Bürger fahren nach Stuttgart, um zu protestieren

Schließung von Notfallpraxen: Ettlingen ist enttäuscht, Calw atmet auf

In Baden-Württemberg sollen 18 Notfallpraxen schließen, darunter auch die in Ettlingen. Die Pläne wurden in Stuttgart offiziell vorgestellt. Der Standort in Calw wird demnach doch nicht geschlossen.

Die Notfallpraxen in Ettlingen und an 17 anderen Standorten in Baden-Württemberg sollen geschlossen werden. Das hat die Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg (KVBW) am Montag in Stuttgart bekanntgegeben. Damit soll es künftig noch 57 allgemeine Notfallpraxen in Baden-Württemberg geben.

Oberbürgermeister von Ettlingen will Entscheidung nicht hinnehmen

Ettlingens Oberbürgermeister Johannes Arnold (Freie Wähler) zeigte sich enttäuscht von der Entscheidung und kritisierte das Vorgehen der KVBW. "Wir geben nicht auf", sagte er dem SWR. Er war gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern am Montag nach Stuttgart gefahren, um nochmal gegen die Pläne zu protestieren.

Notfallpraxis in Calw soll doch geöffnet bleiben

Auch aus Calw waren Bürgerinnen und Bürger nach Stuttgart gekommen. Beim Calwer Oberbürgermeister Florian Kling (SPD) herrscht teilweise Erleichterung. Die Notfallpraxis in Calw wird laut KVBW doch nicht geschlossen. Zunächst war auch dort eine Schließung befürchtet worden.

Dafür soll der Standort in Nagold wegfallen. "Das zeigt den Kindergarten, den die KVBW veranstaltet", so Kling. Seiner Meinung nach müssten beide Standorte erhalten bleiben.

Baden-Württemberg

Breiter Protest gegen Schließungen 18 weitere Notfallpraxen in BW schließen: Diese Standorte sind betroffen

Die Kassenärztliche Vereinigung BW hat am Montag ihre Pläne für den ärztlichen Bereitschaftsdienst vorgestellt. Ab April 2025 sollen 18 Notfallpraxen schrittweise geschlossen werden.

Kassenärztliche Vereinigung hält dagegen

Die stellvertretende Vorsitzende der KVBW Doris Reinhardt sprach davon, dass sich der Bereitschaftsdienst damit "qualitativ hochwertig" aufstellen werde. 95 Prozent der Menschen sollen nach den Plänen der KVBW eine Notfallpraxis in maximal 30 Autominuten erreichen können. Alle anderen sollen maximal 45 Minuten fahren müssen.

Zudem sei vorgesehen, dass es nur noch Standorte in Verbindung mit einem Krankenhaus mit Notaufnahme gebe. Notfallpraxen öffnen vor allem dann, wenn andere Arztpraxen geschlossen haben, zum Beispiel spät abends oder am Wochenende.

Für diesen Plan hat die KVBW auch Unterstützung vom Hausärzteverband Baden-Württemberg und vom Spitzenverband der Fachärztlichen Berufsverbände Baden-Württemberg bekommen. Sie argumentieren, dass Ärzte immer mehr Bereitschaftsdienste übernehmen müssten. Die Reform entlaste die niedergelassenen Ärzte.

Landesweite Kritik

Es gibt aber auch Gegner der Reform. Von Bürgermeistern, Landräten und aus der Bevölkerung kam deutliche Kritik an der KVBW, aber auch an Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne).

Baden-Württemberg

Minister Lucha hält Pläne für rechtens Schließung von Notfallpraxen in BW: Bürgermeister wehren sich - Ärzte fordern Notfall-Gipfel

In einem Brief an BW-Gesundheitsminister Lucha wehren sich Bürgermeister gegen die Schließung der Notfallpraxen. Der Marburger Bund fordert nun einen Austausch aller Beteiligten.

Im Gespräch mit dem SWR bezeichnete Kling die Pläne der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg am Freitag als eine "absolute Frechheit". Das Vorgehen der KVBW entbehre jeder demokratischen Grundlage. Die Politik werde einfach ignoriert, so Kling.

Enttäuscht äußerte sich der Oberbürgermeister auch über die Haltung von Baden-Württembergs Gesundheitsminister Lucha. Es sei sehr wohl Aufgabe der Gerichte, die Absichten der Kassenärztlichen Vereinigung zu überprüfen. Dafür seien Gerichte doch da, so Kling. Auch der Calwer OB bezweifelt, dass die KVBW ihrem gesetzlichen Versorgungsauftrag noch gerecht wird.

Landräte: Wird die KV ihrem Auftrag noch gerecht?

Auch 18 Landräte aus ganz Baden-Württemberg hatten einen gemeinsamen Protestappell an das Sozialministerium und an Minister Lucha gerichtet. Die Landräte meldeten grundsätzliche Zweifel daran an, dass die KVBW überhaupt noch ihrem gesetzlichen Auftrag zur Sicherstellung der ambulanten Notfallversorgung nachkommt.

Die zweite Streichrunde innerhalb eines Jahres sei der falsche Weg und stelle eine unkoordinierte Schwächung der Versorgung dar, heißt es in dem Schreiben der Landräte an Minister Lucha.

Medizinische Versorgung auf dem Land in Gefahr? Weiter Kritik an geplanten Schließungen von Notfallpraxen in BW

Baden-Württembergs Minister für den ländlichen Raum, Peter Hauk, sieht die medizinische Versorgung auf dem Land gefährdet. Er fordert Gesundheitsminister Lucha zum Handeln auf.

Die KVBW beziehe die Auswirkungen ihrer Maßnahmen auf die Notaufnahmen der Krankenhäuser und auf die Rettungsdienste nicht in ihre Überlegungen ein. Darüber hinaus würden Entscheidungen getroffen, ohne die für die Notfallversorgung mitverantwortliche Politik vor Ort zu beteiligen.

Anstelle einer immer weiter gehenden Ausdünnung müsse das Ziel eine sinnvolle Weiterentwicklung der ambulanten Notfallversorgung sein, schreiben die Landräte. Der Brief ist unter anderem vom Karlsruher Landrat Christoph Schnaudiegel, dem Enzkreis-Landrat Bastian Rosenau und von Landrat Helmut Riegger aus dem Landkreis Calw unterzeichnet.

Mehr zum Thema Notfallpraxen

Baden-Württemberg

Gesundheitspolitiker befürchten Überlastung der Kliniken Notfallversorgung in BW: Weitere Notfallpraxen sollen geschlossen werden

Bereits im vergangenen Jahr wurden mehrere Notfallpraxen geschlossen. Nun ist die Schließung von 17 weiteren geplant. Gesundheitspolitiker befürchten überlastete Notaufnahmen.

SWR1 Baden-Württemberg SWR1 Baden-Württemberg

Medizinische Versorgung auf dem Land in Gefahr? Weiter Kritik an geplanten Schließungen von Notfallpraxen in BW

Baden-Württembergs Minister für den ländlichen Raum, Peter Hauk, sieht die medizinische Versorgung auf dem Land gefährdet. Er fordert Gesundheitsminister Lucha zum Handeln auf.

Baden-Württemberg

Minister Lucha hält Pläne für rechtens Schließung von Notfallpraxen in BW: Bürgermeister wehren sich - Ärzte fordern Notfall-Gipfel

In einem Brief an BW-Gesundheitsminister Lucha wehren sich Bürgermeister gegen die Schließung der Notfallpraxen. Der Marburger Bund fordert nun einen Austausch aller Beteiligten.

Mehr von SWR Aktuell Baden-Württemberg

Baden-Württemberg

Die wichtigsten News direkt aufs Handy SWR Aktuell Baden-Württemberg ist jetzt auch auf WhatsApp

Der WhatsApp-Kanal von SWR Aktuell bietet die wichtigsten Nachrichten aus Baden-Württemberg, kompakt und abwechslungsreich. So funktioniert er - und so können Sie ihn abonnieren.

Baden-Württemberg

SWR Aktuell - der Morgen in Baden-Württemberg Jetzt abonnieren: Newsletter mit BW-Nachrichten am Morgen!

Sie wollen morgens auf dem neuesten Stand sein? Dann abonnieren Sie "SWR Aktuell - der Morgen in BW". Die News aus Ihrem Bundesland ganz bequem in Ihrem Mailpostfach.

Reportagen, Shorts und Erklärvideos SWR Aktuell nun mit eigenem YouTube-Kanal am Start

Ab sofort ist SWR Aktuell auch bei YouTube mit einem eigenen Kanal zu finden. Damit ist die Nachrichtenmarke des SWR künftig neben Instagram und Facebook auch auf der wichtigsten Nachrichtenplattform präsent.