Keine Noten mehr in der Schule - dieses Modell wird an 35 Grundschulen in Baden-Württemberg seit rund einem Jahr getestet. Der baden-württembergische Landeselternbeirat befürwortet solche Schulversuche.
Können Schülerinnen und Schüler wirklich ohne Noten bewertet werden? Eine Frage, die Eltern oft hitzig diskutieren. Seit Jahresbeginn läuft an 35 Grundschulen in Baden-Württemberg ein Modellversuch, bei dem Kinder keine Punkte oder Noten mehr bekommen. Ihre Leistung wird über Bilder und ausführliche Gespräche mitgeteilt. Gestartet ist der Versuch in den Klassenstufen eins und zwei und soll in den kommenden Jahren auch in den Klassenstufen drei und vier etabliert werden. Der Landeselternbeitrat befürwortet derartige Modellversuche an Schulen in Baden-Württemberg.
Erste Grundschulen in BW ziehen Bilanz Schulversuch mit Blümchen - brauchen Kinder noch Noten?
Erst- und Zweitklässler an 35 Schulen in Baden-Württemberg bekommen seit Beginn des Schuljahres keine Noten mehr. Ihre Leistung wird stattdessen unter anderem durch Blümchen bewertet.
Noch keine offizielle Bilanz - erste Rückmeldungen positiv
Es gebe noch keinen offiziellen Lagebericht zum Schulversuch "Lernförderliche Leistungsrückmeldung in der Grundschule" (LLR), so Sebastian Kölsch, der Vorsitzende des baden-württembergischen Landeselternbeirats. Man habe jedoch erste subjektive Rückmeldungen von Elternbeiräten aus dem Land bekommen, unter anderem aus Freiburg.
Grundsätzlich sei es so, dass es zu Beginn des Modellversuchs vereinzelt Bedenken gegeben hätte. Die meisten Zweifel seien in der Praxis aber schnell ausgeräumt worden, die Eltern seien relativ zufrieden, so Kölsch. Unter anderem, weil der Schulversuch den Austausch zwischen Kindern und Lehrkräften fördere. "Man wird nicht einfach mit einer Note abgespeist, sondern mit einem differenzierten Bericht", sagt Kölsch. Sowohl für die Kinder als auch für die Eltern gebe das sehr viel mehr Aufschluss darüber, wo die Stärken und Schwächen der Kinder lägen. Das Konzept fördere den Detailreichtum und die Bewertung werde viel genauer, weil sie viel weiter aufgefächert werde.
Ein Bedenken, das es zu Beginn gegeben hatte, sei noch offen, so Kölsch. Viele Eltern hätten sich gefragt, ob der Notenschock umso schwerer ausfalle, wenn Kinder auf weiterführenden Schulen plötzlich "echte" Noten bekämen. Dazu kann Kölsch aktuell noch keine Aussage treffen. Der Modellversuch sei in den Klassenstufen eins und zwei gestartet und werde erst in den kommenden Jahren auf die Klassenstufen drei und vier übertragen. Man müsse die Ergebnisse des Schulversuchs abwarten. Ab kommendem Schuljahr will der Landeselternbeirat für die Elternbeiräte der teilnehmenden Schulen ein Netzwerk aufbauen, wo sie sich austauschen können.
Kinder und Eltern werden nicht zu Schulversuch gezwungen
Schulen, die am "LLR"-Versuch teilnehmen, sind laut Kölsch aus der Schulbezirksbindung herausgenommen. "Wenn ich in einem Schulbezirk bin, wo die Schule an dem Schulversuch teilnimmt, darf ich den Schulbezirk wechseln - und dieser Wechsel muss genehmigt werden. Andersherum darf auch ganz gezielt an "LLR"-Schulen gewechselt werden", erklärt der Vorsitzende des baden-württembergischen Landeselternbeirats. Diese Wechsel würden in beide Richtungen passieren, sagt Kölsch. Somit werde niemand gezwungen, an dem Versuch teilzunehmen. Belegbare Zahlen gebe es aber noch nicht. Zudem hätten die Elternbeiräte der Schulen dem Schulversuch im Vorfeld zustimmen müssen.
"Schule ohne Noten" - kein neues Konzept
Der Schulversuch sei nichts bahnbrechend Neues, so Kölsch. Einen ähnlichen Modellversuch gab es bereits ab 2013 in Baden-Württemberg. An zehn Grundschulen waren Kinder individuell und ohne Noten bewertet worden. Die damalige Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) hatte den Versuch aber 2017 eingestellt. Der Verband Bildung und Erziehung VBE und die Gewerkschaft GEW kritisierten damals die Entscheidung und forderten Eisenmann auf, den Modellversuch fortzusetzen.
Eltern und Lehrkräfte an einigen der betroffenen Modell-Grundschulen bedauerten 2017 das Aus des Modellversuchs - auch an der Paul-Hindemith-Grundschule in Freiburg, die zu den zehn Modellschulen zählte. Viele Eltern der rund 330 Grundschulkinder hatten dort die Lernentwicklungsgespräche als Bewertung der Leistungen ihrer Kinder schätzen gelernt. Die Schule in Freiburg startete sogar eine Petition, um zu erreichen, dass der Modellversuch "Grundschule ohne Noten" weitergeführt wird.
Auch die GEW in Baden-Württemberg konnte damals die Entscheidung Eisenmanns nicht nachvollziehen, da der Versuch für die Gewerkschaft ein Erfolg war. Laut GEW waren die Lehrerinnen und Lehrer damals von dem Versuch überzeugt. Auch die Rückmeldungen der Eltern seien positiv gewesen.
Kölsch glaubt, dass solche Versuche eine Bestrebung seien, das bestmögliche Schulsystem zu gestalten. Es werde versucht, moderne Bildungsansätze, die andernorts schon Erfolg zeigten, auch in Baden-Württemberg zu etablieren. Im Vergleich zum Modellversuch "Schule ohne Noten" werde "LLR" wissenschaftlich begleitet und sei detaillierter aufgebaut, zudem würden Eltern an der Evaluation beteiligt. "Nun hoffen wir mal, dass am Ende gute Ergebnisse herauskommen, in welche Richtung sie auch gehen mögen", meint Kölsch.
Trotz Blümchen-Bildern gehe es weiterhin um Leistung
Blümchen-Bilder als Bewertungssystem seien zwar sehr plakativ, so Kölsch, sie seien aber einfach ein gewähltes Bild zur Visualisierung des Lernfortschritts, das die Kinder sehr gut verstehen würden. Es gehe nicht darum, dass man die Kinder verweichlichen wolle, ganz im Gegenteil. Am Ende gehe es natürlich auch um Leistung. "Leistung muss aber nicht zwangsläufig in einem Eins-bis-Sechs-Notensystem bewertet werden. Auch Blümchen-Bilder sind leistungsbezogene Rückmeldung", so Kölsch. Und einen weiteren Vorteil habe der Schulversuch "Lernförderliche Leistungsrückmeldung in der Grundschule": Die Kinder wüssten viel genauer, was sie können - und was sie nicht können.
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