Der 1. FSV Mainz 05 sah in der vergangenen Saison lange wie ein sicherer Absteiger aus. Jetzt dürfen die Rheinhessen auf die europäischen Ränge schielen. Über ein außergewöhnliches Jahr beim Bundesligisten.
Ein Blick zurück: Im Februar schlichen die Spieler von Mainz 05 nach dem 1:3 beim VfB Stuttgart mit hängenden Köpfen vom Platz und nur kühne Optimisten trauten den Rheinhessen noch den Klassenerhalt zu. Neun Punkte Rückstand auf das rettende Ufer, ein (!) Sieg aus 21 Saisonspielen - eine desaströse Bilanz.
Jan Siewert, der als Nachfolger von Bo Svensson zunächst interimsmäßig übernommen hatte und später zum Cheftrainer erklärt wurde, hatte die sportliche Talfahrt nicht stoppen können. Nach dem Spiel in Stuttgart musste er gehen.
Bo Henriksen übernimmt und schafft die Rettung
Gesucht wurde also ein neuer Coach, schon das zweite Mal innerhalb einer Saison bei den sonst auf Kontinuität ausgelegten Mainzern. Gefunden wurde letztlich Bo Henriksen. Der Däne kam vom FC Zürich und legte gleich bei seiner Vorstellung einen erstaunlichen Auftritt hin. Keine Spur von Zweifeln am Klassenerhalt, stattdessen strahlte der neue Mann Power und Motivation pur aus.
Und tatsächlich: Unter Henriksen legten die 05er eine fulminante Aufholjagd hin und sicherten sich noch den Klassenerhalt. "Motivationskünstler", sagten damals nicht wenige. Aber ob das auch reicht, wenn er mit seinem Team mal nicht mit dem Rücken an Wand steht?
Was Henriksen Klopp und Tuchel voraus hat
Mittlerweile hat Henriksen 27 Spiele als Coach der Mainzer absolviert und weist einen Punkteschnitt von 1,67 auf. Damit liegt er deutlich vor Thomas Tuchel (1,41), Bo Svensson (1,3) oder Klub-Ikone Jürgen Klopp (1,13). Vor dem letzten Bundesligaspiel des Jahres bei Eintracht Frankfurt (Samstag, 21.12.2024 ab 15:30 Uhr im Liveticker und Audiostream auf sportschau.de) stehen die Mainzer mit 22 Punkten auf Rang sieben - noch vor Champions-League-Finalist Borussia Dortmund.
Mainz düpiert die Bayern
Dabei war im Sommer klar, dass die Mainzer vor einem Umbruch stehen. Der aus Liverpool ausgeliehene und in der Rückrunde bärenstarke Innenverteidiger Sepp van den Berg kehrte nicht mehr zu den 05ern zurück, mit Brajan Gruda und Leandro Barreiro verließen zwei sportliche Stützen den Klub. Der Saisonstart verlief dann auch ruckelig, die Rheinhessen fanden in den ersten Wochen nicht so richtig herein. Vor allem in der eigenen Arena mühte sich die Henriksen-Elf.
Dann aber kam die Mannschaft ins Rollen, spielte immer besseren Fußball und holte zuletzt zwölf Punkte aus den letzten fünf Bundesliga-Partien. Mit dem vorläufigen Highlight, dass die Mainzer am vergangenen Samstag den FC Bayern düpierten und dem Rekordmeister beim völlig verdienten 2:1 die erste Niederlage der Saison beibrachten. Gäbe es einen Titel für die "Mannschaft des Jahres gemessen an den gegebenen Umständen", die Mainzer wären ein heißer Kandidat.
Fußball | Bundesliga Nach Sieg gegen FC Bayern: Zentner lobt Teamleistung - noch keine Diagnose bei Burkardt
Den Erfolg gegen die Bayern schreibt Robin Zentner vor allem seiner Mannschaft auf dem Feld zu. Wohin es für den 1. FSV Mainz 05 diese Saison gehen kann, lässt er jedoch offen.
Burkardt als deutscher Top-Torschütze
Neben Henriksen, dem Sportvorstand Christian Heidel in der Sommerpause explizit bescheinigt hatte, mehr als ein Feuerwehrmann zu sein, stechen auf dem Platz zwei Profis aus dem Team heraus: Angreifer Jonathan Burkardt und Nadiem Amiri. Nicht Deniz Undav, nicht Jamal Musiala, sondern Burkardt ist mit 18 Toren der erfolgreichste deutsche Torschütze im laufenden Kalenderjahr in der Bundesliga.
Und das, obwohl der 24-Jährige immer wieder von Verletzungen zurückgeworfen wird. Zuletzt musste er gegen die Bayern früh wegen einer Oberschenkelverletzung raus und wird mehrere Wochen fehlen. Sollte er im nächsten Jahr mal länger von Verletzungen verschont bleiben, könnte er dauerhaft dort auftauchen, wo er im Herbst sein Debüt gefeiert hatte: bei der Nationalmannschaft.
Amiri als Glücksfall für Mainz 05
Beim 2:1 gegen die Bayern (beide Tore Jae-sung Lee) kompensierten die 05er den Ausfall ihres Kapititäns überraschend gut. Einmal mehr großen Anteil hatte daran Amiri. Der 28-Jährige war im Januar aus Leverkusen gekommen und schnell zur prägenden Figur des Mainzer Spiels geworden.
Der gebürtige Ludwigshafener war ein echter Glücksgriff auf dem Transfermarkt. Der Mittelfeldstratege hatte im Sommer das Interesse zahlreicher Vereine geweckt, war den 05ern aber - inklusive Verlängerung seines Vertrags - treu geblieben. Bei den Rheinhessen besticht Amiri auch in dieser Saison wieder mit Ball- und Passsicherheit in Kombination mit guten Ideen im Angriffsdrittel. Dazu kommen brandgefährlich getretene Standardsituationen.
"Wir sind nicht so gut in die neue Saison gekommen, aber mittlerweile belohnen wir uns. Ich hoffe, dass es so weitergeht", hatte Amiri vor einigen Wochen gesagt, als er bei SWR Sport im Studio zu Gast war. Damit dürfte er den Fans der 05er aus dem Herzen gesprochen haben. Zumindest sieht es aktuell nicht danach aus, dass man im kommenden Februar wieder Mainzer Kicker mit hängenden Köpfen sehen wird.