Nicht nur uns Menschen bringt die Zeitumstellung durcheinander. Auch Tiere müssen sich dann neu orientieren, vor allem Wildtiere in Straßennähe. Dadurch kommt es zu vielen Wildunfällen.
Wenn im Herbst und im Frühling die Uhren umgestellt werden, hat das auch für Wildtiere Konsequenzen. Wie schlimm das Ausmaß an Wildunfällen tatsächlich ist, hat SWR Wissenschaftsjournalist und Biologe Axel Wagner im Rahmen des Projekts "Stop Roadkill" zusammen mit dem Fraunhofer-Institut herausgefunden.
Die Ergebnisse sind nun in der SWR Dokumentation "Tod im Sekundentakt – Was tun gegen Wildunfälle?" zu sehen. Vorab hat Wagner mit uns über die Problematik und Lösungen gesprochen.
Zeitumstellung verwirrt Wildtiere
SWR1: Wie hängt die Zeitumstellung mit deutlich mehr Wildunfällen zusammen?
Axel Wagner: Es ist eigentlich verrückt. Man kann sich vorstellen, wenn wir morgens unterwegs sind, sind auch die Wildtiere unterwegs und sind aktiv. Das bedeutet, wir haben da einen gewissen Konflikt. Wenn die Zeitumstellung da ist, sind die Tiere plötzlich überrascht, weil sie sich tatsächlich auch ein bisschen nach dem Verkehr richten.
Und das bedeutet, dass in dieser Zeit mehr Tiere totgefahren werden, wie wir zusammen mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern herausgefunden haben. Das sind ungefähr zehn Prozent mehr tote Wildtiere an den Tagen der Zeitumstellung.
SWR1: Zehn Prozent mehr Wildtote, wie viele sind das in absoluten Zahlen?
Wagner: Also wenn man sich die Zahlen des Bundesamts für Statistik vornimmt, sind es ungefähr 2.500 Wildtierunfälle. Wir sind der ganzen Geschichte in unserer Dokumentation nachgegangen. Da haben wir festgestellt, dass es doch viel mehr sind. Wir haben gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut errechnen können, dass es ungefähr 250.000 Wildtierunfälle pro Jahr sind, das heißt, das ist das Hundertfache.
Große Gefahr für bedrohte Wildtierarten
SWR1: Welche Tiere sind davon besonders bedroht?
Wagner: Ganz vorneweg natürlich die Rehe. Aber es gibt eben auch bedauerlicherweise bedrohte Arten, für die ist das ganz besonders schlimm. Zum Beispiel die Wildkatze und der Luchs haben natürlich besonders Probleme, wenn da ein Tier tot ist. Denn es ist unter Umständen für die ganze Population ein Problem. Aber ansonsten gilt das für alle Wildtiere, die aktiv sind, bis runter letzten Endes zum Igel.
SWR1: Wie lange braucht das Wild nach der Zeitumstellung, bis es sich auf geänderte Zeiten für die Verkehrsströme eingestellt hat?
Wagner: Wir müssen damit rechnen, dass gerade in den ersten Tagen der Zeitumstellung das Wild noch sehr sensibel ist und sich noch nicht umgestellt hat. Das Ganze nimmt dann nach zwei, drei Wochen etwas ab. Das ist das eine. Aber wir müssen natürlich auch im Blick behalten: Es kann immer mit Wildtieren in der Dämmerungszeit gerechnet werden. Das sollte man auf dem Schirm haben.
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Lösungsansätze für Wildunfälle
SWR1: Wir diskutieren jedes Mal bei der Zeitumstellung die Nachteile. Gibt es für das Wildproblem noch eine andere Lösung, als die Zeitumstellung abzuschaffen?
Wagner: Lösungen sind zum Beispiel Grünbrücken, also wo Brücken für die Tiere über Autobahnen gebaut werden. In anderen Ländern gibt es Kleintierbrücken – da könnte Deutschland auch ein bisschen nachholen, auch der Südwesten. Dann gibt es zum Beispiel in Schweden automatische Wildwarnanlagen, die sind eigentlich ganz gut. Aber bei uns gibt es viel zu wenig davon.
Ein Tempolimit wäre eine Lösung. Bei uns in Deutschland ist es so, dass wir außerhalb von Ortschaften Tempo 100 haben. Es zeigt sich, dass Tempo 80 schon von Vorteil wäre. Warum? Weil der Bremsweg kürzer wird, wie wir zeigen.
Und dann gibt es natürlich noch Assistenzsysteme in Fahrzeugen. Ab 2024 ist es so, dass Assistenzsysteme für Neufahrzeuge Pflicht sind, aber nur solche, die Personen erkennen. Aber nicht solche, die Wildtiere erkennen.
Der ADAC sagt uns aber, hey, das wäre eigentlich ganz einfach, solche Assistenzsysteme auch fit zu machen, damit sie Wildtiere erkennen. Das hätte zwei Vorteile; einmal für diejenigen außerhalb des Autos, also für die Wildtiere und innerhalb des Autos wäre es natürlich für uns auch ein eigener Schutz. Last but not least: weniger Verkehr, weniger Straßen. Das würde natürlich auch helfen, um diese grausame Zahl von 250.000 Wildtierunfällen pro Jahr zu reduzieren.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.
Jetzt in der ARD Mediathek anschauen
Die Dokumentation "Tod im Sekundentakt – Was tun gegen Wildunfälle?" ist in der ARD Mediathek abrufbar und am 11. April um 21 Uhr im SWR zu sehen.
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