In Mutlangen haben sich die Friedensaktivisten von vor 40 Jahren mit den heutigen Klimaaktivisten getroffen. Der Beginn einer Zusammenarbeit? Über einen Erfahrungsaustausch ganz eigener Art.
Die Proteste der Klimaaktivisten, der "Letzten Generation", stoßen beileibe nicht überall auf Zustimmung. Dabei gibt es eine erstaunliche Parallele zu Protesten, an die sich viele Ältere noch erinnern werden: Vor 40 Jahren, im Jahr 1983, begann in Mutlangen bei Schwäbisch Gmünd im Ostalbkreis die jahrelange Blockade des amerikanischen Atomraketen-Lagers, des Pershing-II-Depots.
Hinter den Blockaden steckte die Friedensbewegung. Sie ist auch im Jahr 2023 vor Ort noch aktiv, zum Beispiel in Person von Volker Nick. "Wir haben damals allen versprochen, wenn die Raketen wegkommen, gehen wir auch wieder weg." Eigentlich wollte er Lehrer werden, heute ist er Fahrradkurier.
Blockieren und festkleben: Austausch über Protestaktionen
An der "Pressehütte Mutlangen" kommt Volker Nick noch oft vorbei. Das Holzhaus war das Zentrum der Friedensbewegung, wo Nick durch ein Fenster die amerikanischen Truppenbewegungen beobachtete. "Ich bin der Einzige, der geblieben ist. Und das hat mein Leben geprägt", sagt Nick.
Und damit in die Gegenwart, in der nicht einfach nur blockiert, sondern für einen nachhaltigeren Protest sicherheitshalber auch gleich geklebt wird. Am Freitagabend gab es also das erste Zusammentreffen mit den Klimaaktivisten. Der Frieden hat sich zwar auch 2023 nicht überall durchgesetzt, aber die aktuelle Bedrohung heißt: Klimawandel.
Friedensaktivisten und Klimaaktivisten im Stuhlkreis
Friedensaktivisten treffen Klimaaktivisten, ein fast geschichtlicher Moment. In einem scheinbar gemütlichen Stuhlkreis kommen Dutzende von Gerichtsverfahren und auch mehrere Jahre Haft zusammen. Im Raum steht die Frage: Was hält man voneinander, wie will man voneinander profitieren?
Aktivist sieht viele Gemeinsamkeiten
Mischa Bareuther von der "Letzten Generation" Mutlangen fasst die Antwort in mehreren Fragen zusammen: "Welche Wirkung hat friedlicher ziviler Widerstand gegen Unrecht und was sind die moralischen Gründe und was kann der Diskurs sein, der daraus entsteht?" Da könne man viel voneinander lernen. Die beiden Bewegungen hätten viele Gemeinsamkeiten.
Gemeinsamkeiten? Die sieht auch Volker Nick von der Friedensbewegung: "Unsere Aktion damals kam auch nicht so gut an und es hat Jahre gedauert, bis die akzeptiert wurde. Aber ich würde zum Beispiel gerne über die Ästhetik der Aktion reden."
Ästhetik: Die Friedensbewegung erinnert an die Prominentenblockade, 40 Jahre ist sie her. Dietmar Schönherr war dabei, Dieter Hildebrandt, Walther Jens, Petra Kelly, Oskar Lafontaine, Heinrich Böll.
Oder an die Menschenkette zwischen Stuttgart und Ulm, mehrere 100.000 menschliche Kettenglieder. Da wurde die Gesellschaft mitgenommen, sagt die Friedensbewegung. Eher als beim Festkleben, das häufig genug als spontane Guerilla-Aktion wahrgenommen wird und für Unmut sorgt.
Schlecht allerdings, wenn man genau diese Gesellschaft zum Umdenken bewegen will. "Dass man den Alltag bewusst stört, das macht ja die "Letzte Generation", weil wir diese Krise nicht ignorieren können und dürfen", meint Klimaaktivist Bareuther. Unterschiede seien da, aber auch viele Gemeinsamkeiten.
Man will im Gespräch bleiben. Ob daraus gemeinsame Aktionen werden? Fraglich. Der Ansatz, die Menschen zum Verzicht zu bewegen, ist heutzutage nicht weniger explosiv als eine aufgerichtete Rakete.
Aktionen der Letzten Generation
Protestaktionen auch in Heidelberg Klimaaktivisten blockieren Konrad-Adenauer-Brücke in Mannheim
Umweltaktivisten der "Letzten Generation" haben sich am Samstagnachmittag auf der Konrad-Adenauer-Brücke zwischen Mannheim und Ludwigshafen festgeklebt. Sie blockierten den Verkehr in beide Richtungen.