Dr. Julia Sachse ist Inhaberin einer Apotheke in Mainz. Was dazu geführt hat, dass sie unverschuldet vor dem Aus steht und warum es in Deutschland ein solches Apothekensterben gibt, darüber haben wir mit ihr gesprochen.
Apothekerverband warntApothekensterben: Nur noch 20 Apotheken auf 100.000 Einwohner
Von Januar bis September 2024 haben in Deutschland 384 Apotheken ihre Türen für immer geschlossen. Das ergab eine Erhebung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). 2023 hatte es bundesweit noch 17.571, 2010 noch 21.441 Apotheken gegeben. Nach Angaben des Apothekerverbandes Rheinland-Pfalz e.V. - LAV gab es im zweiten Quartal 2024 bei uns noch 832 Betriebe.
Den Daten der ABDA zu Folge fiel das Apothekensterben in diesem Jahr bundesweit deutlicher aus, als in den Vorjahren. So lag die Anzahl der Betriebsschließungen im gleichen Zeitraum 2022 bei 285, 2023 schlossen von Januar bis September 335 Betriebe ihre Türen. Rein rechnerisch kämen also in Rheinland-Pfalz auf 100.000 Einwohner aktuell nur noch 20 Apotheken, so der Apothekerverband.
Gründe für das Apothekensterben
SWR1: Seit einiger Zeit läuft es in Ihrer Apotheke nicht mehr so gut. Was ist passiert?
Dr. Julia Sachse: Mir geht es wie vielen inhabergeführten Apotheken. Die Kosten können von dem, was man erwirtschaftet, nicht mehr gedeckt werden.
SWR1: Woher kommt das?
Sachse: Die Ursache liegt im fehlenden Inflationsausgleich. Wir arbeiten mit einem Budget, das uns die Krankenkassen ersetzen, von vor 20 Jahren. Das heißt [...] zwei Prozent der Ausgaben im Gesundheitssystem entfallen auf uns. Die Verwaltungskosten der gesetzlichen Krankenkassen liegen doppelt so hoch.
SWR1: Wenn jetzt jemand ein Medikament kauft, dann legen sie drauf, weil die Kasse nicht genug dafür bezahlt und das Medikament teurer geworden ist?
Sachse: Wir legen tatsächlich pro abgegebener Packung bei den gesetzlichen Krankenkassen drauf. Man könnte etwas dagegen tun, nur der politische Wille dafür ist nicht vorhanden.
Situation im SüdwestenApothekensterben in Rheinland-Pfalz
Das könnte die Politik gegen das Apothekensterben tun
SWR1: Was müsste denn politisch passieren, damit das für sie besser wird?
Sachse: Am drängendsten wäre es, den Inflationsausgleich zu bekommen. Und vor allem die katastrophalen Auswirkungen des BGH-Urteils zum Skonto wieder gerade zu rücken.
SWR1: Was heißt das genau?
Sachse: Das BGH hat entschieden, Apotheken dürfen nicht mehr als 3,05 Prozent Rabatt erhalten. Wir leben aber von diesem Mehr an Rabatt, das man uns jetzt weggenommen hat. Dieser Rabatt wurde jetzt zum Beispiel bei mir um die Hälfte gekürzt. Das bedeutet für mich ein Verlust von 5.000 Euro pro Monat.
Apothekensterben: Julia Sachse vor dem Aus
SWR1: Sie stehen vor der Privatinsolvenz. Wie wirkt sich das auf Ihr Privatleben aus?
Sachse: Wie würden Sie sich fühlen, wenn Sie alles verlieren, was sie in 18 Jahren aufgebaut haben, ohne eigentlich etwas falsch gemacht zu haben? Sie arbeiten 60 Stunden die Woche für das Wohl ihrer Mitbevölkerung. Machen keinen Urlaub und verzichten auf ganz viel. Es ist eine Katastrophe!
SWR1: Das klingt so, als ob Sie gar keine Chance mehr hätten. Was machen Sie jetzt?
Sachse: Ich arbeite schon daran, mir einen anderen Job zu suchen. Ich lerne seit zwei Jahren sehr intensiv Englisch, Französisch, habe meinen Lebenslauf entsprechend vorbereitet. Und bin bereit, etwas Neues anzufangen.
Das Interview führte Michael Lueg.
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