Süchtig nach Sportwetten: Alexander Jacob lebte ein Parallelleben, hatte hohe Schulden und Suizidgedanken. Heute klärt er über Glücksspiel und Spielsucht auf.
Ein kleines Tippspiel zur Fußball-Europameisterschaft im Büro oder unter Freunden: das haben in den letzten Wochen wahrscheinlich Viele gemacht. Aber Sportwetten können auch zur Sucht werden: Laut Glücksspielatlas* haben Menschen in Deutschland zuletzt 1,4 Milliarden Euro durch Sportwetten verloren, seit deren Legalisierung im Herbst 2020. Eine Summe, die doppelt so hoch ist wie noch vor zehn Jahren.
(*Der Glücksspielatlas gibt einen grundsätzlichen Überblick über das Thema Glücksspiel in Deutschland. Er fasst vorliegende Daten zusammen, informiert über rechtliche Regelungen sowie Sucht und Prävention.)
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Sucht nach Sportwetten zerstört fast Leben
Alexander Jacob hat 15 Jahre lang unter Wett- und Spielsucht gelitten. Er hat gelogen, hatte Schulden im sechsstelligen Bereich und dachte sogar über Suizid nach. Als Fußball-Insider und Pressesprecher von Hannover 96 und des 1. FC Köln wähnte er sich im Vorteil – doch diese Rechnung ging nicht auf.
Ich habe mir eingebildet, dass ich mit meiner Kompetenz den Faktor Glück ausschalten kann, indem ich genau analysiere: Wer ist Favorit in diesem Spiel, wer ist besonders offensivstark, wer hat gerade ne gute Formkurve, wer wird also das Spiel gewinnen?
Ein Trugschluss: Die Ergebnisse bei Fußballspielen lassen sich nicht vorhersagen, Sportwetten sind reines Glücksspiel (Quelle: check-dein-Spiel.de).
Ausstieg aus Spielsucht ist möglich
2017 bricht seine Welt zusammen: Er verliert seinen Job als Pressesprecher beim 1. FC Köln – wegen seiner Spielsucht. Zu diesem Zeitpunkt ist er stark süchtig, ordnet seinen ganzen Tagesablauf den Wetten unter, verliert dabei viel Geld. Aber: Die damaligen Verantwortlichen beim 1. FC Köln helfen ihm. Dafür ist er ihnen heute noch dankbar.
Es war der Einstieg in ein letztlich gesundes Leben. Es war ein extrem harter Aufprall. [...] Ich war nicht mehr arbeitsfähig, war eine Belastung für den Club, weil ich um mich herum ein Lügenkonstrukt aufgebaut habe und letztlich kann ich heute feststellen, dass die damaligen Geschäftsführer mir das Leben gerettet haben.
Jacob nimmt Hilfe in Anspruch, macht eine ambulante Rehabilitationsmaßnahme und Therapie. Seit 2017 kann sich Jacob als "spielfrei" bezeichnen. Nach wie vor hält er sich aus jeder Wette, jedem Glücksspiel heraus – obwohl er im Alltag nach wie vor mit Sportergebnissen konfrontiert wird: als Pressesprecher bei Arminia Bielefeld. Heute ist es ihm ein Anliegen, gerade junge Menschen für die Gefahren von Sportwetten zu sensibilisieren.
Ich finde, dass die Werbung der Sportwetten-Anbieter sehr präsent ist. [...] Es ist letztlich eine ganze Industrie, die viel Geld in Deutschland umsetzt. Es ist alles sehr auf Lifestyle, auf ein cooles Freizeiterlebnis ausgerichtet. Mit meinem Erlebnis dieser jahrelangen Krankheit habe ich dafür kein Verständnis. [...] Ich erkenne darin eine echte Gefahr auf Basis des von mir Erlebten.
Glücksspielsucht anerkannte Krankheit
Gerade in den sozialen Netzwerken gebe es viel Werbung für Sportwetten, daran teilzunehmen sei sehr einfach und wirke attraktiv. Der Umsatz bei Sportwetten wird weltweit auf mehr als 42 Milliarden Euro geschätzt. Länder und Kommunen erwirtschaften damit in Deutschland etwa 5,5 Milliarden Euro, so Jacob.
Gleichzeitig ist die Glücksspielsucht seit 20 Jahren eine von der WHO anerkannte Krankheit, Versicherungsträger übernehmen die Kosten für Reha-Maßnahmen. Fußball-Star Kylian Mbappé verweigerte 2022 ein Fotoshooting, weil er unter anderem nicht für Sportwetten-Anbieter werben wollte.
5 Tipps: Sucht nach Glücksspiel und Sportwetten erkennen
Im Gegensatz zur Sucht nach Alkohol, Nikotin oder Heroin lasse sich eine Glücksspielsucht gut verheimlichen, sagt Alexander Jacob. Trotzdem nennt er in SWR1 Leute ein paar Dinge, bei denen Betroffene oder Angehörige hellhörig werden können.
- Sportwetten oder Glücksspiel nehmen immer mehr Zeit in Anspruch oder bestimmen sogar den Tagesablauf
- Die Wetteinsätze werden immer höher
- Die betroffene Person fragt ihr Umfeld immer wieder nach Geld, um eine "private Notsituation" auszugleichen
- Die betroffene Person schläft schlecht, nimmt an Gewicht zu / ernährt sich schlecht
- Depressive Episoden häufen sich
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