Der Vorsitzende der BW-Polizeigewerkschaft zeigt Verständnis für eine harte Gangart der Polizei gegen die "Letzte Generation". Die Landesbürgerbeauftragte mahnt zur Vorsicht.
Bei Einsätzen wegen Klima-Demonstrationen der Gruppe "Letzte Generation" wächst nach Einschätzung der Deutschen Polizeigewerkschaft der Druck auf die Beamtinnen und Beamten. Mit Sitzblockaden auf Straßen sorgen die Aktivistinnen und Aktivisten für Verkehrsbehinderungen. Dabei kleben sie sich auch immer wieder mit den Händen fest. Polizeikräfte beseitigten seit Wochen "hochprofessionell" die Störungen, wendeten sich tausendfach den Rechtsbrüchen zu und könnten dadurch andere Aufgaben nicht wahrnehmen, teilte der Landesvorsitzende der BW-Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, mit. Das geschehe aus Sicht der Gewerkschaft mit großer Gelassenheit.
Klima-Aktivistinnen sollen nackt untersucht worden sein "Letzte Generation": Weitere Vorwürfe gegen Mannheimer Polizistin
Bei einem Polizeieinsatz am Samstag in Mannheim hatte eine Polizistin einer Klima-Aktivistin wohl Öl über den Kopf geschüttet. Jetzt erhebt die "Letzte Generation" weitere Vorwürfe.
Dabei hätte er aber auch "durchaus auch Verständnis dafür, wenn dem einen Kollegen oder der anderen mal die 'Hutschnur' reißt", sagte Kusterer. "Auch wenn es in unserem Rechtssystem dazu gehört, dass er oder sie sich dann dafür verantworten müsste." Das gelte selbst dann, würde derjenige breite Zustimmung aus der genervten Bevölkerung erhalten.
Bürgerbeauftragte kritisiert Polizeigewerkschafter
Die Bürgerbeauftragte des Landes Baden-Württemberg, Beate Böhlen, kritisiert diese Aussagen. Es gäbe viele Großlagen wie Demonstrationen oder Fußballspiele und da könne man durchaus auch mal menschliches Verständnis zeigen. Das aber quasi als Freifahrtschein zu äußern, empfinde sie als falsch, so Böhlen gegenüber dem SWR. Außerdem forderte sie eine Aufklärung der Vorkommnisse in Mannheim. Es dürfe nichts unter den Teppich gekehrt werden. Das baden-württembergische Innenministerium wollte die Äußerungen Kusterers auf SWR-Anfrage nicht kommentieren.
Polizistin schüttete Öl über Klimaaktivistin
Der Fall aus Mannheim sorgt derzeit für Aufsehen. Hier soll eine Polizistin einer festgeklebten Aktivistin Öl, das zum Lösen des Klebstoffs genutzt wird, über den Hinterkopf gegossen haben. Das Polizeipräsidium prüft straf- und disziplinarrechtliche Folgen. Das Landesinnenministerium sagte dem SWR, man wolle das Ergebnis dieser Untersuchungen abwarten und könnte erst dann eine Bewertung der Ereignisse vornehmen. Die "Letzte Generation" hatte Videos von dem Vorfall vom Samstag im Internet veröffentlicht. Am Mittwochabend hatte die "Letzte Generation" am Stuttgarter Hauptbahnhof den Verkehr für kurze Zeit ausgebremst. Zwei Rettungswagen im Einsatz mussten eine Umleitung fahren.
Zwei Rettungswagen ausgebremst "Letzte Generation" blockiert Verkehr in Stuttgart
Die "Letzte Generation" hat am Mittwochabend am Stuttgarter Hauptbahnhof den Verkehr für kurze Zeit ausgebremst. Zwei Krankenwagen im Einsatz mussten eine Umleitung fahren.
"Bürger für hartes Vorgehen gegen Klimaaktivisten"
Polizeiliche Einsätze bei Straftaten und Ordnungsverstößen der "Letzten Generation" nehmen Kusterer zufolge zu. "Dabei treten die Opfer der Letzten Generation, Tausende von Bürgerinnen und Bürger, leider immer mehr in den Hintergrund", erklärte der Gewerkschafter. "Vielmehr scheint es um die Aktionen der Letzten Generation und die Darstellung dieser in der Öffentlichkeit zu gehen."
Das führe bei Bürgerinnen und Bürgern immer mehr zu Forderungen nach einem harten und konsequenten Vorgehen. "Die Bürgerinnen und Bürger erwarten vom Staat, dass er ihre persönliche Freizügigkeit garantiert", erläuterte Kusterer. Dazu gehörten die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs. Und natürlich gehöre zur Wahrheit, dass sich dieses Spannungsverhältnis auch auf die Polizei übertrage.
Druck aus der Bevölkerung soll Polizei nicht leiten
Druck aus der Bevölkerung rechtfertige ein Vorgehen wie das der Polizei in Mannheim aber nicht, entgegnete die Landesbürgerbeauftragte Böhlen im Gespräch mit dem SWR. Vor allen Dingen, weil man nicht wisse, welcher Teil der Bevölkerung da dahinterstehen soll. "Und vor allem darf die Polizei, die das Machtmonopol im Staat hat, sich natürlich nicht vom Druck einer Bevölkerung zu irgendwelchen Maßnahmen hinreißen lassen, die ihrer Machtstellung entgegenstehen", so Böhlen.
Kusterer: Menschenwürde der Polizeikräfte wird täglich verletzt
Polizeigewerkschafter Kusterer sieht dagegen die Menschenwürde der Polizeikräfte verletzt. Aus seiner Sicht verletzen die Menschen täglich die Menschenwürde der eingesetzten Polizeikräfte, die "bei brütender Hitze fanatische Rechtsbrecher von der Straße holen" müssten. Auf der anderen Seite hätten die gleichen Personen in der vergangenen Woche versucht, Polizistinnen und Polizisten in ganz Deutschland mit einer Mailing-Aktion für ein Mitwirken in der "Letzten Generation" und für deren Unterstützung zu gewinnen.
Eine Bewertung des Sachverhalts in Mannheim anhand des Videos sei schwierig, erklärte Kusterer. "Aus der Erfahrung wissen wir, dass solche Video-Sequenzen einer genaueren Überprüfung unterzogen werden müssen." Die Vergangenheit habe gezeigt, dass es manchmal nicht so gewesen sei, wie man es vermutet habe. "Eines ist auf jeden Fall klar: Der Fall wird geprüft - und zwar in aller Gründlichkeit und in allen Details", sagte Kusterer. Sollte sich daraus ein ahndungswürdiger Vorwurf ergeben, werde man diesem innerhalb der Mannheimer Polizei konsequent nachgehen. "Darüber bin ich mir absolut sicher."
Warum kann die Polizei die Aktivisten und Aktivistinnen nicht einfach kleben lassen? Antworten im Video:
Für Polizistin könnte es disziplinarische Konsequenzen geben
Aus seiner polizeilichen Erfahrung heraus dürfte aber wohl keine Straftat vorliegen, so der Chef der BW-Polizeigewerkschaft. "Schließlich handelte es sich um die gleiche Flüssigkeit, die ja aufgrund der selbstgewählten Aktion zum Einsatz kommt." Das dürfte auch für die dabei verursachte Verschmutzung der Kleidung zutreffen. Wenn die Polizei bei der Prüfung aber eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit erkenne, werde sie dies natürlich anzeigen. Dies könne auch zu disziplinären Konsequenzen führen.
Autofahrer gibt Angriff auf Aktivisten zu
Nach dem Angriff von Aktivisten durch einen Autofahrer bei einer Straßenblockade am vergangenen Mittwoch in Mannheim konnte der mutmaßliche Täter laut Polizei inzwischen ermittelt werden. Er sei am Donnerstagabend festgenommen worden. Dabei habe er zugegeben, drei Aktivisten angegriffen zu haben. Auf einem Video ist zu sehen, wie er sitzende Demonstranten weg schleift, schubst, tritt und schlägt.
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