Nach Karlsruher Urteil zu Bundesetat

Corona-Kredite: FDP droht Kretschmann mit Haushaltsklage

Stand
Autor/in
Henning Otte

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Haushalt der Ampel kommt die BW-Regierung ins Grübeln: Sind die Corona-Kredite ordnungsgemäß verwendet worden? Die FDP zweifelt.

Die FDP in Baden-Württemberg droht der grün-schwarzen Regierung mit einer neuen Haushaltsklage. FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke ist überzeugt, dass die Koalition bei der Verwendung der Corona-Notkredite Fehler gemacht hat. "Es gibt in erheblichem Maße Rücklagen, die von einem Haushalt auf den anderen übertragen worden sind", sagte Rülke dem SWR. Das widerspreche der neuen Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts, dass Notkredite in dem Haushaltsjahr ausgegeben werden müssen, in dem die Notlage festgestellt wird. "Wenn das Prinzip der Jährlichkeit im Sinne des Bundesverfassungsgerichts nicht eingehalten wird von der Landesregierung, dann schließe ich für die FDP-Fraktion auch eine zweite Klage nicht aus."

BW-Landesregierung prüft Konsequenzen des Karlsruher Urteils

Die Landesregierung prüft derzeit mögliche Auswirkungen des Karlsruher Urteils auf ihre Haushaltspolitik. Erst kürzlich hat das Bundesverfassungsgericht das Umwidmen von ungenutzten Corona-Krediten für den Klimaschutz durch die Ampel-Regierung in Berlin für verfassungswidrig erklärt. Das Urteil zum zweiten Nachtragshaushalt 2021 reißt ein 60 Milliarden Euro großes Loch in die Finanzierung von Klimaprojekten und damit in den Bundesetat. Noch ist unklar, ob dadurch auch Klimavorhaben in Baden-Württemberg gefährdet sind. Immerhin: Die Landesregierung hatte keine Corona-Kredite umgewidmet - obwohl die SPD das vehement gefordert hatte.

Karlsruhe pocht auf zeitnahe Verwendung der Notkredite

Aber Grün-Schwarz könnte ein anderer Teil des Urteils zu schaffen machen. Die Karlsruher Richter untersagten auch "die zeitliche Entkoppelung der Feststellung einer Notlage (…) vom tatsächlichen Einsatz der Kreditermächtigungen". Demnach sind diese Kreditermächtigungen nach dem Prinzip der Jährlichkeit an das Haushaltsjahr der Notlage gebunden und verfallen an dessen Ende.

Kretschmann sieht erstmal keine Verstöße

Ministerpräsident Winfried Kretschmann zeigte sich am Dienstag zunächst entspannt. "In den Haushaltsjahren 2020/21 wurden Mittel aus Notlagenkredite zur Bekämpfung der Corona-Pandemie der bereits bestehenden Rücklage für Haushaltsrisiken zugeführt. Und diese Notlagenkredite wurden in den jeweiligen Haushaltsjahren zur Bewilligung der Corona-Maßnahmen eingesetzt", sagte der Grünen-Politiker in Stuttgart. "Insgesamt fielen die Kosten zur Bekämpfung der Pandemie höher aus als die aufgenommenen Notlagen-Kredite. Insofern sehe ich nicht, dass wir da irgendwelche Verstöße gemacht haben." Kretschmann ergänzte jedoch: "Das Prinzip der Jährlichkeit, das muss das Finanzministerium nochmal genau prüfen, was das genau konkret bedeutet."

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Für die FDP wäre es die zweite Klage im Zuge der Aufnahme von Corona-Krediten. Die Liberalen waren bereits dagegen vorgegangen, dass sich Grün-Schwarz in einem Nachtragsetat 2021 etwa 940 Millionen Euro an Kreditrechten gesichert hatte, um sich für die Risiken der Corona-Krise zu wappnen. Die FDP wollte klären lassen, ob die Landesregierung mit Verweis auf die Pandemie erneut die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse in Anspruch nehmen durfte. Hier kassierte die FDP-Fraktion vor dem Verfassungsgerichtshof allerdings im Sommer eine Niederlage.

Grün-Schwarz nahm in Corona-Zeit 14,6 Milliarden Euro Schulden auf

Die grün-schwarze Landesregierung hatte in der Krise neue Schulden in Höhe von 14,6 Milliarden Euro für den Kampf gegen die Pandemie und ihre Folgen aufgenommen. Davon waren 8,1 Milliarden Euro Corona-Notkredite, 6,5 Milliarden Euro liefen über die sogenannte Konjunkturkomponente. Die Schuldenbremse erlaubt im gewissen Rahmen eine Kreditaufnahme, wenn die Konjunktur lahmt. Doch von dem Geld sind noch 4,3 Milliarden Euro übrig. Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) will damit Schulden tilgen.

Kretschmann für Reform der Schuldenbremse

Kretschmann warb am Dienstag auch für eine Reform der Schuldenbremse. Man sei in einem "Zeitalter der Investitionen". Es würden enorme Mittel gebraucht, um die Bundeswehr zu ertüchtigen, die Kommunen bei der Energiewende zu unterstützen oder die Kliniken zu modernisieren. "Ich bin ein großer Anhänger der Schuldenbremse, wir stellen sie auch nicht infrage." Klar sei aber auch, dass man ohne neue Kredite die nötigen Investitionen nicht bewerkstelligen könne. "Das kriegen sie doch weder mit Einsparungen weg noch mit Steuererhöhungen. Das ist doch gar nicht darstellbar."  Allerdings könne man die Mehrheit für eine Verfassungsänderung auch nicht "herzaubern". Nun müsse die Ampel eine kurzfristige Lösung finden.

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Der Koalitionspartner im Land, die CDU, ist gegen eine Aufweichung der Schuldenbremse. "Für uns gilt die Schuldenbremse. Jetzt geht es darum, Prioritäten zu setzen. Der Haushalt ist so groß, das muss möglich sein", sagte CDU-Fraktionsvize Thomas Dörflinger dem SWR. "Wir müssen uns sicherlich nochmal im sozialen Bereich alles anschauen, aber auch im investiven Bereich, ob alles möglich ist." 

CDU gegen teureres Fliegen

Streit gibt es über die Frage, wie man nach dem Karlsruher Urteil Geld für Investitionen - vor allem für den Klimaschutz - mobilisieren könnte. Baden-Württembergs Umweltministerin Thekla Walker (Grüne) hatte die Streichung von umwelt- und klimaschädlichen Steuervorteilen gefordert. "Erstmal könnte man ja mal sagen, wir haben klimaschädliche Subventionen in genau der gleichen Höhe wie die im Klimatransformationsfonds: nämlich über 60 Milliarden Euro", hatte die Grünen-Politikerin vergangenen Donnerstag in der SWR-Sendung "Zur Sache Baden-Württemberg" gesagt. Auf SWR-Nachfrage ergänzte Walker nach der Sendung, vorrangig könne man Subventionen für Flugbenzin streichen.

Die Sendung von "Zur Sache Baden-Württemberg" zum Nachschauen:

CDU-Fraktionsvize Dörflinger protestierte: "Ich halte das für keine kluge Idee. Baden-Württemberg und Deutschland sind bereits sehr teure Luftverkehrsstandorte." Man dürfe die sowieso schon hohen Flugpreise nicht weiter unter Druck bringen, das hätte negative Konsequenzen: "Wer reich ist, fliegt, wer nicht reich ist, muss sich ein anderes Fortbewegungsmittel suchen. Das ist für uns auch eine soziale Frage", sagte der Verkehrsexperte Dörflinger dem SWR.

FDP-Fraktionschef will bei Kindergrundsicherung sparen

Auch die FDP widersprach Walker. "Ich glaube, man sollte nicht so viel darüber reden, wie man die Bürger und die Wirtschaft zusätzlich belastet, sondern man sollte über Einsparungen reden", sagte Fraktionschef Rülke dem SWR und ergänzte mit Blick auf die Ampel-Regierung in Berlin: "Die Grünen habe gerade im Bereich des Bürgergeldes, im Bereich der Kindergrundsicherung ja Anreize geschaffen, letztlich nicht zu arbeiten. Wir als FDP sind eher der Meinung, man sollte eher in diesem Bereich sparen." Es sei klar, dass der Sozialstaat zu "anspruchsvoll" sei. Das gilt insbesondere auch im Bereich dessen, was wir Flüchtlingen ermöglichen. Dass beispielsweise die ukrainischen Flüchtlinge weiterhin im Bürgergeld sind. Damit sollte man endlich aufhören. Auch das wäre eine erhebliche Einsparung."

Rülke wandte sich auch gegen die Abschaffung des Steuerrabatts von  Diesel, der laut Ampel-Koalitionsvertrag überprüft werden soll. "Es steht nicht im Koalitionsvertrag, dass die Steuerermäßigung für Diesel abgebaut werden soll. Und deshalb wird das mit der FDP auch nicht passieren." Stattdessen könne man über ganz andere Dinge nachdenken: "Wenn es darum geht, zum Beispiel Windräder in Regionen nicht zu subventionieren, wo der Artenschutz gefährdet ist oder Fledermäuse, kann man mit uns darüber reden."

SPD gegen Senkung von Sozialleistungen

Der baden-württembergische SPD-Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch will klimaschädliche Subventionen abbauen, aber auch die Schuldenbremse reformieren. "Es müssen alle Fragen auf den Tisch. Kerosin, aber auch das Dienstwagenprivileg sind hier einige der Punkte." Stoch verwahrte sich aber gegen die Forderungen, im Sozialbereich zu kürzen: "Wer jetzt danach ruft, soziale Standards zu senken, der hat den Ernst der Lage nicht verstanden." Die Gesellschaft drohe auseinanderzubrechen, weil sich längst nicht mehr alle das Leben leisten könnten. Die Kindergrundsicherung dürfe zum Beispiel nicht infrage gestellt werden.

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