Wahlanalyse

Kommunalwahl in BW: Rechtsruck in den Kommunalparlamenten

Stand
Autor/in
Simone Steffan

Der Ausgang der Kommunalwahlen ergibt ein ähnliches Bild wie bei der Europawahl im Land: Die Grünen fahren Verluste ein. Die CDU, vor allem aber die AfD, legen zu.

Bei der Kommunalwahl in Baden-Württemberg haben CDU und AfD nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis dazu gewonnen, die Grünen verbuchen leichte Verluste. Die CDU liegt mit insgesamt 24,2 Prozent vorne. Die AfD landet nach SPD, Grünen und FDP auf Platz fünf, kann sich mit 4,2 Prozent aber fast verdoppeln. Die meisten Stimmen in den Gemeinderäten entfallen wie schon bei der Wahl vor fünf Jahren mit 36,9 Prozent auf die Wählervereinigungen. Sie verbuchen ein Minus von 2,3 Punkten.

Endergebnis (vorläufig), Kommunalwahl in Baden-Württemberg 2024, in % | CDU 24,2 (+1,4) | Grüne 11,5 (-1,4) | SPD 11,9 (-1,5) | FDP 3,6 (-0,3) | AfD 4,2 (+2,3) | WV 36,9 (-2,3) | Andere 7,6 (+1,7) | Infratest-dimap. 14.06.2024, 14:51 Uhr
Endergebnis (vorläufig), Kommunalwahl in Baden-Württemberg 2024, in % | CDU 24,2 (+1,4) | Grüne 11,5 (-1,4) | SPD 11,9 (-1,5) | FDP 3,6 (-0,3) | AfD 4,2 (+2,3) | WV 36,9 (-2,3) | Andere 7,6 (+1,7) | Infratest-dimap. 14.06.2024, 14:51 Uhr

Was auffällt: Während die Grünen in nahezu jedem der 44 Stadt- und Landkreise bei den Kommunalwahlen verloren haben beziehungsweise gleich geblieben sind, hat die AfD fast überall dazu gewonnen.

Die Grünen: in Uni-Städten vorne, weniger Rückhalt auf dem Land

Nach der Kommunalwahl bleiben die Grünen in vielen großen Städten im Land an der Spitze der Gemeinderäte. In Karlsruhe, Heidelberg, Ulm, Freiburg und Tübingen stellen sie weiter die stärkste Fraktion, allerdings gibt es auch in jeder dieser Städte Verluste - in Ulm beispielsweise steht ein Minus von 6,9 Punkten. Den Rückhalt in den Uni-Städten erklärt sich der Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim mit der akademisch geprägten Wählerschaft und dem stabileren Milieu. Dort hätten die Grünen ihre Themen verankert, sagte Brettschneider dem SWR. Es gebe zwar Rückgänge, aber nicht so starke wie sonst im Land.

Grünen gelingt die Bindung ins konservative Milieu immer weniger

Im ländlichen Raum ist die Ökopartei ihrem eigenen Anspruch nicht gerecht geworden: Die Landesparteispitze um die beiden Vorsitzenden Lena Schwelling und Pascal Haggenmüller wollte ihre Wählerbasis auf dem Land verbreitern. Beim Parteitag in Donaueschingen im Herbst 2022 gab es unter anderem einen Leitantrag "Für starke ländliche Räume in Baden-Württemberg". Das Ziel: Nach dem Abgang von Ministerpräsident Winfried Kretschmann nach der Landtagswahl im Frühjahr 2026 auch konservative Wählerinnen und Wähler weiter an die Partei zu binden.

"Özdemir kann mit seiner Entscheidung nicht mehr lange warten"

Die Partei müsse jetzt entscheiden, rät Brettschneider, ob sie sich auf ihre Kernwählerschaft bei um die zwölf Prozent konzentrieren wolle oder ob sie dran bleiben wolle, Brücken ins konservative Milieu im ländlichen Raum zu bauen - auch ohne die "Galionsfigur" Kretschmann. Für Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, der als Nachfolger für die Spitzenkandidatur für die kommende Landtagswahl gehandelt wird, machten es die Ergebnisse der Europa- und Kommunalwahl nicht leichter, sich festzulegen. Lange damit warten könne der gebürtige Bad Uracher (Kreis Reutlingen) allerdings nicht mehr, weil der Gang nach Baden-Württemberg sonst als Notlösung angesehen werde, so Brettschneider.

Die AfD: Ein Rechtsruck in vielen Kommunalparlamenten

Die AfD hat in nahezu allen Stadt- und Landkreisen zugelegt - außer im Landkreis Sigmaringen, in dem Ministerpräsident Kretschmann wohnt. Ansonsten gibt es Zugewinne sowohl auf dem Land als auch in Groß- und Kleinstädten, manchmal auch nur marginal wie in Freiburg und Heidelberg mit unter einem Prozentpunkt. Die AfD-Hochburg im Land ist Pforzheim. Dort stellt die Partei künftig die stärkste Fraktion im Gemeinderat.

Wie umgehen mit der AfD? CDU-OB rät zu Pragmatismus

In Schwäbisch Gmünd sitzt die AfD künftig zum ersten Mal im Stadtparlament. Sie holte aus dem Stand sechs Sitze. Oberbürgermeister Richard Arnold von der CDU plädiert für einen pragmatischen Umgang mit der Partei. Arnold sagte dem SWR, die AfD-Gemeinderäte seien gewählt, die Bürgerinnen und Bürger hätten ihr Kreuzchen gemacht. Er werde erst einmal das Gespräch suchen. Der gemeinsame Auftrag sei, das Beste für die Stadt herauszuholen. Arnold sieht einen allgemeinen Trend, dass die Bürgerinnen und Bürger im Land das Gefühl hätten, nicht gehört zu werden. Dazu kämen immer mehr Verlustängste beim Wohlstand.

Schwäbisch Gmünds OB Arnold am 11.06. im Interview mit dem SWR:

Zu den Wahlergebnissen passen die Zahlen von der Mitgliederentwicklung in Baden-Württemberg. Alle im Landtag vertretenen Parteien haben im vergangenen Jahr tendenziell Mitglieder verloren. Die Ausnahme ist die AfD, die Partei, die vom Verfassungsschutz in Baden-Württemberg als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. Sie wuchs nach eigenen Angaben um 44 Prozent.

Die CDU: Landesweit stärkste Kraft

Die CDU um ihren noch neuen Vorsitzenden Manuel Hagel bleibt landesweit stärkste Kraft. Die Christdemokraten konnten in den großen Städten Stuttgart und Mannheim die Grünen von Platz eins in den Gemeinderäten verdrängen. Wichtiger dürfte aber sein, dass sie, im Gegensatz zu den Grünen auf dem Land, stärker geworden und nach wie vor besser verankert ist, als der große Koalitionspartner. Zum Vergleich: Auch nach 13 Jahren, in denen die Grünen den Regierungschef stellen, hat die CDU trotz eines Rückgangs nach wie vor deutlich mehr Mitglieder - mit gut 52.000 rund dreimal so viele.

In Özdemirs Heimat legt die CDU kräftig zu, Grüne verlieren

Knapp zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl ist aus CDU-Sicht auch ein Ergebnis auf der Schwäbischen Alb interessant. In Bad Urach, der Heimatstadt von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir, hat die CDU stark zugelegt - um 15,8 Punkte auf 41,8 Prozent. Die Grünen verloren über zwei Punkte und kommen mit nur noch 12,3 Prozent auf Platz vier - noch hinter der Freien Wählervereinigung und der SPD. Özdemir wird sich möglicherweise um die Spitzenkandidatur der Grünen bewerben, mit dem Ziel, Ministerpräsident Kretschmann im Amt zu beerben.

CDU: Nahezu Stillstand in mehr als 15 Landkreisen

Mit einem allerdings dürfte die CDU nicht zufrieden sein: Auch wenn sie in den allermeisten Stadt- und Landkreisen stärkste Kraft ist, verbucht sie doch insgesamt landesweit nur ein Plus von 1,2 Punkten. In mehr als 15 Stadt- und Landkreisen tritt sie mehr oder weniger auf der Stelle. Hier bewegen sich die Christdemokraten jeweils bei plus/minus einem Prozentpunkt. In der Landeshauptstadt Stuttgart hat die Partei zwar knapp das stärkste Ergebnis erzielt und damit die Grünen überholt. Ihr Wahlziel hat sie aber nicht erreicht: Sie wollte die grün-linke Mehrheit im Gemeinderat brechen.

Neue Gemeinderäte: 16-Jährige und viele Fraktionen

Zum ersten Mal durften sich bei der Kommunalwahl in Baden-Württemberg Menschen ab 16 Jahre als Kandidaten aufstellen lassen. Und einige haben es auch geschafft: Die Spitzenkandidatin der "Jungen Ulmer Liste", Emilia Stella Schneider, zieht als jüngste Stadträtin in den Gemeinderat. In Maulburg (Landkreis Lörrach) ist die Schülerin Anna-Lena Kiefer in den Gemeinderat gewählt worden. Für die SPD holte die 16-Jährige mehr als 840 Stimmen. In Remseck am Neckar (Kreis Ludwigsburg) ziehen gleich zwei Jugendliche in den Gemeinderat ein: Die 17-jährige Abiturientin Johanna Gebbert für die Grünen und der 16-jährige Schüler Linus Trinkner für die SPD.

Zersplitterte Parlamente: 17 Listen in Freiburg und Pforzheim

Die Kommunalparlamente im Land sind breiter geworden. So sitzen in Karlsruhe künftig die Vertreter von elf Parteien und Gruppierungen im 48-köpfigen Gemeinderat, in Heidelberg und Stuttgart sind es 14 verschiedene Listen, in Freiburg und Pforzheim sogar 17. Um einen Fraktionsstatus zu erhalten, müssen die Kleinparteien jetzt Bündnisse schmieden. Fest steht: Je mehr unterschiedliche Parteien es in Räten gibt, desto schwieriger wird es, eine Mehrheit zu finden.

Volt, "Migrantenliste" und DKP in Kommunalparlamenten

Neu dabei in einigen Kommunalparlamenten: Die Europa-Partei Volt, die unter anderem für Nachhaltigkeit und Digitalisierung steht und damit viele Wählerinnen und Wähler angesprochen hat. Sie wird künftig in den Gemeinderäten in Karlsruhe und Stuttgart vertreten sein.

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In Heilbronn ist die Liste "Gemeinsam für unser Heilbronn" mit zwei Vertretern ins Stadtparlament eingezogen. Die Liste besteht ausschließlich aus Menschen mit Migrationshintergrund. Diese sehen sich bislang nicht breit genug vertreten in der Stadt. In Heilbronn haben rund 60 Prozent der Menschen ausländische Wurzeln.

Die Kommunistische Partei verteidigt ihren Sitz in Heidenheim: Reinhard Püschel von der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) wurde erneut in den Heidenheimer Gemeinderat gewählt und ist damit landesweit der einzige Vertreter seiner Partei.

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