Darf der Staat nicht genutzte Corona-Schulden für andere Zwecke umwidmen? Das Bundesverfassungsgericht sagt Nein. BW-Finanzminister Bayaz fühlt sich bestätigt und fordert Konsequenzen.
Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) hat nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts eine Reform der Schuldenbremse gefordert, um mehr Investitionen zu ermöglichen. Der Weg von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), die Schuldenregel zugunsten des Klimaschutzes zu umgehen, sei jedenfalls der falsche gewesen. "Der Versuch des Bundesfinanzministers die Quadratur dieses Kreises mit Tricksereien und Schattenhaushalten hinzubekommen, ist gescheitert", sagte Bayaz am Mittwoch.
Zuvor hatte Karlsruhe die Verwendung von ungenutzten Corona-Krediten für Klimaprojekte als verfassungswidrig eingestuft. Die Ampel-Koalition muss deshalb geplante Klima-Vorhaben auf Eis legen.
Bayaz dringt auf "Investitionsregel" bei Schuldenbremse
Bayaz sieht die Politik in einem Dilemma: "Wir haben einen enormen Investitionsbedarf, wir müssen angesichts hoher Inflation Bürger und Unternehmen entlasten und wir müssen gleichzeitig in den nächsten Jahren die Corona-Schulden nach und nach tilgen."
Der Grüne fordert eine "Investitionsregel innerhalb der Schuldenbremse". Doch dafür bräuchte es eine Verfassungsänderung, auf die sich die demokratischen Parteien einigen müssten. "Deshalb halte ich eine Föderalismuskommission aus Bund und Ländern für sinnvoll, die zusammen mit Experten die Schuldenbremse evaluiert und Reformoptionen erarbeitet."
Baden-Württemberg war vorsichtiger
Die grün-schwarze Landesregierung in Baden-Württemberg hat es anders als der Bund immer abgelehnt, nicht genutzte Corona-Kredite für andere Projekte umzuwidmen - auch wenn sie dafür von der Opposition aus SPD und AfD gescholten wurde.
Zur Bewältigung der Corona-Krise standen der Regierung 14,6 Milliarden Euro zur Verfügung. Diese Schulden konnten aufgrund einer Ausnahme-Klausel in der Schuldenbremse aufgenommen werden. Bayaz hatte immer erklärt, mit dem übrigen Geld würden Corona-Schulden getilgt. Tatsächlich muss das Land ab Anfang 2024 auch in die regelmäßige Tilgung einsteigen. Über 23 Jahre hinweg müssen 325 Millionen Euro abgetragen werden. Im Jahr 2047 sollen dann 8,1 Milliarden Euro der Corona-Notkredite abgezahlt sein.
Übrige Mittel aus der Pandemie Corona-Milliarden in BW: zurückzahlen oder ausgeben?
Zur Bewältigung der Corona-Krise hat BW rund fünf Milliarden Euro weniger ausgegeben als geplant. Finanzminister Bayaz will damit Schulden tilgen - die SPD fordert Investitionen.
Weiterer Fonds zur Tilgung aufgelöst
Schon im vergangenen Jahr hatte die Regierung einen nicht genutzten Beteiligungsfonds in Höhe von einer Milliarde Euro aufgelöst und in die Tilgung gesteckt. Doch damit nicht genug: Der andere Teil der Schulden in Höhe von 6,5 Milliarden Euro kommt noch hinzu. Diese Kredite wurden über die sogenannte Konjunkturkomponente aufgenommen. Die Schuldenbremse erlaubt im gewissen Rahmen eine Kreditaufnahme, wenn die Konjunktur lahmt.
Auch BW-SPD will an Schuldenbremse schrauben
Als es Anfang des Jahres hieß, das Land habe noch einen Milliarden-Puffer, obwohl die Corona-Krise eigentlich schon zu Ende war, kritisierte die SPD das. Statt die Schäden aus der Pandemie und anderen Krisen zu beheben, hamstere Grün-Schwarz das Geld, monierte SPD-Partei- und Fraktionschef Andreas Stoch damals.
Nach dem neuen Karlsruher Urteil sagte Stoch nun, es sollte jedem klar sein, dass der klimaneutrale Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft erhebliche Investitionen brauche. "Die entscheidende Frage wird sein, wie verfassungsrechtlich zulässig diese notwendigen Investitionsmittel aufgebracht werden." Stoch kann sich auch eine Reform der Schuldenregeln vorstellen. "Hier darf es keine Denkverbote geben, auch nicht im Hinblick auf das Instrument der Schuldenbremse oder die Frage, wie auf anderem Wege die notwendigen Finanzmittel aufgebracht werden können."
FDP BW zeigt mit Finger auf die Grünen
Lindners liberaler Parteifreund Hans-Ulrich Rülke sieht den Grundfehler in einem Ampel-Kompromiss. "Die 60 Milliarden an Coronahilfen, die auf den Klima- und Transformationsfonds übertragen wurden, waren eine Koalitionsbedingung der Grünen. Dem nachgegeben zu haben war ein Fehler", sagte der FDP-Landtagsfraktionschef. "Im Übrigen ist es auch für Baden-Württemberg interessant, dass das Verfassungsgericht es für verfassungswidrig hält, Kreditermächtigungen von einem Haushalt auf den anderen zu übertragen."