Vor zehn Jahren gab es schon mal einen Versuch für einen "Schulfrieden" in BW. Er scheiterte an der CDU, die damals in der Opposition war. Hat der neue Anlauf mehr Aussicht auf Erfolg?
Nach längerem Hin und Her gibt es bei der Suche nach einer parteiübergreifenden Bildungsallianz einen ersten Fortschritt. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hat die Fraktionschefs von CDU, Grünen, SPD und FDP nach SWR-Informationen zu einem Spitzentreffen eingeladen. Mit der AfD will man nicht sprechen.
Nach den Faschingsferien, am 23. Februar, sollen die Spitzenpolitiker im Neuen Schloss in Stuttgart mit Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne) über mögliche Schulreformen beraten. Hauptthema ist die geplante Wiedereinführung des neunjährigen Gymnasiums und die Folgen für das ohnehin stark verzweigte Schulsystem in BW.
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Nach ihren Fraktionsklausuren stellen mehrere Oppositionsparteien im Landtag von Baden-Württemberg Forderungen zur Bildungspolitik. Für die Grünen-Fraktion hat die Stärkung der Grundschulen absoluten Vorrang vor der Rückkehr zu G9.
Kretschmann mahnt: Ohne Vorbedingungen in Gespräche
Kretschmann schreibt in dem Brief, der dem SWR vorliegt, eine Bildungsallianz sei eine "große Chance" für Baden-Württemberg. Es sei ein "wertvolles Signal", dass die demokratischen Parteien bereit seien, daran mitzuwirken. Der Grünen-Politiker mahnt aber auch: "Wir müssen mit größtem Verantwortungsbewusstsein und Ernsthaftigkeit in diese Gespräche gehen." Es sei wichtig, "dass alle Akteure ohne Vorbedingungen in die Gespräche hineingehen und bereit sind, sich neuen Wegen zu öffnen".
Unterschiede zwischen Parteien sind groß
Wie groß die Chancen für eine zwei Jahre vor der Landtagswahl wirklich sind, bleibt abzuwarten. Vor allem Grüne und SPD dringen darauf, ein Zwei-Säulen-System einzuführen, mit Gymnasium und einer einzigen Sekundarstufe-1-Schule, in der Real- und Werkrealschulen zusammengeführt werden. CDU und FDP waren bisher strikt gegen eine solche Gemeinschaftsschule. CDU-Fraktionschef Manuel Hagel will aber ein "Update" des Schulsystems.
Die Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium (G9) gilt als gesetzt. Die grün-schwarze Koalition reagierte damit auf Druck aus der Bevölkerung, denn einen entsprechenden Volksantrag unterzeichneten mehr als 100.000 Menschen im Land. Auch ein eigens eingerichtetes Bürgerforum kam zu dem Schluss, dass das vor rund 20 Jahren in BW eingeführte achtjährige Gymnasium nicht mehr Standard bleiben dürfe - so wie in den meisten anderen Bundesländern.
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Die Landesregierung will ein modernes neunjähriges Gymnasium konzipieren. Eine Einführung schon im kommenden Schuljahr hält der Ministerpräsident aber für schwer vorstellbar.
SPD gab wieder Anstoß zu Gesprächen
Gut zwei Jahre vor der Landtagswahl gab die oppositionelle SPD im Landtag den Anstoß für eine parteiübergreifende Bildungsallianz, die einen längerfristigen Konsens über die Schulstrukturen finden soll. Schon vor zehn Jahren, als der heutige SPD-Fraktionschef Andreas Stoch noch Kultusminister war, gab es einen Versuch für Gespräche über einen "Schulfrieden". Damals verweigerte sich die CDU mit dem Argument, die grün-rote Regierung bevorzuge die neu eingeführte Gemeinschaftsschule und sei nicht wirklich gesprächsbereit.
BW ist in Bildungs-Ranglisten abgerutscht
Der neue Anlauf findet nun unter neuen Vorzeichen statt: Das einst so stolze Bildungsland Baden-Württemberg ist in den vergangenen Jahren in allen Rankings stark abgerutscht und landet nur noch im Mittelfeld der Bundesländer. Die grün-schwarze Regierung sieht sich deshalb unter Handlungsdruck, obwohl sie im Koalitionsvertrag vereinbart hat, wegen unterschiedlicher Positionen an den Schulstrukturen nichts zu ändern.
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Wegen schwacher Schülerleistungen und zurückhaltender Aussagen zu einer G9-Rückkehr ist die BW-Landesregierung in ein Kreuzfeuer der Kritik geraten. Eltern und Opposition sind unzufrieden.
Bildungspolitik gilt als vermintes Gelände, weil es oft in den Wahlkampf hineingezogen wird und Gewerkschaften, Eltern- und Schülerbeiräte mitreden wollen. Als Kultusministerin Schopper dann Gespräche mit den Bildungsexperten der Fraktionen anberaumte, lud FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke zu Gesprächen mit den anderen Fraktionsvorsitzenden ein - mit Ausnahme der AfD.
Rülke und SPD-Fraktionschef Stoch beschwerten sich, Schopper wolle "Beichtstuhlgespräche" mit den Bildungspolitikern führen. Über die politisch wichtige Frage eines Bildungskonsenses müsse aber auf höherer Ebene gesprochen werden. Nachdem Schopper nun mit allen Bildungsexperten - außer denen von der FDP - gesprochen hat, lud Kretschmann zu dem Spitzengespräch ein.
Kultusministerin Schopper: "Kein Spaziergang"
Die Kultusministerin dämpfte allerdings die Erwartungen. "Es ist nicht gesetzt, dass am Ende Unterschriften unter einem Papier stehen. Da darf man sich auch nicht vormachen, dass das ein Spaziergang wird", sagte die Grünen-Politikerin dem SWR. Sie setzt darauf, dass alle Beteiligten sich bewusst seien, dass es hier nicht um eine "Showveranstaltung" gehe, bei der manche ihr "Ausstiegsszenario" schon im Kopf hätten.
Sie nehme jedoch wahr, dass es überall eine Schulstrukturdebatte gebe, so Schopper. "Wir haben bei uns, sage ich mal, ein Stück weit einen Verhau." Um das langfristig aufzulösen, sei es nötig, dass alle lösungsorientiert in die Gespräche gehen. Es dürfe nicht so sein, dass jede und jeder sage, was sein "Lieblingspunkt" sei, an dem nichts vorbeigehe. "Wenn wir so anfangen, dann denke ich, kommen wir nur in den Wald."
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