Nach Jahren mit hohem Wählerzuspruch haben die baden-württembergischen Grünen jüngst bei den Kommunal- und Europawahlen einen herben Dämpfer erlitten. Was aber sind die Gründe? Ein Ex-Grünen-Wähler erklärt sie.
Baden-Württemberg galt mit dem einzigen grünen Ministerpräsidenten in Deutschland lange als Hochburg der Grünen. Seit den Kommunal- und Europawahlen Ende Juni hat sich das geändert. Vor allem auf dem Land hat die Partei viele Stimmen einbüßen müssen. Einige Mitglieder verlassen sogar die Partei, zuletzt die Mannheimer Bundestagsabgeordnete Melis Sekmen. Die große Frage nun: Werden die Grünen bei der nächsten Landtagswahl 2026 wieder in Regierungsverantwortung kommen?
Frust und Enttäuschung bei Grünen-Stammwählern
Ein Beispiel zeigt, wie die Grünen derzeit ihre Gefolgschaft verlieren. Helmut Fimpel war jahrzehntelang Wähler der Grünen und verbringt gerne Zeit in seinem Garten. Selbst bei rund 25 Grad harkt er schwitzend sein Kartoffelfeld im oberschwäbischen Wolfegg (Landkreis Ravensburg). Fimpel liebt die Natur. Der 73-Jährige engagiert sich für Naturschutz, hat eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und fährt E-Auto. 20 Jahre war für ihn klar, wen er wählt: die Grünen. Jetzt ist damit Schluss.
"Mit der Politik, die die Grünen betreiben, haben sie nichts Besseres verdient, als abgestraft zu werden. Und meine Stimme hat Gott sei Dank dazu beigetragen. Pure Enttäuschung und Frust hat sich in diesen Wahlen niedergeschlagen", sagt Fimpel in der SWR-Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg".
Grünen-Wähler wendet sich nach 20 Jahren ab
Die Grünen wollen nach Ansicht von Fimpel die Städterinnen und Städter für sich gewinnen. Wenn sie etwas forderten, bekämen sie es. Das Land müsse liefern - etwa bei Lebensmitteln oder grünem Strom. Ob aber die Bauern noch über die Runden kämen oder die Windräder mitten im Wald aufgestellt würden, interessiere scheinbar niemanden.
Seit Jahren kämpft Fimpel gegen Windräder, die nur ein paar Kilometer entfernt im Altdorfer Wald aufgestellt werden sollen. Dadurch würde zu viel Natur zerstört, es würden Wasserquellen gefährdet, Vogelarten verschwinden, meint Fimpel. Grüne Politik sieht für ihn anders aus. "Ich bin so enttäuscht", sagt der 73-Jährige. Auch andere grüne Positionen sieht Fimpel kritisch. Die Partei gebe ihm zu viel Geld aus, sei ideologisch festgefahren und fürs Gendern fühle er sich zu alt, sagt Fimpel. "Ich werde die nicht mehr wählen. Es gibt für mich kein Zurück mehr."
Zuletzt haben die Grünen bei den Wahlen in Baden-Württemberg vor allem auf dem Land Stimmen verloren. So büßten sie bei der Europawahl 9,5 Prozentpunkte ein. Bei der Kommunalwahl konnte die Partei immerhin ihre Mehrheit in Uni-Städten wie Freiburg oder Tübingen halten. Auf dem Land sieht es allerdings anders aus. In fast allen der 44 Stadt- und Landkreise haben sie entweder Stimmen verloren oder sie verteidigt – während die AfD fast überall dazu gewonnen hat.
Grüne verlieren Stimmen auf dem Land, AfD gewinnt
Bei Helmut Fimpel in Wolfegg haben die Grünen bei der Europawahl 11 Prozent verloren - und sich damit halbiert. Die AfD hat die meisten Stimmen dazugewonnen. Für Fimpel keine Option. Sein Kreuz hat er nun - wenn auch widerwillig - bei der CDU gemacht. "Die CDU, das ist auch ein lahmer Verein, aber bei denen kann ich wenigstens meine Meinung noch äußern und werde nicht gleich in eine rechte Ecke gestellt wie bei den Grünen". erklärt der 73-Jährige. Fimpel glaubt nicht, dass die CDU seine Partei bleibe. Aber er müsse sich neu orientieren.
Nicht nur Wählerinnen und Wähler wie Fimpel haben sich von den Grünen abgewandt. Neben der Kernwählerschaft gab es in Baden-Württemberg auch eine Bundestagsabgeordnete, die den Grünen den Rücken gekehrt und sich zur CDU orientiert hat. Melis Sekmen hatte Anfang Juli bekanntgegeben, zur Unionsfraktion zu wechseln. Einen solchen Wechsel gab es zuletzt 1996. Nun hat sie der CDU-Kreisverband Mannheim aufgenommen.
Haben die Grünen in BW eine Zukunft?
In Baden-Württemberg findet offenbar eine politische Neuorientierung statt. Hier gab es in den 90er Jahren die ersten grünen Bürgermeister - und 1996 in Konstanz mit Horst Frank den wohl ersten grünen Oberbürgermeister. Als erster und bisher einziger grüner Ministerpräsident kam Winfried Kretschmann 2011 ins Amt, damals noch in einer Koalition mit der SPD. Damals wählten ihn rund 24 Prozent der Baden-Württemberger. Bei der letzten Landtagswahl 2021 waren es sogar 32 Prozent der Stimmen. Warum ist die Stimmung der Wählerinnen und Wähler nun gekippt?
"Die grünen Themen in Baden-Württemberg werden von bundespolitischen Themen wie dem Krieg in der Ukraine überschattet", erklärt Michael Wehner von der Landeszentrale für politische Bildung. Er empfiehlt einen Generationenwechsel- und zwar noch vor der Landtagswahl. So wie er im Nachbarbundesland Rheinland-Pfalz von Malu Dreyer vollzogen worden sei. Dann hätte Baden-Württemberg eine Chance auf eine Zukunft mit ökologischem Schwerpunkt. Noch sei vieles möglich. "Wir stehen jetzt knapp zwei Jahre vor der Landtagswahl. Da kann sich viel verändern für die Grünen."
Wenn es nach Helmut Fimpel gehen würde, gäbe es in der nächsten Legislaturperiode weder im Bund noch in Baden-Württemberg eine Regierungskoalition mit den Grünen. "Sie spalten das Land in Stadt und Land. Das ist die Konsequenz der Politik der Grünen. Und wenn es so weit kommt, dann hat eine Partei nichts mehr in der Regierungsverantwortung verloren."
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