Gibt es einen Zusammenhang zwischen psychischer Gesundheit und Migrationserfahrungen? Dieser Frage geht Çevikkollu nach dem Tod seiner Mutter nach, die an einer Psychose litt.
Fatih Çevikkollu: Kölner live auf dem Maimarkt in Mannheim
Mit dem Bekenntnis "Mannheim ist für mich Liebe", betont Schauspieler und Kabarettist Fatih Çevikkollu vor Live-Publikum auf dem Maimarkt seine Zuneigung. Den Mannheimer Dialekt findet er allerdings eher exotisch und kann selbst höchstens die Kölsche Sprache anbieten.
"Internationale Biografie" statt Migrationshintergrund
Seine Eltern kamen aus der Türkei nach Deutschland. In seiner Kunst spielt seine interkulturelle Identität immer wieder eine Rolle. Fatih Çevikkollu findet, der Begriff Migrationshintergrund klinge sehr nach einer "Diagnose". Heutzutage spreche man eher von "Menschen mit internationaler Biografie", das sei ungleich sexyer.
Das Thema sei nach wie vor präsent. Noch immer werde er in Lesungen damit konfrontiert, dass Menschen ihm sagen, er "spreche aber auch ganz gut Deutsch".
Hängen psychische Gesundheit und Migrationserfahrung zusammen?
In seinem Buch "Kartonwand" erzählt Fatih Çevikkollu vom Trauma der türkischen Arbeitsmigranten am Beispiel seiner eigenen Familie.
Sein Vater kam als Schlosser, seine Mutter als Grundschullehrerin nach Deutschland. Sie habe einen Statusverlust erfahren und sei später psychisch krank geworden, berichtet Çevikkollu über seine Mutter. Im Austausch mit anderen habe er festgestellt, dass viele Arbeitsmigranten der ersten Generation psychische Erkrankungen, wie Depressionen, erlitten haben.
Migration und die Lebenslüge "Gastarbeiter"
Das Mantra seines Lebens war lange "Wir kehren zurück", erzählt Fatih Çevikkollu. Der Begriff "Gastarbeiter" habe dies bereits ausgedrückt: "Wir sind hier, aber wir werden hier nicht bleiben".
Sein Buchtitel "Kartonwand" bezieht sich auf die Wand aus Kartons, die im Schlafzimmer seiner Eltern stand, sagt Çevikkollu. Sie standen bereit für die stets angekündigte Rückreise.
Erst mit der Zeit schlichen sich bei Fatih Çevikkollu Zweifel und die Erkenntnis ein: "Ich kann nirgendwo zurückkehren, wo ich nie war und während wir darüber reden, dass wir zurückkehren, bin ich die ganze Zeit hier".
Die Türkei sei nie ein einladendes Land mit einer Perspektive gewesen. Es habe keinen einfachen Punkt gegeben, aus Deutschland wieder "abzuspringen", meint Fatih Çevikkollu.
Comedian Fatih Çevikkollu zoomt in die Gesellschaft
Nach seinem Studium an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin, wurde Fatih Çevikkollu mit seinen Soloprogrammen auf den Bühnen des Landes und der Comedy-Serie "Alles Atze?" bekannt. Für sein erstes Soloprogramm "Fatihland" bekam er 2006 den "Prix Pantheon"-Jurypreis.
Sein aktuelles Programm "Zoom" beschreibt er als "wärmendes Lagerfeuer in Zeiten digitaler Kälte" und schreckt auch vor Tabu-Themen nicht zurück.
People Are People SWR1 Leute
Zwei Stunden Zeit für ein Gespräch mit Menschen, die im Mittelpunkt stehen, die Herausragendes leisten oder einfach eine spannende Lebensgeschichte haben.