Seit 1.000 Tagen herrscht Krieg in der Ukraine. Rund 207.000 Geflüchtete fanden Schutz in Baden-Württemberg. Die anfängliche Hilfsbereitschaft war enorm, hat aber stark abgenommen.
Als der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine heute vor 1.000 Tagen begonnen hat, war die Spenden- und Hilfsbereitschaft für die Geflüchteten und die Menschen in der Ukraine in Baden-Württemberg enorm groß. Wie stark sich das nun geändert hat, berichtet unter anderem Serkan Eren von der Stuttgarter Hilfsorganisation STELP. Seit Kriegsbeginn im Februar 2022 bis Ende Oktober 2024 sind knapp 206.000 Geflüchtete aus der Ukraine und rund 1.200 aus Russland bis nach Baden-Württemberg gekommen. Das zeigen aktuelle Zahlen des baden-württembergischen Justizministeriums. Demnach gab es seit Beginn des Krieges keine Abschiebungen in beide Länder.
Hilfsorganisation: "Spendengelder erschreckend zurückgegangen"
Die Spendenbereitschaft für die Ukraine sei seitdem auf extremste Weise zurückgegangen, so der Gründer und Vorstand der Stuttgarter Hilfsorganisation "STELP" Serkan Eren im Gespräch mit dem SWR. Es sei normal, dass die Hilfsbereitschaft am Anfang eines Krieges immer höher sei. Dann sei die Katastrophe aktuell und habe eine gewisse Präsenz in den Medien, so Eren. So ticke der Mensch, dann sei er einfach emotional.
Der Rückgang bei der Spendenbereitschaft für die Ukraine sei aber wirklich extrem. "Auch für uns, die einiges gewohnt sind bei dem Thema, ist das erschreckend," so Eren. Der Stuttgarter macht das an ganz konkreten Zahlen fest. In den letzten 1.000 Tagen Ukraine Krieg habe STELP insgesamt knapp drei Millionen Euro Spenden für die Ukraine generiert. In den ersten drei Kriegsmonaten habe die Organisation 1,9 Millionen Euro davon eingenommen, was fast 65 Prozent ausmache. Zum Vergleich: In diesem Jahr habe STELP rund 128.000 Euro an Spenden (Stand 18.11.24) für die Ukraine generiert.
STELP unterstützt mit den Spenden Menschen vor Ort in der Ukraine. Neben den Posten Essen und warme Kleidung gehen die Spendengelder von STELP laut Vorstand Serkan Eren unter anderem auch an ein Camp für ukrainische Witwen, die ihre Männer im Krieg verloren haben. Sie erhalten dort in einer kleinen Gruppe mit anderen Frauen psychologische Unterstützung, um ihren Verlust zu verarbeiten.
"Die Bereitschaft, Geflüchteten Wohnraum zu geben, nimmt ab"
Während STELP den Menschen in der Ukraine hilft, unterstützt Waldemar Illg aus Heilbronn Geflüchtete, die wegen des Krieges nach Baden-Württemberg kommen. Kurz nach Kriegsbeginn in der Ukraine hat er im Frühjahr 2022 in Weinsberg (Kreis Heilbronn) ein ganzes Hotel für Flüchtlinge organisiert. Bis Ende 2022 hatte er auch im Gemeindehaus seiner Freikirche (Gemeinde Gottes e.V.) in Heilbronn immer wieder Geflüchtete aus der Ukraine untergebracht. Auch Illg berichtet, dass die Hilfsbereitschaft in Baden-Württemberg zurückgegangen ist.
Waldemar Illg macht das vor allem auch am Wohnraum für Geflüchtete fest. "Am Anfang haben wir in Weinsberg und in Heilbronn sehr viele positive Erfahrungen gemacht," so der Flüchtlingshelfer im Gespräch mit dem SWR. Viele Leute hätten ihre Häuser für die ankommenden Flüchtlinge geöffnet. Das habe aber nachgelassen. Auch weil sich viele Vorgaben und Regelungen durch den Staat geändert hätten.
Was Spenden in die Ukraine angeht, sieht Illg noch eine große Hilfsbereitschaft gerade im medizinischen Bereich. Er habe zuletzt erst 40 elektrisch verstellbare Betten aus einem deutschen Altersheim als Spende in ein Krankenhaus in die Ukraine organisiert. So etwas würde dort dringend benötigt.
Sprache und Bezahlung oft Problem auf dem Arbeitsmarkt
Die Spenden und die Hilfsbereitschaft sind das eine, aber wie funktioniert eigentlich die Integration der Geflüchteten zum Beispiel auf dem Arbeitsmarkt? Anders als unter anderem in Polen oder Tschechien arbeiten in Deutschland noch nicht so viele ukrainische Geflüchtete. Flüchtlingshelfer Waldemar Illg sieht dafür zwei Gründe. Zum einen gebe es oft eine Sprachbarriere. Anders als zum Beispiel Tschechisch ist Deutsch dem Ukrainischen nicht ähnlich. In Jobs, in denen man wortgewandt sein muss, sei die Sprache oft ein Problem, berichtet Illg.
Aus seiner Erfahrung ist zum anderen oft die Bezahlung ein Problem. Damit es sich für die Geflüchteten lohnt zu arbeiten, müssten sie rund 2.000 Euro verdienen. Nur so könnten sie sich die oft teuren Wohnungen und ihr Leben mit ihren Familien leisten. Oft würden sie aber im Job weniger verdienen als das, was sie durch Bürgergeld und Wohngeld bekommen. Das sei ein Problem, so Illg. Das sehen Städte und Kreise in Baden-Württemberg ähnlich. Ohne Bürgergeld gebe es mehr "finanzielle Anreize" zu arbeiten, so die Kritik.
Geringere staatliche Leistungen sollen Anreiz zu arbeiten stärken Städte und Kreise in der Region kritisieren Bürgergeld für Ukrainer
Nur jeder fünfte Geflüchtete aus der Ukraine im erwerbsfähigen Alter sei berufstätig, so der Gemeindetag. Das belaste die staatlichen Kassen und helfe nicht bei der Integration.
Flüchtlinshelfer Illg betont, er sage den Geflüchteten immer: "Geht arbeiten, nur so könnt ihr auch die Sprache besser lernen." Aber Geld spiele eben auch eine Rolle.
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