Ozan Kabak ist der neue Innenverteidiger bei der TSG Hoffenheim. Nach vielen Aufs und Abs möchte der 22-jährige im Kraichgau endlich heimisch werden. Ob ihm das gelingt?
Die Höhen und Tiefen, die der türkische Nationalspieler Ozan Kabak in seinen jungen Jahren schon hinter sich hat, erlebt manch ein Fußballer in seiner gesamten Karriere nicht. Einst als Toptalent gefeiert, wechselte Kabak im Januar 2019 als 18-Jähriger von seinem Ausbildungsverein Galatasaray Istanbul zum VfB Stuttgart. Bei den Schwaben etablierte sich der Verteidiger auf Anhieb als Stammspieler.
Viele VfB-Fans dürften sich noch an Kabaks Kopfballtore zum 2:0 und 3:0 beim 5:1-Heimsieg gegen Hannover 96 am 24. Spieltag der Saison 2018/19 erinnern. Der junge Türke wurde zum Fan-Liebling in einer Saison, in der es für die Stuttgarter Fans nicht viel zu lachen gab. Am Ende musste der VfB in die Relegation – Kabak stand im Hin- und Rückspiel je 90 Minuten auf dem Feld. Doch auch er konnte den zweiten Abstieg der Vereinshistorie nicht verhindern. Das Kapitel von Ozan Kabak beim VfB Stuttgart fand mit diesem Saisonausgang ein frühes Ende.
Für 15 Millionen Euro zu Schalke 04
Die Königsblauen, die den Abstieg im Sommer 2019 gerade noch verhindert hatten, griffen für das Abwehr-Juwel Kabak tief ins Portemonnaie. Dieses Vertrauen zahlte der dann 19-jährige anfangs auch zurück: Wie in Stuttgart avancierte der Verteidiger auch auf Schalke schnell zum Stammspieler, verteidigte routiniert und steuerte vier Scorerpunkte bei (drei Tore, eine Torvorlage).
Doch die Schalker Seuchen-Saison von 2020/21 wurde für Kabak zur größten Herausforderung seiner noch jungen Karriere. Gleich am ersten Spieltag setzte es gegen den FC Bayern acht Gegentore. Es folgten weitere bittere Niederlagen, etwa gegen Werder Bremen (1:3) und Arminia Bielefeld (0:1). Die Gesamte Hinrunde verweilte Schalke 04 auf den direkten Abstiegsrängen.
Und Ozan Kabak? Der tat sich, wie all seine Kollegen in der Defensive, schwer, der Flut an Gegentoren etwas entgegenzusetzen. Der Youngster wirkte teils überfordert, flog bereits am zweiten Spieltag mit gelbrot vom Platz, und wurde wegen seiner Spuck-Attacke gegen Bremens Ludwig Augustinsson vom DFB-Sportgericht für weitere drei Spiele gesperrt. Es schien, als könnte Kabak sein Talent unter solch desaströsen Umständen, wie sie im Herbst und Winter 2020 auf Schalke herrschten, nicht entfalten.
Neue Chance in der Premier League
Stattdessen nutze Ozan Kabak eine Offerte des FC Liverpool und verließ das Ruhrgebiet im Januar 2021 in Richtung England. Die "Reds" reagierten mit der Leihe von Kabak auf die vielen Verletzungsausfälle in ihrer Verteidigung. Der junge Türke war also eine Art Notlösung, wenn auch eine qualitativ hochwertige.
Neunmal stand Kabak, der zu einer festen Stütze in der türkischen Nationalmannschaft geworden war, in der Rückrunde für Liverpool in der Startelf. Viermal durfte er in der K.O.-Phase der Champions League ran. Die harte englische Gangart lag dem 1,86 Meter großen Rechtsfuß, der als wuchtiger Spielertyp gilt, sehr.
Am Ende der Saison 2020/21, die Liverpool auf dem dritten Tabellenplatz beendete, folgte jedoch die Überraschung: Trotz einer mageren Ablösesumme von rund zehn Millionen Euro sahen die Verantwortlichen in Liverpool keinen weiteren Verwendungszweck für Kabak. Zu groß sei die Konkurrenz in der Innenverteidigung. Für den Youngster, dem es gelungen war, in der vielleicht härtesten Fußballliga Europas und in der Königsklasse zu bestehen, war dies eine bittere Nachricht.
Kabaks Verirrung nach Norwich
Dass sich der FC Schalke 04, der im Frühjahr 2021 sang und klanglos in die 2. Bundesliga abgestiegen war, die Dienste von Ozan Kabak nicht mehr würde leisten können, war schnell klar. Mit dem Premier League Aufsteiger Norwich City fand sich schließlich ein Club, der den jungen Verteidiger, der nach wie vor als ein hochambitionierter Spieler galt, für eine Saison als Leihspieler verpflichtete. Für den Club aus dem Osten Englands ein großartiger Deal. So dachten es sich zumindest die Clubverantwortlichen und die Fans.
Norwich verlor allerdings, ähnlich wie Schalke 04 ein Jahr zuvor, so gut wie alle seine Saisonspiele. Beim FC Chelsea gab es eine 0:7-Klatsche und auch der FC Arsenal zerpflückte Kabak und seine Teamkollegen vor heimischem Publikum gnadenlos (Endstand 0:5). Dem Verteidiger musste die Saison 2021/22 wie ein schlechtes Déjà-vu vorgekommen sein. Wieder war er Teil eines völlig desorientierten und hilflosen Teams. Wieder spielten er und seine Teamkollegen gegen den Abstieg. Und genau wie auf Schalke, schien Kabak auch in Norwich überfordert und frustriert zu sein.
Hinzu kamen ein grippaler Effekt und eine Oberschenkelverletzung, die den Türken zwölf Spiele außer Gefecht setzten. Genauso viele Spiele verfolgte er von der Ersatzbank oder der heimischen Couch. Nach 26 Niederlagen und 84 Gegentoren war das Abenteuer Premier League für Norwich City nach einem Jahr bereits wieder vorbei. Kabaks Ruf hatte in dieser Spielzeit stark gelitten - schlechte Leistungen auf der einen Seite, hohe Verletzungsanfälligkeit auf der anderen. War Ozan Kabak gescheitert?
Zumindest stand er im Sommer 2022 am Scheideweg. Nach dreieinhalb turbulenten Jahren suchte er einen Verein mit einem ruhigen Umfeld, in dem sich der inzwischen 22-Jährige weiterentwickeln und konstant seine Leistung abrufen kann. Daher unterschrieb er im Juli einen Vierjahresvertrag bei der TSG Hoffenheim.
Ein Neuanfang im Kraichgau
Ozan Kabak hat bei der TSG Hoffenheim große Chancen auf einen Stammplatz in der Innenverteidigung. In den ersten beiden Saisonspielen stand er in der Startelf - spielte jeweils über 90 Minuten. Gegen den VfL Bochum köpfte er den Ausgleich, nachdem er schon in der ersten Pokalrunde beim SV Rödinghausen getroffen hatte.
André Breitenreiter findet lobende Worte für seinen Spieler: "Ich sehe ihn jeden Tag hochmotiviert und fleißig auf dem Trainingsplatz", erzählt der neue Trainer der TSG Hoffenheim vor dem Auswärtsspiel in Leverkusen. "Ozan ist auf einem guten Weg und hat sich schnell in die Mannschaft integriert."
Kabak, so Breitenreiter weiter, habe noch sehr viel Potenzial, das es zu entwickeln gilt. Das Umfeld in Hoffenheim, so glaubt auch er, biete dafür beste Voraussetzungen. "Bei uns kann sich Ozan in Ruhe auf den Fußball fokussieren, ohne dass er sich mit vielen Nebengeräuschen beschäftigen muss. Das ist einer der Gründe, weshalb er sich dazu entschieden hat, zur TSG zu wechseln."
Ein ruhiges Umfeld, ein hohes fußballerisches Niveau in der Mannschaft und dazu Aussichten auf viel Spielpraxis. Ozan Kabaks Entscheidung in den Kraichgau zu wechseln, war wohl nicht die schlechteste. Besonders, wenn man seine unruhige Vergangenheit bedenkt, in welcher der Verteidiger kaum Chancen hatte, sich längerfristig bei einem Club zu beweisen. Bleibt Kabak verletzungsfrei, könnte er eine wichtige Säule im Spiel der Hoffenheimer Mannschaft werden.