Vor einem "Kollaps" bei der Aufnahme von minderjährigen Flüchtlingen hatten die Kommunen in BW gewarnt und das Land um Hilfe gebeten. Nun gibt es erste konkrete Ergebnisse.
Land und Kommunen wollen kurzfristig mehr Plätze in der Jugendhilfe in Baden-Württemberg schaffen, um die höhere Zahl von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen betreuen und versorgen zu können. Bei der Schaffung dieser neuen Kapazitäten sollten die Auflagen "so weit wie möglich reduziert" werden, sagte Sozialminister Manfred Lucha (Grüne) nach einem Krisengespräch mit dem Städte- und Landkreistag am Dienstag. Auch sollen die minderjährigen Geflüchteten in Notfallunterkünften untergebracht werden können.
Bessere Verteilung von Flüchtlingen in Baden-Württemberg geplant
Damit sind in der Regel keine Sammelunterkünfte wie Turnhallen gemeint. Vielmehr sollen die jungen Leute einzeln oder in Gruppen untergebracht werden. Land und Kommunen wollen zudem dafür sorgen, dass die jungen Flüchtlinge besser auf das ganze Land verteilt werden. Bisher seien besonders Südbaden und die Städte Mannheim und Heidelberg belastet.
Die Senkung der Auflagen bedeutet zum Beispiel, dass die geflüchteten Minderjährigen nicht mehr rund um die Uhr von pädagogischem Personal betreut werden müssen. Von 22 bis 6 Uhr soll etwa die Sicherheit durch einen Security-Dienst gewährleistet werden. In Räumen, die größer als 20 Quadratmeter sind, dürften vorübergehend sechs statt vier Betten stehen. Städtetagschef Peter Kurz (SPD) und Landtagspräsident Joachim Walter (CDU) zeigten sich zufrieden. Mit den Erleichterungen bei den Auflagen und den Notunterkünften sei man einen großen Schritt weiter.
Krisentreffen mit Lucha in Stuttgart Junge Flüchtlinge: Kommunen fühlen sich allein gelassen
Die Kommunen in BW fühlen sich bei der Unterbringung von minderjährigen Flüchtlingen allein gelassen. Ein Krisentreffen mit Minister Lucha soll nun helfen - doch die Vorschläge liegen weiter auseinander.
Vor kurzem hatte Lucha noch erklärt, die Zuständigkeit für die Versorgung der jungen Flüchtlinge liege bei den Kommunen. Diese müssten die Probleme in den Griff bekommen. Der Minister hatte in mehreren Briefen an die Kommunen darauf verweisen, dass zu Spitzenzeiten in den Jahren 2016 und 2017 jeweils bis zu 9.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Baden-Württemberg gekommen seien. Im vergangenen Jahr seien es etwa 3.180 gewesen. Zudem hatte er betont, das Land unterstütze die Kommunen bereits mit 100 Millionen Euro pro Jahr für die Inobhutnahme und Versorgung.
Minister zeigt Verständnis für Lage der Städte bei der Flüchtlings-Unterbringung
Das hörte sich nun etwas anders an. "Das Land erkennt die schwierige Situation der Kommunen bei der Unterbringung und Versorgung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge an", erklärte Lucha. Die Situation sei wegen der Corona-Pandemie und dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine eine andere, die Jugendämter müssten sich verstärkt mit den Problemen deutscher Kinder und Jugendlicher auseinandersetzen. Um mehr Plätze und Personal zu mobilisieren, will sich der Grünen-Politiker bald mit der Liga der freien Wohlfahrtsverbände und den am meisten betroffenen Jugendämter treffen.
Erstaufnahme von Flüchtlingen soll in BW beschleunigt werden
Die Städte und Gemeinden wollen auch die Verteilung angehen. Hier hatten die Kommunen vorher darauf gepocht, dass das Land die Erstaufnahme der minderjährigen Flüchtlinge übernimmt. Baden-Württemberg solle ähnlich wie bei erwachsenen Geflüchteten diese in Erstaufnahmeeinrichtungen (LEA) unterbringen und registrieren. Dies hatte Lucha kategorisch abgelehnt. Auch hier weichte er seine Position etwas auf. Man wolle nun prüfen, inwieweit die am meisten betroffenen Jugendämter durch eine stärkere Bündelung der Prozesse in der unmittelbaren Aufnahmephase entlastet werden können. Die Ergebnisse wolle man abwarten, bevor man weitere Schritte in Erwägung ziehe, betonte Lucha.
Nach Angaben des Ministeriums kommen die meisten unbegleiteten Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Kinder und Jugendliche aus der Ukraine kämen zumeist mit erwachsenen Angehörigen.