Die Liebsten vom Bahnhof abholen - das könnte bald auch in BW schwieriger werden. Denn die Papier-Pläne, wann ein Zug am Gleis ankommt, werden abgeschafft. Ein Problem oder längst überfällig?
Oft sind diese Zettel in großen Schaukästen am Bahngleis zu sehen: gelb ist Abfahrt und weiß ist Ankunft. Zum Fahrplanwechsel der Deutschen Bahn am 15. Dezember sollen zumindest die weißen Ankunftspläne wegfallen, wie DB InfraGO AG, das Tochterunternehmen der Deutschen Bahn, in einer Kundeninformation mitteilte. Diese dienten vor allem Abholenden am Bahnhof bisher zur Orientierung.
An der Stelle der Ankunftspläne sollen QR-Codes zukünftig auf die Live-Ankunftstafeln auf der Homepage verweisen. Abholende würden zudem einmalig mit einem Plakat zum Fahrplanwechsel informiert, so die Deutsche Bahn. Die gedruckten Abfahrtspläne in den Schaukästen blieben weiterhin bestehen.
Wegfall der Papier-Pläne soll Platz und Kosten sparen
Mit dem Schritt will die Bahn sowohl Platz in den Vitrinen schaffen als auch Papier sparen, so ein Bahnsprecher gegenüber dem SWR. Da die Papier-Aushänge von den Reisenden kaum genutzt würden, in der Datenpflege und im Druck jedoch hohen Aufwand verursachten, werde darauf verzichtet. Zudem stelle der Ankunftsplan inzwischen meist eine "überholte Datenlage" dar, die sich insbesondere aus den vielen Bauaktivitäten ergebe.
Die Ankunftszeit und das Ankunftsgleis erfahre man am Bahnhof sowieso verlässlicher über die Monitore, die Live-Ankunftstafeln oder die dynamischen Anzeiger direkt am Bahnsteig, so der Bahnsprecher weiter. Außerdem sind alle Informationen über das Internet und die App der Deutschen Bahn abrufbar.
Auf SWR-Nachfrage erklärte das Unternehmen, deutschlandweit gebe es nur 570 von insgesamt 5.400 Bahnhöfen mit solchen Ankunftsplänen. Überall, wo diese noch hingen, werden sie ab Mitte Dezember abgehängt. Das betrifft auch einige größere Bahnhöfe in Baden-Württemberg. Neben Stuttgart, Mannheim und Karlsruhe gibt es bald etwa in Heilbronn, Pforzheim, Tübingen, Ulm und Heidelberg keine Papier-Ankunftspläne mehr.
Landesseniorenrat kritisiert DB
Kritik zum Aus der gedruckten Ankunftsplänen kommt vor allem vom Landesseniorenrat Baden-Württemberg. Die Bahn lege wieder eines ihrer Probleme zulasten der Kundschaft - nämlich, dass die Ankunftspünktlichkeit nachlässt, sagt Eckart Hammer, Vorsitzender des Landesseniorenrats in Baden-Württemberg. Er ist selbst aktiver Bahnfahrer und kennt die Leiden der Bahnreisenden. Er verstehe zwar, dass die Papier-Pläne immer wertloser würden. "Gleichzeitig gibt es dann für Menschen, die nicht digital unterwegs sind oder sein können, unlösbare Probleme", sagt Hammer. Denn rund die Hälfte der über 70-Jährigen könne nicht mit QR-Codes oder mit der Bahn-App umgehen.
Anders als in Stuttgart oder anderen großen Bahnhöfen gebe es auf dem Land oder bei kleineren Bahnhöfen oft keine großen Ankunftstafeln, so der Vorsitzende des Landesseniorenrats. "Dann stehen die Bahnkunden, die ihre Freunde oder Familienangehörigen abholen wollen, auf dem Bahnsteig und wissen nicht, wo es langgeht, weil es ja auch kein Personal mehr gibt", so Hammer. "Und das kann nicht sein." Digitale Anzeigen seien außerdem häufig zu kurz lesbar oder zu komplex. Nicht nur alte Menschen würden so abgehängt, auch Menschen mit Behinderung, Kinder und auch Menschen mit Migrationshintergrund, so Hammer.
Bahn will Fahrgastzahlen beobachten ICE hält für ein halbes Jahr in Heilbronn
Heilbronn wird ab dieser Woche an das Fernverkehrsnetz angeschlossen. Vier Verbindungen soll es geben. Wegen Bauarbeiten ist zu Beginn allerdings mit Einschränkungen zu rechnen.
Fahrgastverband hält QR-Codes statt Papierplan für "ungenügend"
Auch der Fahrgastverband PRO BAHN in Baden-Württemberg kritisiert den Wegfall der ausgedruckten Ankunftspläne. Der Verband trete für einen möglichst barrierearmen Zugang zum öffentlichen Verkehr ein, "und dazu gehören auch Informationen, die ohne weitere Hilfsmittel lesbar sind", schreibt der Landesverband auf seiner Webseite. Nur einen QR-Code in der Vitrine am Gleis sei "absolut ungenügend". Das Aus der Papier-Pläne wäre nur in Ordnung, wenn diese von einer entsprechenden dynamischen Anzeige ersetzt werden würden - "wenn denn die Informationen auch zuverlässig stimmen würden".
Bahnexperte sieht Digitalisierung als Fortschritt
Dass an den Bahngleisen mit Papier aufgeräumt wird, hält Bahnexperte Felix Berschin aus Heidelberg für "absolut richtig". Sonst würden Bahnhöfe mit Auskünften "tapeziert", und der Fahrgast von heute könnte sie gar nicht mehr verarbeiten. Die Papierpläne würden für ein ganzes Jahr erstellt, obwohl es ständig Änderungen gibt.
Berschin ist selbst stark sehbehindert, weshalb für ihn die Digitalisierung bei der Bahn "ein wahrer Segen" ist. Er sagt, es gebe immer ein paar Gruppen, die benachteiligt werden. Im Bahnverkehr sei man mit Apps und dem Internet aber mittlerweile gut ausgestattet, die Anzeige am Bahnhof sei nur noch eine Bestätigung, dass der Zug tatsächlich fährt.
Nach SWR-Recherchen Digitalisierung bei der Bahn - warum von ihr so viel abhängt
Die Digitalisierung soll die ersehnte Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit bringen. Doch das Projekt, das nach SWR-Informationen vorerst gestoppt werden soll, ist komplex und umstritten.
Dass die gedruckten Ankunftspläne wegfallen, sieht er als Fortschritt. Die analoge Information zur Wagenreihung wurde schließlich schon länger abgeschafft. Früher gab es riesige Poster, heute wird die Wagenreihung, wie sie wirklich ist, digital angezeigt, das sei "kein Hexenwerk", so Berschin. Nun müsse Wert darauf gelegt werden, dass die Informationen an den Geräten auch stimmen - denn dort gebe es besonders bei Störungen zu viele Abweichungen.
Experte will auch gedruckte Abfahrtspläne abschaffen
Wenn es nach dem Bahnexperten Berschin ginge, müsste man sich auch von den gelben Abfahrtsplänen verabschieden - zumindest von den Gleisangaben darauf. Die Bahn wäre ohne feste Gleisanzeigen flexibler, sodass Züge ohne Wartezeiten einfahren könnten, wenn ein Gleis belegt ist, so der Experte. Als gelungenes Beispiel nennt Berschin den Bahnhof in Paris. Dort gibt es keine festen Abfahrtsgleise. An einer digitalen Tafel wird dort erst 20 Minuten vor Abfahrt das jeweilige Gleis angezeigt. Würde das Modell in Deutschland übernommen werden, würden erstens mehr Kapazitäten für die Bahn geschaffen werden. Zweitens könnten überfüllte Bahnsteige verhindert werden, etwa wenn Fernverkehrszüge zu spät sind. Er will die Modernisierung an Bahngleisen deshalb mit Optimismus betrachten.
Verkehrsclub in BW hält Aus der Ankunftspläne für vertretbar
Der ökologische Verkehrsclub Deutschland (VCD) in Baden-Württemberg hält die Pläne der Deutschen Bahn, die ausgehängten Ankunftspläne abzuschaffen, angesichts der Abweichungen durch Baustellen für vertretbar. Es müsse aber die Sichtbarkeit des digitalen Angebots gestärkt werden, etwa mit dynamischen Ankunftsanzeigen an allen Hauptzugängen, so Gero Treuner vom VCD-Landesvorstand. Für kleine Bahnhöfe fordert der Verband interaktive Informationsstationen mit einem barrierefreien Angebot. "Es muss sichergestellt sein, dass auch Kundinnen und Kunden ohne Smartphone alle Informationen erhalten", sagt Treuner.
Viele Änderungen durch Generalsanierung bei der Bahn
Starke Einschränkungen und Änderungen im Bahnverkehr gibt es in Baden-Württemberg derzeit wegen der Sanierung der Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Die Bauarbeiten sollen bis zum 15. Dezember dauern. Nach dem Vorbild der Riedbahn sollen bis 2027 insgesamt 1.500 Kilometer des deutschen Bahnstreckennetzes grundlegend erneuert werden. Im kommenden Jahr beginnt die Deutsche Bahn mit der Modernisierung der Streckenkorridore Hamburg - Berlin und Emmerich - Oberhausen. Die DB plant, dass die Züge durch die Generalsanierung hochbelasteter Strecken wieder pünktlicher, verlässlicher und profitabler fahren.
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