Prof. Frank Brettschneider ist Kommunikationswissenschaftler an der Uni Hohenheim. Er blickt am Tag nach den Kommunal- und Europawahlen in Baden-Württemberg auf die Ergebnisse und analysiert den Wahlausgang.
Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim ist in SWR1 der Mann der Zahlen und Zusammenhänge: Dem Kommunikationswissenschaftler geht es vor allen Dingen um die Verständlichkeit der Politik. Mit Blick auf die Europawahl 2024 bemängelte er schon vorab, dass die Programme der Parteien für Wähler:innen kaum zu verstehen seien, zu viel Fachsprache und zu wenig Erklärung. Hatte das Auswirkungen auf Kommunalwahl und Europawahl?
Baden-Württemberg hat gewählt Alles zur Kommunalwahl mit Wahlergebnisportal
Hier findet ihr alles, was für euch wichtig ist zur Kommunalwahl am 9. Juni 2024 in Baden-Württemberg. Ratgeber, aktuelle Informationen, Hintergründe und Ergebnisse.
SPD: Probleme bei Kanzler Scholz und auf Bundesebene
Das schlechte Ergebnis der SPD sei die Bundespartei verantwortlich und nicht so sehr die Wahlkämpfer:innen vor Ort und auch nicht einzelne Persönlichkeiten wie Verteidigungsminister Boris Pistorius oder Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil, so Brettschneiders Analyse. Die hätten immer noch großen Rückhalt bei den Wähler:innen.
Die Diskussion um die Zukunft von Olaf Scholz als Bundeskanzler sei schon lange "durch viele SPD-Gänge gehuscht". Sie werde sich zuspitzen – es sei denn, Scholz ändere sich. Davon sei aber mit der Erfahrung der letzten Jahre nicht auszugehen, so Brettschneider.
Ampelregierung: Schwäche von SPD, Grünen und FDP gut für die CDU
Den Erfolg der CDU führt Frank Brettschneider auf die Schwäche der Ampelregierung zurück. Aber:
Deshalb sei seiner Meinung auch die Forderung, dass Olaf Scholz die Vertrauensfrage stellen solle, vor allem sehr kurzfristig gedacht: Es sei ein kleiner kommunikativer Vorteil im "Alltags-Scharmützel mit dem politischen Konkurrenten", aber noch kein Lösungsansatz. "Ich brauche eine neue Mehrheit, wenn ich die bestehende Regierung ablösen will", sagt Brettschneider und fragt gleichzeitig, woher diese Mehrheit denn kommen solle.
Die Grünen in Baden-Württemberg als Vorbild für die Bundespartei
Das schlechte Abschneiden der Grünen erklärt Brettschneider mit dem "schwierigen thematischen Umfeld". "Klima" sei nur auf Platz vier der wichtigsten Themen gewesen, dazu die Diskussion um das Klimaschutzgesetz, bei dem Vizekanzler Robert Habeck "große Fehler in Substanz und handwerklicher Güte" gemacht habe. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sei ein Beispiel, wie es anders hätte laufen können.
Kretschmann sei durch sein "Brückenbauen" ein Vorbild für die Bundes-Grünen. Man könne noch so gute Positionen haben, aber die ließen sich nicht mit der Brechstange durchsetzen, "sondern man braucht Kooperationspartner vor allem im konservativen Lager". Damit täten sich die Grünen auf Bundesebene noch extrem schwer.
Wahlanalyse Ergebnisse der Europawahl in BW: Geht die Ära der Grünen zu Ende?
Die Grünen sind der große Verlierer der Europawahl, von ihrer Schwäche kann die CDU kaum profitieren. Die Gewinnerin ist die AfD - läuft die Zeit der Grünen in BW ab? Eine Analyse.
AfD hätte ein deutlich besseres Ergebnis erreichen können
Die AfD spricht laut Brettschneider zwei Gruppen von Wähler:innen an: die, die der Eliten-Kritik und den populistischen Erzählungen der Partei anhängen sowie die Protest-Wähler:innen. Die AfD profitiere von der Unzufriedenheit in vielen Bereichen und schüre diese teilweise auch noch. Der von der AfD postulierte "Volkswille, dem wir zum Durchbruch verhelfen" - den es laut Brettschneider wegen unserer pluralistischen Gesellschaft in Wirklichkeit gar nicht gebe - würde bei dieser Gruppe verfangen und einen Teil des Erfolgs ausmachen.
Baden-Württemberg hat gewählt Alles zur Europawahl mit Wahlergebnisportal
Das multimediale Angebot des SWR zur Europawahl am 9. Juni 2024 in Baden-Württemberg. Aktuelle Informationen, Hintergründe und Ergebnisse.
Linke verlieren auch durch das Bündnis Sahra Wagenknecht
Frank Brettschneiders Analyse der Wahlergebnisse von Links-Partei und BSW ist indirekt auch mit dem Erfolg der AfD verknüpft.
Der Erfolg des Bündnis' Sahra Wagenknecht begründe sich zum einen auf deren starke Persönlichkeit und zum anderen, dass Wagenknecht ähnliche Ressentiments und teils ähnliche Themen wie die AfD anspreche, wie das Verhalten gegenüber Russland und die Kritik an großen Unternehmen.
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Zwei Stunden Zeit für ein Gespräch mit Menschen, die im Mittelpunkt stehen, die Herausragendes leisten oder einfach eine spannende Lebensgeschichte haben.