Wegen schwacher Schülerleistungen und zurückhaltender Aussagen zu einer G9-Rückkehr ist die BW-Landesregierung in ein Kreuzfeuer der Kritik geraten. Eltern und Opposition sind unzufrieden.
Angesichts der zurückhaltenden Reaktion der baden-württembergischen Landesregierung auf die Empfehlung eines Bürgerforums für eine Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium (G9) nimmt die Kritik an der Bildungspolitik der grün-schwarzen Landesregierung zu. Enttäuscht zeigte sich die Elterninitiative für ein flächendeckendes neunjähriges Gymnasium über die Reaktion von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne). Dieser hatte am Dienstag auf einer Pressekonferenz einen Prozess zu einem neuen G9 angekündigt, der zuerst mit einer Expertenanhörung beginnen müsse.
Die Elterninitiative, die sich mit Unterschriftensammlungen für das Projekt monatelang stark gemacht hatte, kritisierte, dass die Landesregierung die Rückkehr zu G9 jetzt auf die lange Bank schiebe und zu sehr auf die Kosten schaue. Stattdessen fordern die Eltern eine schnelle Umsetzung ihres Gesetzentwurfs zu Gunsten der Schülerschaft. Die jetzigen Gymnasiasten litten unter enormem Druck und hätten mit den Nachwirkungen der Schulschließungen während der Corona-Pandemie zu kämpfen, hieß es. Die zusätzliche Lernzeit werde umgehend gebraucht, so die Forderung der Eltern.
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SPD: "Riesenproblem mit Bildungsgerechtigkeit"
Die Opposition im Landtag kritisierte unterdessen die Bildungspolitik der grün-schwarzen Landesregierung scharf und forderte ein größeres Engagement: "Dieses Land hat ein Riesenproblem mit Bildungsgerechtigkeit", kritisierte der bildungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Stefan Fulst-Blei. Zahlreiche Kinder verfehlten Mindeststandards im Lesen, Schreiben und Rechnen, der Bildungserfolg sei massiv von der sozialen Herkunft abhängig. "Wer darf die Suppe auslöffeln? Das sind gerade diejenigen, deren Eltern nicht über die notwendigen Mittel verfügen, Nachhilfe zu ermöglichen", so Fulst-Blei. Bildungspolitik müsse deswegen ganz nach oben auf die Prioritätenliste der Regierung.
Schwache Ergebnisse bei Bildungsstudien
In den jüngsten Bildungsstudien hatten die Schülerinnen und Schüler in den vergangenen Jahren schlecht abgeschnitten. 2022 hatte der IQB-Bildungstrend massive Defizite in den Grundschulen in Baden-Württemberg aufgezeigt, im Herbst zeigte die Studie, dass 28,7 Prozent der Neuntklässler im Land an den Mindeststandards beim Lesen und 32,3 Prozent beim Hörverständnis scheiterten.
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FDP: "Völlig verfehlte Bildungspolitik"
Der FDP-Bildungsexperte Timm Kern warf der Regierung eine "völlig verfehlte Bildungspolitik" vor. "Wenn wir den Wohlstand in unserem Land halten wollen, dann können wir uns kein zweitklassiges Bildungssystem leisten", sagte Kern - jedoch ohne konkrete Forderungen an die Landesregierung zu richten.
Der AfD-Abgeordnete Rainer Balzer sieht den hohen Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund als Grund für die Bildungsmisere. Im Namen seiner Fraktion forderte er Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Kultusministerin Theresa Schopper (beide Grüne) zum Rücktritt auf.
BW-Kultusministerin verspricht Förderung
Kultusministerin Schopper wies die Kritik zurück. "Man darf nicht so tun, als wäre hier alles in einem prekären Zustand", sagte sie. Man sei bereits auf einem guten Weg und schaue bei den Problemen genau hin. Man werde etwa beim Übergang vom Kindergarten zur Schule Einrichtungen schaffen für die Kinder, die wegen mangelnder Sprachkenntnisse noch nicht schulfähig seien. Zudem habe das Land einen sogenannten Sozialindex geschaffen und zusätzliches entlastendes Personal wie pädagogische Assistenten und Freiwilligendienstleistende aufgestockt. Ziel sei es, den Bildungserfolg mit Hilfe von frühkindlicher Sprachförderung von der Herkunft abzukoppeln. Auch die schlechten Pisa-Ergebnisse an Gymnasien werde man in dem geplanten neuen G9-Modell berücksichtigen.
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