Bundeskanzler Scholz beim Spatenstich für eine Rüstungsfabrik oder die Diskussionen über gemeinsame europäische Atomwaffen.
Das sind aktuelle Meldungen – und zum Abschluss dürfte es auf der 60. Münchner Sicherheitskonferenz auch vor allem um Bedrohungen der Welt gehen, um Kriege und Wettrüsten.
Dr. Elisabeth Hoffberger-Pippan ist Rüstungsexpertin am Leibniz-Institut für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt und hat unsere Fragen zur aktuellen Sicherheitslage beantwortet.
SWR1: Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine erleben wir weltweit eine Aufrüstungsspirale, mit der viele in Deutschland nicht gerechnet haben. Waren wir naiv?
Elisabeth Hoffberger-Pippan: Zum einen kann man sagen, dass man nicht wirklich wissen konnte, welche Vorhaben Russland tatsächlich im Blick hatte. Erst durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine hat sich die Frage gestellt, welche Intention Russland tatsächlich hat und wie Russland bereit ist, die europäische Sicherheitsarchitektur ins Wanken zu bringen und auch zu gefährden. Ich würde deswegen nicht von einer Naivität sprechen. Aber mit Sicherheit wäre es auch gut gewesen, an Staaten zu denken, die bereits davor gewarnt haben. Vor allem denke ich da das Baltikum.
SWR1: Merken wir jetzt, dass jahrzehntelanger Frieden und Demokratie nicht selbstverständlich sind?
Hoffberger-Pippan: Mit Sicherheit. Ich glaube, dass hat tatsächlich zu einem Wachrütteln in Europa geführt. Aber nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und anderen Nato-Partner-Staaten. Insgesamt kann man sagen, dass wir uns auf eine Zeit vorbereiten müssen, so traurig und tragisch das ist, die von verstärkter Konfrontation beziehungsweise von einem angespannten weltpolitischen Klima geprägt ist.
SWR1: Wie gehen Politiker mit dieser Situation um? Bundeskanzler Scholz hat vor Kurzem gesagt, wer Frieden will, muss mögliche Aggressoren erfolgreich abschrecken. Das heißt, Aufrüstung zum Zweck der Abschreckung. Das macht manchen Menschen Angst…
Hoffberger-Pippan: Ich habe jedes Verständnis dafür, dass gerade der Begriff des Aufrüstens negativ besetzt ist. Man muss vielleicht ein bisschen differenzieren, dass Aufrüsten auch bedeuten kann, dass man das eigene militärische Potenzial erhöhen möchte. In Deutschland, aber auch in anderen europäischen Staaten, erfolgt das in erster Linie als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg. Das heißt, dass man die eigene Sicherheit hier mitdenken muss. Aufrüsten kann auch bedeuten, dass man beispielsweise das Nato-Zwei-Prozent-Ziel einhält. Da sind einige Staaten säumig. Das wurde von Deutschland jetzt wieder kommuniziert, dass Deutschland sich an dieses Zwei-Prozent-Ziel halten möchte.
SWR1: Stichwort NATO. Auch da wackelt die Unterstützung aus den USA — erst recht, wenn Donald Trump Präsident werden sollte. Haben sich Deutschland und Europa in Sachen Sicherheit zu lange von den USA abhängig gemacht?
Hoffberger-Pippan: Tatsächlich war diese transatlantische Beziehung seit jeher ein Zankapfel. Dazu kann man natürlich sagen, dass sich Europa jedenfalls Gedanken machen muss, wie die eigene Sicherheit gewährleistet werden kann. Deswegen gibt es jetzt auch diese sehr sensible Debatte, was beispielsweise auch den nuklearen Schutzschirm durch die USA anbelangt. Das sind Gespräche, die geführt werden müssen. Da muss man sensibel vorgehen und da ist es auch ganz wichtig, die Bevölkerung entsprechend sensibel mitzunehmen.
Zur Homepage des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt
Zur Homepage der Münchner Sicherheitskonferenz. vom 16. bis 18. Februar 2024
Das Gespräch führte SWR1 Moderatorin Claudia Deeg.
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