Gewalttaten wie in Albstadt können Polizistinnen und Polizisten schwer belasten. Der Polizeipsychologe Knut Latscha erzählt, was bei der Bewältigung von Krisen und Traumata hilft.
Die Polizei in BW wird immer wieder mit brutalen Szenarien und Mordfällen konfrontiert. So kann auch die Gewalttat in Albstadt erfahrene Einsatzkräfte an die Grenzen dessen bringen, was sie verarbeiten können.
So bereiten sich Polizisten auf Gewalt und Tod vor
Bereits in der Ausbildung und Studium erhalten die angehenden Polizistinnen und Polizisten Einsatztraining und sprechen mit psychologischen Fachkräften über Gewalt und Tod. Das Ziel dabei ist, sich im Vorhinein gedanklich in Gewaltsituationen reinzuversetzen, bevor die Polizisten dem real ausgesetzt sind, wie der Polizeipsychologe und Psychotherapeut Knut Latscha im Gespräch mit dem SWR berichtet. Als Professor an der Polizeihochschule Villingen-Schwenningen bildet er den Polizeinachwuchs aus.
Polizeipsychologe Knut Latscha dazu, wie man sich als Polizist auf das Ankommen am Einsatzort gedanklich vorbereitet:
Polizeipsychologe Latscha beschreibt, wie sich die Polizei noch während der Autofahrt auf das Ankommen am Tatort gedanklich vorbereitet und einem traumatisierenden Ereignis vorzubeugen versucht: "Wir stellen uns das Schlimmste vor, was am Einsatzort passieren könnte, und das, was am wenigsten schlimm ist. Irgendwo mittendrin wird es sein." Denn die Realität sieht immer anders aus, als man sie übungsweise simuliert.
Latscha spricht deshalb bereits mit den angehenden Polizistinnen und Polizisten im Dialog vorbeugend darüber, was sie alles auf Streife erwarten kann. Der Psychotherapeut weiß: "Ich bin dann hilflos, wenn ich keine Bewältigungsstrategie habe." Deshalb sollen Polizeikräfte bereits vorab um die entsprechenden Strategien wissen, um das Gesehene anschließend verarbeiten zu können.
Höheres Risiko für Traumata bei der Polizei
Trotz aller Vorbereitung und Training können manche Studierende das Erlebte nicht verarbeiten und brechen die Polizeikarriere ab. Von ungefähr 1.100 Studierenden betrifft das im Schnitt ein Prozent, so Latscha. Tatsächlich haben Polizistinnen und Polizisten ein zwei- bis dreifach höheres Risiko für die Entwicklung traumatischer Belastungsstörungen als der Durchschnittsbürger. Angesichts der zahlreichen Extrem- und Gewaltsituationen, denen die Polizei ausgesetzt ist, ist das dennoch vergleichsweise gering.
Der Psychotherapeut Latscha blickt auf Statistiken seiner Promotion und Datenerhebungen von Kollegen. Die Werte wurden in Baden-Württemberg und Bayern zu jährlich einmalig gemessenen Zeitpunkten erhoben: Von 2005 bis 2023 schwankt unter Bürgern in BW und Bayern der Anteil an Menschen mit traumatischen Belastungsstörungen zwischen zwei und drei Prozent. Bei Polizistinnen und Polizisten beträgt der Anteil mit vier bis neun Prozent dementsprechend das Zwei- bis Dreifache.
Wie Einsatzkräften geholfen wird
Wenn Einsatzkräfte mit einer Gewalttat, Mord oder Totschlag konfrontiert werden, sollten innerhalb der nächsten 24 Stunden psychosoziale Ansprechpartner im Revier vorbeigeschickt werden, so Latscha. Auch bei den Rettungsdiensten gibt es eine psychosoziale Notfallversorgung. Die Pressesprecherin der Malteser der Diözese Rottenburg-Stuttgart, Claudia Frenzel, ergänzt, dass das Aufwühlende eigentlich nicht das Einsatzgeschehen, sondern die Projektion auf einen selbst sei. Das schwer zu Verarbeitende zeige sich daran, wenn Einsatzkräfte damit beginnen sich zu fragen "Was wäre, wenn mir so etwas passiert? Wie wäre es, wenn ich ein Familienmitglied auf diesem Wege verlieren würde?".
Mangel an Therapieangeboten bei der Polizei
Psychosoziale Ansprechpartner sind in Krisenprävention geschult, bieten Nachsorgegespräche an und helfen unmittelbar beim Verarbeiten des Erlebten. In der Regel begleiten sie die Einsatzkräfte bei der Polizei für drei bis vier Wochen auf freiwilliger Basis. Denn für ein Beratungsgespräch sei "das Wichtigste die Bereitschaft" der Menschen selbst, sagt der Polizeipsychologe Latscha. Jeder könne selbst entscheiden, ob er das Gesprächsangebot annehmen wolle.
Darüber hinaus gebe es auch die Möglichkeit der polizeilichen Traumaambulanz oder Therapie. Bei der therapeutischen Aufarbeitung, die Latscha selbst mit acht Stunden pro Woche anbietet, werden 24 Sitzungen veranschlagt. Im Schnitt bleibt es aber in der Regel bei zehn bis zwölf Sitzungen pro Person. Doch auch an Polizeipsychotherapeuten herrscht wie an regulären Psychotherapeuten Mangel. Die Therapieplätze sind so voll, dass suchende Polizisten lange warten müssen, so Latscha.
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