Der Verfassungsschutz beobachtet die AfD in BW als rechtsextremistischen Verdachtsfall. Darf er das? Dazu hat ein Stuttgarter Gericht nun eine erste Entscheidung getroffen.
Der Verfassungsschutz darf die baden-württembergische AfD bis auf weiteres als rechtsextremistischen Verdachtsfall beobachten. Das Stuttgarter Verwaltungsgericht habe einen Eilantrag der Partei abgelehnt, sagte ein Gerichtssprecher am Dienstagabend auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur.
Die AfD-Landesvorsitzenden Emil Sänze und Markus Frohnmaier kündigten an, den Beschluss auf Fehler zu prüfen und zu schauen, ob sie im Eilverfahren in die nächste Instanz gehen - also zum Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg. Unabhängig davon geht der Prozess am Verwaltungsgericht in der Hauptsache weiter. Einen Termin dafür gibt es dem Sprecher zufolge noch nicht.
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Gericht: Verfassungsfeindliche Bestrebungen in der AfD
Das Landesamt für Verfassungsschutz hatte den Landesverband der Alternative für Deutschland (AfD) im Juli 2022 als Verdachtsfall zum Beobachtungsobjekt erhoben und dies per Pressemitteilung publik gemacht. Die Partei erhob Klage gegen ihre Beobachtung und die öffentliche Bekanntgabe derselben (Az. 1 K 166/23) und stellte zugleich einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Az. 1 K 167/23). Auf letzteren bezieht sich die noch nicht veröffentlichte Entscheidung der ersten Kammer des Verwaltungsgerichts vom Montag.
Der Gerichtssprecher erläuterte, der Verfassungsschutz beobachte den AfD-Landesverband nach Auffassung der Kammer zu Recht. Es bestünden tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen. Es gehe dabei um Verhaltensweisen, die darauf abzielten, die freiheitliche demokratische Grundordnung in der Ausprägung der Menschenwürde im Sinne des Grundgesetzes außer Geltung zu setzen.
Gerichtssprecher: Verstoß gegen die Menschenwürde
Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass eine zentrale politische Vorstellung innerhalb des AfD-Landesverbands der Erhalt des deutschen Volkes in seinem ethnischen Bestand sei und ethnisch "Fremde" nach Möglichkeit ausgeschlossen bleiben sollten. "Ein dergestalt völkisch-abstammungsmäßiger Volksbegriff verstößt gegen die Menschenwürde, die die prinzipielle Gleichheit aller Menschen umfasst", teilte der Sprecher der Deutschen Presse-Agentur mit.
Auch lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass die AfD die Würde von Menschen islamischer Glaubensrichtungen außer Geltung setzen wolle. So werde dieser Personengruppe undifferenziert die Verantwortung für Missstände zugewiesen, was vor allem in Verbindung mit erniedrigenden Bezeichnungen oder unangemessenen und unhaltbaren Vergleichen beim Zuhörer Hass oder Neidgefühle hervorrufen solle. Gleichermaßen einzuordnen seien Äußerungen, mit denen bei potenziellen Wählerinnen und Wählern wie auch in der Bevölkerung allgemein Sozialneid oder gar Angst und Hass gegenüber Muslimen geschürt werden solle.
Das Gericht kam den Angaben nach zu dem Schluss: "Vor diesem Hintergrund begegnet auch die Unterrichtung der Öffentlichkeit über die Beobachtung des AfD Landesverbands Baden-Württemberg durch das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg keinen Bedenken."
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AfD weist Vorwürfe zurück und sieht einseitige Benachteiligung
Die Partei teilte mit: "Wir weisen in aller Deutlichkeit den Vorwurf zurück, die AfD würde einen ethnisch-biologischen Volksbegriff vertreten. Ein ethnisch-biologischer Volksbegriff ist unvereinbar mit unserer Programmatik." Die Kammer stütze ihre Argumentation an eine Aneinanderreihung von Aussagen einiger Funktionsträger, die sie einseitig zum Nachteil der AfD interpretiert habe.
"Was Muslime angeht, schreibt auch das AfD-Grundsatzprogramm eindeutig fest, dass diese akzeptierte und geschätzte Mitglieder der Gesellschaft sind, wenn sie sich rechtstreu verhalten und integrieren", erklärten Frohnmaier und Sänze. "Diese Aussage unseres Grundsatzprogramms ist verbindlich."
Die AfD wolle keinem Menschen, auch nicht Muslimen, die Menschenwürde absprechen. Sie werde aber weiter immer wieder auf Probleme hinweisen, die aus ihrer Sicht mit der islamischen Zuwanderung nach Deutschland verbunden sind, und dem Wahlvolk für diese Probleme alternative Politikangebote machen.
AfD in Sachsen-Anhalt als gesichert rechtsextrem eingestuft
"Soweit Äußerungen einzelner Funktionsträger den Anschein erwecken, dass sie gegen unser Programm verstoßen, werden wir den Beschluss zum Anlass nehmen, um erneut zu prüfen, ob einzelne Funktionäre hier gegen unsere Programmatik gehandelt haben", kündigten die beiden an.
Just am Dienstag hatte der Verfassungsschutz in Sachsen-Anhalt bekanntgegeben, den dortigen AfD-Landesverband als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft zu haben. In Thüringen hatte der Landesverfassungsschutz die AfD mit ihrem umstrittenen Landespartei- und Fraktionschef Björn Höcke schon im März 2021 als gesichert rechtsextremistisch eingestuft. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die AfD als Ganzes eine Stufe darunter eingestuft, nämlich als rechtsextremistischen Verdachtsfall.