Nach dem Schlusspfiff wollte Ulms Torwart Christian Ortag nur noch weg - weg vom Platz, weg von der Mannschaft, raus aus dem Donaustadion. Aus einem ganz besonderen Grund: Seine Frau war in den Wehen.
Der SSV Ulm 1846 Fußball ist aufgestiegen. Für viele Spieler und Fans war es das Ereignis des Jahres und ein guter Grund, bis tief in die Nacht hinein zu feiern. Nur einer hat von dem Platzsturm, den Bierduschen und den Knuddeleien der Fans nicht mehr viel mitbekommen: Christian Ortag. Der 29-Jährige rannte nach dem Abpfiff vom Platz, zu seiner Frau und fuhr dann so schnell wie möglich ins Krankenhaus. "Ich musste einige von der Security überzeugen, dass die mich überhaupt fahren lassen", sagte Ortag im Interview mit SWR Sport.
Wehen setzten bereits in der ersten Halbzeit ein
Aber er hatte überzeugende Argumente - sehr überzeugende. Allem voran der Babybauch von Laura, seiner Frau. Denn die war zu diesem Zeitpunkt bereits in den Wehen: "Es fing in der ersten Halbzeit so ein bisschen an und in der zweiten Halbzeit dann richtig. Davon habe ich auf dem Platz erstmal gar nichts mitbekommen und habe dann glücklicherweise die Info von meinem Torwart-Kollegen Lorenz Otto bekommen."
Sohn wartet den Aufstieg ab
Die Ulmer Aufstiegsparty nach dem 2:0-Sieg gegen Viktoria Köln interessierte ihn da nicht mehr groß: "Da hat mein Kopf erstmal ausgeschaltet - da war nur noch: Wie komme ich jetzt so schnell wie möglich zu meiner Frau?" Die saß nämlich mit Ortags erstem Sohn, dem zweieinhalb Jahre alten Luke, auf der Tribüne und sah zu, wie Leonardo Scienza (59. Foulelfmeter) und Max Brandt (64.) den Durchmarsch der Ulmer besiegelten. "Wir haben vorher schon gewitzelt: Vielleicht wartet das Kind noch, bis der Papa in der zweiten Liga spielt. Dass er es dann so ernst nimmt, hätten wir jetzt nicht gebraucht."
Dabei hatte das Paar zuvor alle möglichen Szenarien durchgespielt - auch Trainer Thomas Wörle war informiert: "Ich habe immer gesagt: In einem Notfall, wechsle mich aus. Da geht natürlich die Familie vor." Zudem habe seine Frau gewusst, an wen sie sich im Fall der Fälle wenden kann. Aber "sie wollte auf keinen Fall, dass ich ausgewechselt werden muss", sagte Ortag.
Ortag lobt "waschechte Spielerfrau"
So konnte Papa Ortag erst einmal seinen Arbeitstag beenden, die Null festhalten und den Aufstieg klarmachen. "Dass sie mir das ermöglicht hat ..." Und die Schmerzen? "Das kann kein Mann nachfühlen. Aber sie hat gezeigt, dass sie eine waschechte Spielerfrau ist - voll im positiven Sinne. Ich bin auch ein bisschen fassungslos, wie sie das alles hinbekommen hat."
Ortags "dritte Halbzeit" - intensive 45 Minuten
Vom Donaustadion bis zur Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Ulm sind es etwas mehr als zwei Kilometer - kurze Wege also. "Wir sind natürlich überglücklich, dass es jetzt von der Zeit hier so super aufgegangen ist, dass wir es auch noch zusammen ins Krankenhaus geschafft haben." Dort hat es nicht mehr lange gedauert: "45 Minuten später war der zweite Sohn da."
Freunde und Verwandte hatten sich da bereits Sorgen gemacht. "Es kamen viele Nachrichten: 'Hey, wir haben Dich auf den Bildern und im Fernsehen nicht gesehen, ist alles in Ordnung bei Dir?'" Aber Christian Ortag konnte schnell Entwarnung geben: "Kind ist gesund. Alles gut." Die Freude war riesig - Ortag (mit 16 Zu-null-Spielen bester Keeper der Liga) war somit nicht nur Vater des Erfolgs, sondern auch des kleinen Nick.
Christian Ortag kommt verspätet zur Aufstiegsfeier
Und die Aufstiegsfeier? "Später, als ich dann eh aus dem Krankenhaus gehen musste, konnte ich mich den Jungs in der Stadt schon noch anschließen." In Sachen Pegel waren ihm Johannes Reichert, Dennis Chessa und Co. jedoch schon einiges voraus. "Das war ein wenig gewöhnungsbedürftig", gestand Ortag. "Es ist viel Alkohol geflossen. Aber so muss das dann auch sein, denn wir haben Großes geschafft. Aber ich habe mich an dem Abend ein wenig zurückgehalten, weil ich wusste, jetzt ist erstmal die Familie wichtig und die brauchen mich dann auch."