Am Mittwochnachmittag hat die Gesundheitsministerkonferenz in Friedrichshafen begonnen. Das zentrale Thema der Konferenz am Bodensee ist die bundesweite Klinikreform.
Zum Auftakt der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) im Graf-Zeppelin-Haus in Friedrichshafen verteidigte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) seine Krankenhausreform. Wenn die Reform nicht komme, würde in ganz Deutschland ein Krankenhaussterben drohen. Seit Mittwochnachmittag tagen die Gesundheitsministerinnen und -minister der Länder sowie Bundesgesundheitsminister Lauterbach am Bodensee. Die 96. Gesundheitsministerkonferenz dauert bis Donnerstag.
Diskussion um Lauterbachs geplante Klinikreform
Die Krankenhausreform, von Bundesgesundheitsminister Lauterbach als "notwendige Revolution" bezeichnet, wird vermutlich alle anderen Themen überschatten. Bund und Länder sind sich in wesentlichen Punkten uneinig. Die Länder stoßen sich vor allem an den Plänen Lauterbachs, die Kliniken in drei Qualitätslevel einzuteilen - von der wohnortnahen Grundversorgung über eine zweite Stufe mit weiteren Angeboten bis zu Maximalversorgern wie Universitätskliniken. Die Länder fürchten, dass das den Ruf schlechter eingestufter Krankenhäuser schädigen und diese wirtschaftlich ruinieren könne. Der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) betonte, es sei wichtig, dass es künftig an jedem Standort hoch qualifizierte Medizin gebe.
Die Klinikreform soll nicht nur zu einer Spezialisierung von Krankenhäusern führen, sondern auch zu einer partiellen Abkehr vom Fallpauschalen-Prinzip. Das Vergütungssystem soll geändert werden, um die Krankenhäuser von wirtschaftlichem Druck zu befreien. Das Gesetz soll den Plänen zufolge am 1. Januar 2024 in Kraft treten.
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Ministerpräsident: "Noch nicht alle Hausaufgaben gemacht"
Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sieht Baden-Württemberg beim Umbau der Krankenhauslandschaft auf einem guten Weg. "Wir haben noch nicht alle Hausaufgaben gemacht, aber viele", sagte der Grünen-Politiker am Dienstag. Man sei weit voran und "gut in der Spur" im Südwesten. Die Kliniklandschaft müsse so entwickelt werden, dass die Grundversorgung gewährleistet ist, aber dass auch keine Krankenhäuser erhalten werden, in denen sich die Menschen nicht operieren lassen wollen, sagte der Regierungschef. Wenn ein Krankenhaus vor Ort geschlossen werden soll, dann würden 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger für dessen Erhalt unterschreiben, aber im Falle einer Operation dennoch dorthin gehen, wo diese am besten gemacht werde.
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Sozialunternehmen in Oberschwaben haben zunehmend Probleme, ausreichend Pflegekräfte in der Altenpflege zu finden. Das könne den Unternehmen zufolge dramatische Auswirkungen haben.
Konferenzteilnehmer äußern sich zu Künstlicher Intelligenz
Auf der Tagesordnung der Konferenz in Friedrichshafen stehen außerdem aktuelle Themen wie Arzneimittelknappheit, Künstliche Intelligenz (KI) in der Gesundheitsversorgung, die Fortentwicklung der elektronischen Patientenakte, Fachkräftebedarf im Gesundheitswesen und die Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes.
Am Mittwochnachmittag äußerten sich die Ministerinnen und Minister bereits zum Thema Künstliche Intelligenz und forderten mehr Tempo bei der Digitalisierung. "Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass es bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland einen enormen Nachholbedarf gibt", sagte Manfred Lucha. Beispielsweise müsse die elektronische Patientenakte einfacher und benutzerfreundlicher werden.
Im Blick auf technische Entwicklungen von Künstlicher Intelligenz warnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Konferenz vor Überregulierung. Stattdessen brauche es innovative Rahmenbedingungen, um neue Produkte und Techniken zu testen, heißt es in einem Konferenzbeschluss. Lucha sagte, Deutschland dürfe beim Thema KI nicht den weltweiten Anschluss verlieren, sondern müsse Vorreiter und Motor für ganz Europa werden.
ver.di organisiert Proteste
Die Gewerkschaft ver.di hatte im Vorfeld zu Protesten am ersten Konferenztag für einen Kurswechsel in der Gesundheitspolitik aufgerufen. Am Mittwoch nahmen mehr als 500 Demonstrierende aus Baden-Württemberg und dem ganzen Bundesgebiet an einer Demonstration teil - zum Teil reisten sie mit dem Fahrrad aus Dresden an. Die Proteste standen unter dem Motto "Gemeinwohl statt Profit, Solidarität statt Wettbewerb".
Der Demozug vom Seeparkplatz West in Friedrichshafen zum Veranstaltungsort am Seeufer vor dem dortigen Kongresszentrum startete mittags. Außerdem gab es eine Wasseraktion unter dem Motto "Notruf vom See". Nach Reden, unter anderem vom für Gesundheitspolitik zuständigen ver.di-Bundesvorstandsmitglied Sylvia Bühler, sprachen auch Manfred Lucha und Karl Lauterbach.
Fahrrad-Demo von Dresden an den Bodensee
Schon am Dienstag haben sich Altenpflegebeschäftigte bei einer ver.di-Kundgebung in Bad Waldsee (Kreis Ravensburg) vor der Oberschwabenklinik (OSK) zusammengefunden. Um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen, hatten sie sich bereits am 30. Juni aus Dresden mit dem Fahrrad auf den Weg nach Friedrichshafen gemacht. Ihr Motto: "Kein Weg zu weit für gute Pflege".
Lauterbach und seine Amtskolleginnen und -kollegen in den Ländern müssten dringend handeln, um die Zukunft der Altenpflege zu sichern, betonte Benjamin Andelfinger, Gewerkschaftssekretär im ver.di Bezirk Ulm-Oberschwaben. Dazu gehörten verbindliche und bedarfsgerechte Personalvorgaben - einheitlich überall in Deutschland.
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In Bad Waldsee (Kreis Ravensburg) gibt es seit Montag ein Medizinisches Versorgungszentrum für Chirurgie. Der Oberschwabenklinikverbund (OSK) behandelt dort unter anderem Knochenbrüche.
Die protestierenden Beschäftigten aus der Altenpflege fordern, dass in der Branche flächendeckend Tarifverträge zur Anwendung kommen. Die Bezahlung in der Altenpflege müsse deutlich attraktiver werden, damit genug Arbeitskräfte gewonnen und gehalten werden, um die zunehmende Zahl pflegebedürftiger Menschen überhaupt noch versorgen zu können, so Jonas Schamburek, Gewerkschaftssekretär im ver.di Bezirk Ulm-Oberschwaben.
Stiftung Liebenau appelliert an Minister und Ministerinnen
Die Verantwortlichen der Stiftung Liebenau in Meckenbeuren (Bodenseekreis), ein im Sozial-, Gesundheits- und Bildungswesen tätiges Unternehmen, appellieren anlässlich der Gesundheitsministerkonferenz ebenfalls an die Ministerinnen und Minister aus den Ländern. Trotz knapper öffentlicher Kassen dürften Strukturreformen im Sozial- und Gesundheitsbereich nicht länger auf die lange Bank geschoben werden. Ansonsten drohe mittelfristig ein Versorgungsengpass bei vielen sozialen Angeboten und Dienstleistungen, heißt es in einer Mitteilung.
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