.000 Kubikmeter. Ob es weitere Empfehlungen geben wird, will das baden-württembergische Umweltministerium eigenen Angaben zufolge erst 2026 entscheiden. Erst dann soll die nächste Auswertung vorliegen. Dass der Wasserbedarf aufgrund des Klimawandels in der Landwirtschaft allerdings steigen wird, bezweifelt auch das Ministerium nicht.
Wassercent für Landwirte bereits in anderen Bundesländern
In den meisten der 16 Bundesländer gibt es einen Wassercent, allerdings verlangen manche mehr, manche weniger und es gibt auch Ausnahmen für Landwirte wie in Baden-Württemberg. Das ergab eine Umfrage der deutschen Presseagentur. Im Saarland, Sachsen-Anhalt oder Niedersachsen ist die Wasserentnahme für die Landwirtschaft demnach kostenpflichtig mit dem Ziel, dass Wasser gespart wird. Unterschiede gibt es bei den Preisen, die etwa im Saarland teilweise bei 0,7 Cent und in Sachsen-Anhalt aktuell bei zwei Cent pro Kubikmeter liegen. In Sachsen-Anhalt wird allerdings derzeit über eine Erhöhung der Abgabe diskutiert. In Rheinland-Pfalz soll diese für Landwirte Anfang 2024 eingeführt werden. Dann sollen für einen Kubikmeter Grundwasser sechs Cent, für einen Kubikmeter Oberflächenwasser 2,4 Cent fällig werden.
In Bayern soll ein Wasserentnahmeentgelt für Bauern im kommenden Jahr kommen. Auch in weiteren Bundesländern wie Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg oder Hessen wird über eine Abgabe nachgedacht. In Nordrhein-Westfalen dagegen sollen die Ausnahmen für Bauern wie in Baden-Württemberg bestehen bleiben.
Umweltverbände für Wassercent plus Fördermaßnahmen
Für den Landesverband für Umwelt und Naturschutz, kurz BUND, ist die Erhebung eines Wasserentnahmeentgelts (WEE) für Landwirtinnen und Landwirte längst überfällig. Der stellvertretende Vorsitzende, Kai Baudis, argumentiert, dass die Grundwasserstände und die allgemeine Verfügbarkeit von Wasser laut Prognosen in den kommenden Jahrzehnten stark sinken, die Bewässerung durch die Landwirtschaft aber stark zunehmen werde. Die Einführung eines Wassercents hätte deshalb Steuerungswirkung und würde auch die Kontrolle erheblich verbessern, sagte Baudis dem SWR. Er kritisierte außerdem, dass es in Baden-Württemberg zum Wasserverbrauch in der Landwirtschaft keine belastbaren Zahlen gebe. Das sei skandalös.
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NABU: "Konkurrenzkampf" ums Wasser zwischen Bevölkerung und Bauern
Auch der Naturschutzbund Deutschland, kurz NABU, kann sich die Einführung eines Wassercents in der Landwirtschaft vorstellen und verweist auf die Verdoppelung bei der Entnahme von Grundwasser. So könne es nicht weitergehen, sagte Jochen Goedecke vom Landesverband dem SWR, weil das Wasser immer knapper werde. Man könne mit einem Cent pro Kubikmeter einsteigen. Wenn der Wasserverbrauch für die Beregnung dann nicht zurückgehe, könne man mit der Zeit den Preis erhöhen. Parallel dazu fordert der NABU von der Politik aber auch Förderprogramme für die Landwirtinnen und Landwirte, beispielsweise für eine wassersparende Berieselung wie im Weinbau.
Für Goedecke hat der Verbrauch von Wasser inzwischen auch einen sozialen Aspekt. So gebe es in manchen Kommunen mit Erdbeerfeldern bereits eine Art Konkurrenzkampf. Die Menschen dürften keine Blumen mehr gießen, die Landwirtinnen und Landwirte aber nutzten das Wasser weiter wie selbstverständlich, so Goedecke. Er habe Verständnis für die Landwirtschaft, die mit vielen Bereichen zu kämpfen habe, aber Wasser sei ein öffentliches Gut und jeder müsse sparen.
Industrie verbraucht viel mehr Wasser als Landwirtschaft
Für Gemüseanbauer Karsten Großhans aus Reilingen im Rhein-Neckar-Kreis steht fest, dass es ohne Beregnung von Obst und Gemüse nicht geht. "Dann kann man hier zuschließen", sagte Großhans. Beim Getreideanbau auf den Äckern lohne sich die Beregnung schon nicht mehr. Der Aufwand sei zu groß, der Ertrag zu gering.
Was ihn an der Diskussion um den Wasserverbrauch stört, ist, dass die Landwirtschaft mit der Lebensmittelproduktion immer als erstes hergenommen werde, denn die Industrie verbrauche viel mehr Wasser.
Laut dem Statistischen Landesamt wurden im Jahr 2019 rund 21 Millionen Kubikmeter Wasser für die Beregnung von Feldern verbraucht. Zum Vergleich: Wirtschaftsunternehmen nutzten circa 210 Millionen Kubikmeter für die Produktion und damit etwa zehnmal so viel Wasser. Die Industrie verbrauchte für Kühlwasser ungefähr 2.460 Millionen Kubikmeter und damit rund 100 Mal so viel Wasser wie die Landwirtschaft zur Bewässerung.
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