Als Weltmeisterin über 800 Meter im Rennrollstuhl reist Merle Menje zu den Paralympics nach Paris. Sie liebt die Geschwindigkeit und taktisch anspruchsvolle Rennen.
Klack, Klack, Klack - Wenn Merle Menje auf ihrer Heimbahn in Singen trainiert, ist dieses Geräusch fast ununterbrochen zu hören. Es entsteht, wenn sie mit ihren maßgefertigten Handschuhen den Rennrollstuhl an den Hinterrädern beschleunigt. Dabei kniet die 20-Jährige kauernd in dem Hightech-Rollstuhl. Das sieht unbequem aus, ist es aber mit genügend Übung nicht: "Am Anfang hat mir dann schon der Rücken wehgetan, weil die Muskulatur noch nicht so stark war. Aber jetzt finde ich es nicht mehr unbequem."
Merle Menjes Leidenschaft für die Bewegung
Seit ihrer Geburt ist Merle Menje querschnittsgelähmt. Mit neun Jahren dreht sie ihre ersten Runden im Rennrollstuhl auf der blauen Bahn in Singen. Schnell merkt sie, wie gut ihr die Bewegung tut und intensiviert ihr Training. Winfried Skowronek, Trainer bei ihrem Heimatverein StTV Singen, merkt schon damals, dass Menje eine besondere Athletin ist: "Sie ist schon sehr ehrgeizig. Das hat man damals schon gemerkt, als sie hier bei uns angefangen hat. Ich hatte damals schon den Eindruck, sie hat einen Masterplan im Kopf, vielleicht nicht gleich mit WM und Olympia. Aber sie wusste genau, was sie wollte."
Menje liebt die Natur, sie trainiert nicht nur auf der Bahn, sondern schrubbt auch auf der Straße ihre Kilometer - aus Leidenschaft: "Ich habe nicht angefangen, weil ich Leistungssportlerin werden wollte, sondern weil ich eine Leidenschaft dafür hatte, mich zu bewegen."
Kompletter Medaillensatz bei der WM 2024
Diese Leidenschaft führte sie in diesem Jahr zu ihrem ersten Weltmeistertitel. Bei den Para-Leichtathletik-Weltmeisterschaften im japanischen Kobe fuhr sie im 800 Meter-Rennen als erste über die Ziellinie. "Das war weit über meinen Erwartungen", ordnet Menje ihren Erfolg ein. Zudem weiß sie auch, dass die Stars der Szene, die Schweizerin Manuela Schär oder die Amerikanerin Tatyana McFadden, in Japan nicht am Start waren.
Rennrollstuhlfahrerin aus Gottmadingen erfolgreich in Japan Gold und Silber für Merle Menje bei Para-WM in Kobe
Merle Menje hat Gold und Silber für die deutschen Para-Leichtathletinnen im japanischen Kobe gewonnen und einen Slot für die Paralympics in Paris gesichert.
Über die 5.000 Meter gewann sie Silber, über 1.500 Meter Bronze. Eigentlich mag sie die längeren Distanzen lieber, sie seien taktisch anspruchsvoller. Ein Rennen zu lesen, gehört zu den Stärken der 20-Jährigen, wenn "nicht immer nur der, der am schnellsten ist, gewinnt, sondern eben auch der, der ein bisschen mit Kopf fährt."
Absoluter Wille und positives Mindset
Menje startet übrigens auch auf der Marathondistanz. Hier sind neben den starken Armen vor allem ein unbedingter Wille und mentale Stärke gefragt. Eigenschaften, die Merle schon als Kind ausgezeichnet haben. Dass es einen Unterschied zwischen den laufenden Kindergartenkindern und ihr als Rollstuhlfahrerin gab, habe sie schon gemerkt: "Aber für mich war das noch nie so ein großer Punkt, weil ich immer versucht habe, für mich noch einen Weg zu finden." Sie hat sich darauf fokussiert, was sie kann und nicht, was sie nicht kann. Sie beschreibt sich selbst als positiven Menschen und auf der Trainingsbahn in Singen spürt man ihre positive Ausstrahlung. Sie hat sichtlich Spaß am Training.
2021: Durchbruch als "German Wunderkind"
International wurde die damals 16-Jährige nach ihren EM-Titeln 2021 bereits als "German Wunderkind" gefeiert. Menje empfand das als Ehre und Ansporn für ihre ersten Paralympics 2021 in Tokio. Dort überraschte sie weiter, lieferte mutige, beherzte Rennen und wurde zweimal Vierte. "Das war schon Wahnsinn, dass das überhaupt geklappt hat. Das war ja gar nicht unbedingt der Plan. Es war ja immer der Plan: Paris."
Merle Menjes Ziel bei den Paralympics in Paris
Im vergangenen Jahr hat Merle Menje ihr Abitur gemacht. Zurzeit studiert sie nebenbei Französisch, aber seit einem Jahr konzentriert sie sich voll auf den Sport und ihr großes Ziel: Paris 2024. In der Vorbereitung auf die Paralympics ist sie rund zweihundert Kilometer in der Woche gefahren. Das intensive und leidenschaftliche Training soll sich nun auszahlen. Das große Ziel in Paris ist erst einmal das Erreichen der Finals. "Und natürlich wäre es ein Traum, dann vorne mit dabei zu sein." Es wäre die erste paralympische Medaille für die 20-Jährige.