Ein Mann aus Albstadt-Lautlingen (Zollernalbkreis) hat wohl mehrere Familienmitglieder und sich selbst erschossen. Die Polizei ermittelt zu den Hintergründen und spricht von Suizid.
Am Tag nach den tödlichen Schüssen in Albstadt-Lautlingen versucht die Polizei die genauen Umstände zu klären. Die Menschen sind fassungslos und haben sich in ihre Häuser zurückgezogen, sagte der Ortsvorsteher Holger Mayer dem SWR. "Man kann die Situation gar nicht begreifen", so Mayer. Man denke immer, das sei alles so weit weg - "plötzlich ist die Situation vor der eigenen Haustüre."
Fassungslosigkeit nach tödlichen Schüssen in Albstadt-Lautlingen
Niemand habe sich vorstellen können, dass so etwas passiert, zeigte sich Albstadts Oberbürgermeister Roland Tralmer (CDU) im SWR betroffen. Die Familie sei sozial integriert gewesen und hätte viele Kontakte nach außen gehabt. Es herrsche Fassungslosigkeit und Unverständnis, so Tralmer. Der 57-Jährige betonte, dass Betroffenen Hilfsangebote geschaffen wurden.
Hilfen für Angehörige, Anwohner und Betroffene
Am Montagabend nutzten laut Stadtverwaltung 15 der direkten Anwohnerinnen und Anwohner der Familie das "Akut-Hilfsangebot" von Stadt, Polizei und der Notfallseelsorge des Deutschen Roten Kreuzes und der Kirchen - um zusammenzukommen und über das Geschehene zu sprechen. Wer individuelle Gespräche ganz diskret führen möchte, kann jederzeit die integrierte Leitstelle über 19 222 anrufen: Die Seelsorger kommen dann zu einem nach Hause. Laut einer Anwohnerin hat die Polizei Betroffenen geraten, sich nicht öffentlich zu dem Fall zu äußern.
Ein 63-jähriger Mann hatte am Sonntag in Albstadt-Lautlingen seine 84-jährige Schwiegermutter, seinen 24-jährigen Sohn und sich selbst erschossen. Auch die 26-jährige Tochter und die 59-jährige Frau des mutmaßlichen Täters wurden mit Schussverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert. Beide sind schwer verletzt und werden weiterhin behandelt, wie die Polizei am Montag mitteilte. Der Schütze wurde von den Einsatzkräften tot im Garten des Hauses gefunden. Laut Polizei hat er sich nach derzeitigem Kenntnisstand mit einer Schusswaffe selbst tödliche Verletzungen zugefügt.
Schüsse in Albstadt-Lautlingen: Frau und Tochter sind wichtige Zeugen
Der 63-jährige Familienvater sei nicht vorbestraft gewesen, sagte Staatsanwalt Ronny Stengel dem SWR am Montag. Die beiden schwerverletzten Frauen - Ehefrau und Tochter - werden entscheidend für die Aufklärung des Tatherganges und des Motivs sein, sobald sie vernommen werden können. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass sie gesehen haben, was passiert ist.
Nach dem Tötungsdelikt ermitteln die Staatsanwaltschaft Hechingen und das Kriminalkommissariat Balingen, um die Hintergründe der Tat aufzuklären. Gegen 12:30 Uhr hatten am Sonntag mehrere Anwohner in Lautlingen über Notruf Schüsse im Bereich eines Privatgrundstücks gemeldet.
Hat der Hobbyjäger die Waffen legal besessen?
Hinweise auf eine Beteiligung weiterer Personen lagen der Polizei am Montag nicht vor. Die Kriminalpolizei ermittelt, wie sich die Tat abgespielt hat und warum der Schütze auf seine Familienmitglieder geschossen hat.
Ob bei der Tat eine oder mehrere Schusswaffen verwendet wurden, und ob der 63-Jährige sie als Hobbyjäger legal besessen hat, klärt die Polizei ebenfalls. Dass der Fall vor Gericht landen wird, davon ist laut Staatsanwaltschaft im Moment nicht auszugehen. Der mutmaßliche Täter sei tot und nach jetzigem Kenntnisstand sei niemand Weiteres an der Tat beteiligt gewesen.
Der 24-jährige getötete Sohn war in der FDP politisch aktiv. Der Landesvorsitzende der FDP, Michael Theurer, reagierte in einer Pressemitteilung bestürzt. "Nach einer schweren Gewalttat in Albstadt-Lautlingen am vergangenen Sonntag trauert die FDP Baden-Württemberg um ihren verstorbenen Parteifreund [...] Mit ihm verlieren wir in erster Linie einen loyalen Freund."
Jutizministerin Gentges nach Tat in Albstadt: Nicht alle Jäger unter Generalverdacht stellen
Auch Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) hat sich zu den Vorfällen in Albstadt-Lautlingen geäußert und von einer Tragödie gesprochen. Die CDU-Politikerin hält aber nichts von einer Verschärfung des Waffenrechts. Sie warnte davor, nun alle Jäger unter Generalverdacht zu stellen, weil der Täter ein Hobbyjäger war.
Die allermeisten Jäger und Sportschützen gingen sehr sorgfältig mit ihren Waffen um, so Gentges im SWR. Vor der Ausgabe eines Waffenscheins gebe es intensive Tests, ob jemand zum Waffentragen geeignet sei. Danach werde regelmäßig kontrolliert, ob die Waffen richtig aufbewahrt werden.
Sollte etwas strafrechtlich gegen einen Jäger vorliegen, könne das Landratsamt gegen ihn vorgehen, sagte der Leiter des Ordnungsamts des Zollernalbkreises, Christoph Foth, dem SWR. Das sei bei dem 63-Jährigen aber nicht der Fall gewesen. "Für uns als Behörde ist es natürlich immer der Worst Case wenn so etwas passiert. Aber von unserer Seite hat es überhaupt keine Anzeichen oder Auffälligkeiten gegeben."
Nach Ereignissen in Albstadt: Diskussion um Besitz von Waffen
Der Landesjagdverband Baden-Württemberg hat bereits am Sonntag ein Statement zu den Ereignissen in Albstadt-Lautlingen veröffentlicht: "Die Ereignisse in Albstadt-Lautlingen, Baden-Württemberg, machen uns fassungslos. Nach Medienberichten soll es sich um eine Beziehungstat eines Jägers handeln. Mehr Erkenntnisse liegen uns derzeit nicht vor. Jetzt gilt es, die Untersuchungsergebnisse der ermittelnden Behörden abzuwarten. Spekulationen verbieten sich angesichts der menschlichen Tragödie. Unser tiefes Mitgefühl gilt den Angehörigen."
Am Montag konkretisierte der Verband gegenüber dem SWR seine Ansichten. Wer als Jäger über Waffen verfüge, unterliege schon jetzt strengen Auflagen. "Alle ein bis drei Jahre müssen wir einen Jagdschein verlängern oder eben beantragen. Und da hat die Behörde die Möglichkeit, bei Verdacht oder Bedarf, Gutachten einzufordern, und hat dann die Möglichkeit auch, die Verlängerung zu versagen", so René Greiner vom Landesjagdverband.
Allerdings braucht es in der Regel einen Anlass, damit Behörden auf problematische Waffenbesitzer aufmerksam werden. Anlasslos wird lediglich kontrolliert, ob die Waffen sicher verwahrt werden. Allerdings geschieht das laut SWR-Recherchen wegen der dünnen Personaldecke bei vielen Behörden sehr selten. Das beste Gesetz nutze nichts, wenn es nicht auch kontrolliert werde, so Greiner: "Die Behörden und in der letzten Konsequenz auch die Politik muss dafür Sorge tragen, dass die bestehenden Regelungen auch kontrolliert werden können." Eine Anfrage des SWR, ob die Kontrollen ausreichen würden, hat das Innenministerium am Montag nicht beantwortet.