Alzheimer: So wurde Katrin Seyfert von der Ehefrau zur Pflegerin

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Jens Wolters
Moderator Jens Wolters aus dem SWR1 Team moderiert regelmäßig die Sendung SWR1 Leute mit spannenden und interessanten Gästen
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Carolin Hoos
Carolin Hoos aus dem SWR1 Team

Katrin Seyfert pflegte ihren alzheimerkranken Mann. Die Zeit war voller Höhen und Tiefen, über die sie jetzt spricht. Ihr Ziel: Dass wir ohne Tabu über Krankheiten reden.

Diagnose Alzheimer mit Anfang 50

Katrin Seyfert betreute ihren Mann intensiv sechs Jahre bis zu seinem Tod. Er bekam mit Anfang 50 die Diagnose Alzheimer gestellt. Das machte Katrin Seyfert von der Ehefrau schlagartig auch zur Pflegerin.

Die Liebe ist mir und uns nicht abhanden gekommen, aber das miteinander leben hat sich verändert. Mein Mann war immer ein ganz wahnsinnig starker, das Leben wuppender Kerl. Er war Notarzt, konnte reanimieren und auf einmal musste ich als Ehefrau ihn an seine Medikamentengabe erinnern.

Erste Anzeichen von Alzheimer

Die ersten Anzeichen, die Katrin Seyfert bei ihrem Mann wahrgenommen hat, waren kleine Zettel, die er sich geschrieben hat. "10 Brötchen kaufen" stand beispielsweise darauf, oder "Heute 16 Uhr Fußballtraining". Irgendwann haben sie angefangen, mehr darüber zu sprechen. Ihr Mann, der selbst Arzt war, hat zunächst versucht, die Situation zu umschiffen. Er ging zu anderen Ärzten, hat andere Untersuchungen machen lassen.

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Diagnose Alzheimer am Telefon

Doch dann bekam Katrin Seyfert in einem rund einminütigen Gespräch mit einem Oberarzt die Diagnose ihres Mannes: Alzheimer. Der Mediziner hatte noch einen Satz für sie, der hängenblieb: "Sie brauchen jetzt ein Testament und die Zahl ihrer Freunde wird sich innerhalb von einem Jahr halbieren". Ihrem Mann hat Katrin Seyfert die Diagnose am Abend gesagt. Er guckte einen Moment geradeaus und sagte:

Wenn das mein Schicksal ist, dann bin ich auch bereit, das zu tragen.

Katrin Seyferts Leben neben der Krankheit

Mit drei Kindern und Katrin Seyferts Selbständigkeit musste das Leben trotz Alzheimer weitergehen. Das war für sie Fluch und Segen zugleich.

So richtig zum Nachdenken bin ich in den Jahren nicht gekommen. Es gab, glaube ich, sechs Elternabende pro Jahr, zehn Lernentwicklungsgespräche, unendlich viele Unterschriften. Die Buntwäsche, der Einkauf, Pflegegradeinschätzung ist auch noch dran – also diese Gleichzeitigkeit von ganzen vielen kleinen To Dos. Das hat die Jahre geprägt.

Doch Hilfe hatte die Familie zum Glück auch von außen. Der Neurologe hat ihnen seine private Handynummer gegeben und war immer erreichbar, die Nachbarin ist tabulos mit allem umgegangen und selbst die Filialleiterin eines Discounters in der Nähe hat mit auf ihn aufgepasst, indem sie Ware als Ladendiebstahl deklariert hat, nachdem ihm einfach nicht klarzumachen war, dass er sie bezahlen müsste.

Zwischen Wut, Traurigkeit und Humor

Humor hat Katrin Seyfert geholfen, mit der Situation umzugehen. Sie sagt, Humor bringe Distanz und gebe ein bisschen Selbstwirksamkeit von dieser Ohnmacht zurück. Und Humor hat auch geholfen, wenn sie zum wiederholten Male gut gemeinte Sprüche wie "Ich bin immer für dich da" oder "Ich könnte das nicht" hören musste. Neben Humor hat ihr auch Wut Kraft gegeben. "Wütend sein ist besser als traurig sein", sagt sie. Mit Wut könne man weitermachen.

Darauf war ich wütend: Auf diese Jämmerlichkeit und Selbstwehleidigkeit. Auf meinen Mann nicht, den habe ich tatsächlich bis zum Ende geliebt und er mich auch – was für ein Geschenk. Er hat uns alle noch erkannt bis zum allerletzten Tag. Das war ein ganz großes Geschenk, das er uns gemacht hat.

"Lückenleben": Ohne Tabu über Krankheiten sprechen

Der Umgang mit der tödlichen Erkrankung konnte nicht erlernt werden, bis es los ging. In Ihrem Buch "Lückenleben" erzählt Katrin Seyfert von ihrem damals neuen Leben. Von Frustration, Organisation, Heulerei und dann auch den kleinen zwischenmenschlichen Goldpfunden, die es auch gab. Katrin Seyfert möchte, dass es kein Tabu mehr ist, über Krankheiten zu reden, seien sie noch so schlimm. 

Wir reden schon gerne über Krankheit, wenn es noch eine bezwingbare Krankheit ist. In dem Moment, wo es um so existenzielle Fragen geht – wie das Sterben und der Tod – da werden wir schon etwas wortkarger.

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