Im Advent nehmen viele Menschen sich die Zeit, anderen zu helfen. Sie kochen für sozial benachteiligte Menschen, spenden Geld oder Kleidung oder übernehmen ein Ehrenamt.
Sich nützlich zu machen, sorgt nicht nur bei den Empfängern der Hilfe für Freude. Wer hilft, ist zufrieden – das haben auch einige Studien in der Vergangenheit gezeigt. Warum es uns glücklich macht, anderen zu helfen, erklärt uns Prof. Dr. Anne Böckler-Raettig vom Institut für Psychologie an der Universität Würzburg.
SWR1: Was passiert in Körper und Seele eines Helfenden, das letztlich diesen Glückszustand produziert?
Anne Böckler-Raettig: Wenn wir anderen helfen, vor allem aus freien Stücken, fühlt sich das unmittelbar gut an, es macht uns froh. Es belohnt uns sozusagen selber. Das sehen wir beispielsweise im Gehirn. Wir sehen auch im Gehirn, dass letztendlich Botenstoffe ausgesetzt werden, dass Areale aktiviert sind, die wir beispielsweise auch in Verbindung bringen mit belohnenden Tätigkeiten oder die wir sehen, wenn wir uns um unsere Kinder kümmern.
SWR1: Gehen wir so weit, dass der Helfende glücklicher ist als der, dem geholfen wird?
Böckler-Raettig: Im besten Falle sind natürlich beide glücklich. Insgesamt kann man sagen, dass auch das Empfangen von Unterstützung viele positive Effekte hat. Hilfe im richtigen Moment kann den Glauben an die Menschheit wiederherstellen. Helfen ist enorm ansteckend. Wenn uns jemand mit Mitgefühl und Großzügigkeit begegnet, ist es viel wahrscheinlicher, dass wir uns ebenso verhalten. Und zwar nicht nur gegenüber der Person, die uns geholfen hat, sondern auch gegenüber anderen. Das kann natürlich eine sehr positive Dynamik in Gang setzen.
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SWR1: Lässt sich aus den Erkenntnissen folgern, dass Menschen, die professionell helfen, wie Rettungssanitäter oder Sozialarbeiter zufriedener sind als andere?
Böckler-Raettig: Eine bedeutsame Arbeit zu haben, sich in sinnvoller, nutzbringender Weise für die Gemeinschaft einzusetzen, wirkt sich wirklich positiv auf Zufriedenheit und auf die psychische Gesundheit aus. Gleichzeitig wird natürlich in genau diesen Berufen teilweise unter extremem, prekären Bedingungen gearbeitet, mit Stress und Zeitdruck. Es führt auch dazu, dass man das, was man tun möchte und muss, gar nicht wirklich tun kann.
Und da verändert sich dieses Potenzial, sich also in sinnvoller Weise einzubringen, wirklich Leben zu retten oder den Unterschied zu machen zwischen einem Tag in Würde, oder einem Tag in Hilflosigkeit ins Gegenteil. Das bedeutet in diesen Berufen: Man kann Leid nicht lindern, man macht Fehler, die andere die Gesundheit kosten. Deshalb ist Burn-out in diesen Berufen auch so häufig.
SWR1: Führen Ihre Erkenntnisse mehr oder weniger zwangsläufig dazu, dass jemand, der nach Erfüllung sucht, eigentlich dringend ein Ehrenamt annehmen muss?
Böckler-Raettig: (lacht) Ehrenamtliches Engagement ist natürlich enorm wichtig für die Gesellschaft. Aber es kann auch wirklich sehr viele positive Aspekte und positive Folgen haben für die Personen, die es ausüben. Es kann neue Einsichten und Erkenntnisse bringen, Kontakte, neue Routinen, es kann Sinn stiften und wirklich das Leben verändern.
Das Gespräch führte SWR1 Moderator Hanns Lohmann.
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